Mittlerweile ist der Finne eine Art Vaterfigur für den Südafrikaner, ebenso wie Gustl Auinger, einst Coach von Binder im Red Bull Rookies Team. "Bei kommenden Weltmeistern, so sagt man gerne, sieht man das Besondere auf den ersten Blick. Bei Brad erkannte man die Qualitäten vielleicht nicht gleich, dafür aber dann beim zweiten Hinsehen."
Vom Titel ist der KTM-Pilot freilich noch viele Motorrad-Längen entfernt, sein Aufstieg bis in die Königsklasse ist aller Ehren wert. Denn sein Werdegang über die vergangenen Jahre wurde in der Szene schon auch als unerwartet bezeichnet, brachte er doch nicht den größten Speed oder das herausragendste Talent mit. Doch Binder besticht seit jeher mit Disziplin und Konsequenz, gilt als Kämpfer. Aki Ajo scherzt: "Ich nenne ihn gerne einen Sonntagsfahrer. Im Training hält er sich oft zurück, aber beim Rennen am Sonntag erwacht dann das Tier in ihm."
Pit Beirer, Motorsport-Direktor bei KTM, hebt Binders eisernen Willen hervor. "Du brauchst schon einen außergewöhnlichen Antrieb, wenn du deine Tasche packst und von Südafrika aus nach Europa aufbrichst." Der Red Bull Rookies Cup wurde zum Wendepunkt in der noch jungen Karriere. Binder lernte schnell, wie auch Auinger weiß: "Er hat schnell erkannt, was ihm fehlt und was er von einem Motorrad braucht, um die beste Leistung bringen zu können."
Im Rookies Cup wurde er Gesamt-14., dann 5. und 7., erhielt danach eine Wildcard für die Moto3. Vater Trevor hatte seine Zweifel, ob er den Sohn weiter finanzieren sollte. Letztlich zahlte sich das Risiko aber aus. In der dritten Saison holte Binder den WM-Titel und stieg in die Moto2 auf. In den folgenden drei Saisonen belegte er am Ende die Plätze acht, drei und zwei.
Ein Aufstieg, der ihm einen Platz im KTM-Werksteam in der MotoGP einbrachte. Er erhielt den Vorzug vor seinem Kollegen und Freund Miguel Oliveira, für das Team eine harte Entscheidung. "Ich spüre, dass das Team volles Vertrauen in mich hat", so der Rossi-Fan Binder. "Es war für mich seltsam. Valentino Rossi habe ich immer nur im Fernsehen gesehen, auf einmal fahre ich neben ihm auf der Strecke. Rossi ist MotoGP." Zuletzt hielt Binder sein Idol auf Distanz, Rossi gratulierte ihm in der Auslaufrunde per Handschlag zum Sieg.
Dabei wird dem KTM-Piloten nachgesagt, dass er sich Zeit seiner Karriere schön langsam an Dinge herantastet, nie ein unnötiges Risiko eingeht und erst einmal alles verstehen muss, ehe er ans Limit geht. Seit Brünn dürfte Binder vollstes Verständnis haben und kann in Spielberg somit wieder ans Limit gehen. Selbst Großmeister Rossi glaubt an einen weiteren Sieg von KTM. "Sie sind sehr stark im Moment. Vermutlich sind sie hier bei ihren Heimrennen sogar die Favoriten."
Wenn "Il Dottore" so etwas sagst, dann gleicht das fast einem Ritterschlag.
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