Formel-1-Stars drohen mit Streik

REFILE - ADDING MISSING KEYWORD The punctured tyre of Ferrari Formula One driver Felipe Massa of Brazil is seen during the British Grand Prix at the Silverstone Race circuit, central England, June 30, 2013. REUTERS/Nigel Roddis (BRITAIN - Tags: SPORT MOTORSPORT F1)
Nach den vielen Reifenschäden in Silverstone darf Hersteller Pirelli ohne Beschränkungen testen.

So spektakulär der Grand Prix von Silverstone war, so gefährlich war er auch: Gleich bei vier Fahrern platzte bei Tempo 300 der linke Hinterreifen. Die fragilen Pirelli-Einheitsreifen waren auf der schnellen Strecke offensichtlich überfordert.

Das Rennen stand kurz vor dem Abbruch, bestätigte Rennleiter Charlie Whiting: „Es war ziemlich knapp davor, die roten Flaggen zu zeigen. Dieser Gedanke ging mir schon durch den Kopf.“ In diesem Fall wäre das Rennen mit halben Punkten in die Wertung genommen worden. Der Sieg wäre an Sebastian Vettel gegangen, der Red-Bull-Pilot hätte seinen Vorsprung in der WM ausbauen können. Doch der Grand Prix wurde fortgesetzt, Vettel fiel mit Getriebeschaden aus und Mercedes-Mann Nico Rosberg erbte den Sieg. Fernando Alonso (Dritter) verkürzte den Rückstand auf Vettel auf 21 Punkte.

Kritik

Der Jubel bei den Deutschen ging fast unter bei der Kritik an den Reifen. „Pirelli hat jetzt sehr viel zu analysieren“, sagte Whiting. Weltverbandschef Jean Todt fordert ungewohnt scharf „umgehende Lösungsvorschläge“ von den Italienern. Der Reifenhersteller wurde zu einer Dringlichkeitssitzung der Sport-Arbeitsgruppe der Formel 1 am Mittwoch auf dem Nürburgring geladen. Noch ist aber offen, ob Änderungen bereits beim nächsten Grand Prix am kommenden Sonntag wirksam werden.

Der Druck in der Arbeitsgruppe ist enorm. Red-Bull-Teamchef Christian Horner schlug vor: „Wir sollten zu den alten Reifen zurückkehren. Das Problem ist, dass bestimmten Teams dann vorgeworfen wird, sie wären auf einen Vorteil aus.“ Allerdings signalisierten Ferrari, Lotus und Force India bereits, den Widerstand gegen Änderungen bei den Reifen aufzugeben. Fahrer und Medien reagierten mit Wut und Sorge. „Das ist nicht akzeptabel“, schimpfte Lewis Hamilton, der es nach einem Reifenplatzer noch auf Platz vier geschafft hatte. „Sie machen erst etwas, wenn jemand verletzt wird.“ Die Gazzetta dello Sport schrieb: „Reifen-Chaos. Pirelli unter Anklage“, La Stampa titelte „Der Krimi der explodierenden Reifen“, der Corriere dello Sport weiß: „Jetzt spricht man von Streik.“

Warnung

Dies bestätigt auch Felipe Massa, eines der Opfer der Reifen-Misere. „Über Streik werden wir ganz sicher diskutieren. Für unsere Sicherheit könnten wir das tun“, sagte der Ferrari-Pilot. Vettels Red-Bull-Teamkollege Mark Webber beschrieb das beängstigende Geschehen als „russisches Roulette“.

Wortkarg war hingegen Paul Hembery, der verantwortliche Motorsportdirektor von Pirelli: „Wir haben etwas gesehen, das wir nicht verstehen.“ Um das Problem doch zu verstehen, sprach Formel-1-Boss Bernie Ecclestone ein Machtwort: „Sie können machen, was sie wollen“, sagte er am Montag. Soll heißen: Ab sofort stehen Pirelli zwei Mal drei Testtage zur Verfügung. Dafür ist nun auch die Nutzung aktueller Autos und Stammfahrer erlaubt.

La Gazetta dello Sport: "Reifen-Chaos, aber Ferrari rettet sich. Fünf explodieren, Pirelli unter Anklage. Rosberg gewinnt im Chaos."

Tuttosport: "Knisternder GP mit Pirelli. Vier Reifen explodieren, zwischen Safety Car und Unfällen ist Chaos in Silverstone."

Corriere dello Sport: "Alonso holt auf: Dritter Platz. Das Titelrennen ist wieder eröffnet. Angst auf der Strecke: Explodierende Reifen, Unfälle einer wie der andere: Jetzt spricht man vom Streik."

La Stampa: "Glückstreffer: Vettel scheidet aus und Alonso fährt vom neunten auf den dritten Platz. Es sind nur noch 21 Punkte Rückstand. Der Krimi der explodierenden Reifen: Piloten bereit für einen Streik."

L'Equipe: "Formel 1 in Fetzen. Bisher hatte man über Pirelli gescherzt. Seit gestern macht man sich Sorgen."

Le Figaro: "Rosberg entkommt dem Chaos von Silverstone. (...) Die einfachste Lösung bestünde darin, mit dem Finger nur auf das Unternehmen Pirelli zu zeigen, das zu einem großen Teil für das Fiasko verantwortlich ist. Wenn denn der italienische Hersteller nicht vor einigen Wochen vorgeschlagen hätte, die Struktur seiner Reifen zu überarbeiten, um sie resistenter zu machen. Damals haben mehrere Teams, darunter Lotus, ihr Einverständnis verweigert."

Liberation: "Mit ein bisschen Nachhilfe vom Schicksal hat der Große Preis von Großbritannien den Titelkampf wieder spannend gemacht."

Le Parisien: "Ein komplett verrückter Grand Prix."

Bild: "Hamilton: 'Ich riskiere für diese verdammten Reifen nicht mein Leben.'" (...) "Vettel hatte einen Schaden, Kimi soll weniger saufen."

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Vier aufgeschlitzte Reifen und ein Getriebeschaden von Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel verwandeln den Großen Preis von England in ein verrücktes Rennen."

Süddeutsche Zeitung: "Probleme links hinten. Zahlreiche Reifenschäden bescheren der Formel 1 vor dem Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring eine Sicherheitsdiskussion."

Times: "Hamilton wird am Tag der zerfetzten Reifen und Nerven der Weg versperrt"

The Sun: "Einige könnten sterben - Button fordert Taten wegen beängstigender Ausfälle"

The Daily Mail: "Außer Kontrolle!"

Daily Mirror: "Lewis' (Hamiltons) Hoffnungen zerfleddert. (...) Nach dem strittigsten Grand Prix von Großbritannien in der modernen Geschichte gibt Hamilton erstmals zu, Angst gehabt zu haben."

El Pais: "Die attraktivsten Rennen für das Publikum sind diejenigen, in denen die Teamchefs mit ihren Nerven am Ende sind. In Silverstone lösen platzende Reifen fast eine Panik an den Boxen aus."

El Periodico: "Das große Pfuschwerk: Pirelli liefert Reifen, die für ein Formel-1-Rennen nicht geeignet sind. Die Rennfahrer fürchten um ihr Leben und verlangen rasche Konsequenzen."

Marca: "Auch Vettel patzt. Der Deutsche erleidet seinen ersten Ausfall in einem Rennen, das durch fünf geplatzte Reifen geprägt wird."

As: "Angesichts des Chaos um die Pirelli-Reifen hätte man das Rennen auch abbrechen können. Einige Teams und Rennfahrer hielten das Sicherheitsrisiko für zu groß."

Nach der Serie heftiger Reifenschäden in Silverstone wollen die Formel-1-Teams Ferrari, Lotus und Force India ihren Widerstand gegen Veränderungen bei den Pneus aufgeben. "Wenn es zu einer Frage der Sicherheit wird, dann werden wir nicht das Wohlergehen der Leute wegen eines technischen Details riskieren", sagte Force-India-Vizeteamchef Bob Fernley dem Fachmagazin "Autosport" am Montag.

Ähnlich äußerten sich die Teamchefs von Ferrari und Lotus. Die Rennställe hatten zuvor Reformen bei den empfindlichen Reifen blockiert, weil ihre Autos bisher gut mit den aktuellen Gummimischungen zurechtgekommen waren.

Beim britischen Grand Prix am Sonntag waren jedoch bei fünf Fahrern auf spektakuläre Weise Reifen geplatzt. Die genaue Ursache ist bisher unklar. "Wir müssen das Problem lösen, weil es für uns alle wichtig ist", sagte Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. "Sicherheit ist unsere oberste Sorge", ergänzte sein Lotus-Kollege Eric Boullier.

Für Änderungen muss Reifen-Hersteller Pirelli die Zustimmung aller Teams haben. Seit Saisonbeginn streiten die Rennställe um die Reifen. Vor dem Rennen auf dem Nürburgring hat der Weltverband FIA eine Krisensitzung am Mittwoch anberaumt.

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