Klippenspringen in Rom: Der Sprung vom Extremsport zu Olympia
Alex Hart hat es sich angesehen. Der österreichische Turmspringer, der in Rom vom 1-m- und vom 3-m-Brett gesprungen ist, ist die vielen Stufen des 27 m hohen Gerüsts hinaufgestiegen, das für die Premiere der High-Diver (Klippenspringer) im Foro Italico aufgebaut wurde. Den Blick hinunter hat er mit seinen Instagram-Fans geteilt: „Soll ich auch?“
Tatsächlich sind viele, die in Rom bei der ersten High-Diving-EM teilnehmen, ehemalige Turmspringer. „Ich kenne aber auch Olympiasieger vom 10-m-Turm, die auf die 27 raufgehen und sagen: ’Ihr spinnt doch’“, sagt Michael Geissbühler, Technikchef der High-Diver im europäischen Schwimmverband.
Füße voran
Der große Unterschied zum Turmspringen sind aber nicht nur die 10 bzw. 17 m mehr (Frauen springen von 20 m, Männer von 27 m), sondern auch eine entscheidende Regel: Während Turmspringer mit dem Kopf voran landen, sind beim High Diving die Füße als Erstes im Wasser.
Der Grund ist die Verletzungsgefahr. Die Dekompression beim Aufprall steigt mit jedem Meter Höhe. „Durch den harten Aufprall können Gliedmaßen leicht durch das Wasser vom Körper weggezogen werden“, erklärt Geissbühler. Bänderverletzungen sind häufig die Folge.
Und Marion Reiff erklärt, warum die Beine zuerst im Wasser ankommen müssen: „Schultern und Nacken würden das nicht aushalten, die Beine sind um einiges stärker.“
Reiff ist hier bei der Europameisterschaft Punkterichterin für die High-Diving-Bewerbe. Die EM-Medaillengewinnerin und Olympiateilnehmerin hat selbst Erfahrung im Klippenspringen gesammelt und als Richterin ein Zertifikat vom Weltverband.
Großes Risiko
Zwar bewegt sich das High Diving durch immer größere Professionalisierung immer weiter weg vom Extremsport-Image, dennoch wird bei diesen Aussagen klar, welch großes Risiko damit verbunden ist. Die Aufprall-Geschwindigkeit beträgt rund 85 km/h.
Leistet man sich auch nur den geringsten Fehler und landet nicht kerzengerade im Wasser, ist es „als würde man vom 12. Stock auf Beton aufkommen“, weiß Reiff. Zu viel Wucht auf Solarplexus oder Hals kann zur Ohnmacht führen. Bei jedem Klippensprung- oder High-Diving-Event schwimmen deshalb mehrere Sicherheitstaucher im Becken, Fluss, See oder Meer, um sofort zur Stelle zu sein.
Österreicher und Österreicherinnen bei den EM-Sprüngen in Rom nicht dabei. Doch eine österreichische Firma hat großen Anteil daran, dass sich der Sport in den vergangenen Jahren schnell professionalsiert hat. „Klippenspringen gibt es seit Jahrhunderten“, sagt der Schweizer Geissbühler. Es habe sich aus Mutproben heraus entwickelt, etwa in Hawaii oder Acapulco.
Als in den 1990ern die ersten Weltmeisterschaften im High Diving ins Leben gerufen wurden, war Red Bull als Sponsor dabei. Als die Getränkemarke ab 2009 zum Veranstalter der spektakulären Events wurde, ging man im Krach auseinander, erzählt Geissbühler. Weil man auf längere Sicht eine olympische Sportart sein will, sind die Veranstalter auf den Schwimm-Weltverband zugegangen. 2013 folgte die erste WM. Die nun erstmals stattfindende EM ist ein weiterer Schritt in Richtung Olympische Spiele, zeigt aber auch, dass der Sport stark auf Europa und Nordamerika konzentriert ist.
Aufstrebend
„Asien und Afrika fehlen noch komplett“, sagt Geissbühler. Reiff aber glaubt, dass sich das schnell ändern kann: „Wenn es mal olympisch ist, geht es in China oder Japan ganz schnell, das haben wir bei anderen Sportarten gesehen, da wird dann top-professionell gearbeitet und vom Staat unterstützt.“ Gut möglich also, dass man die Klippenspringer in Los Angeles schon sehen wird. Wenn nicht als Disziplin, dann zumindest als Vorführbewerb.
Es gebe klare Argumente, die für den Sport sprechen, etwa ein hohes Interesse von TV-Anbietern und Sponsoren. Gerade für die Spiele in den USA, die 2028 in und um Los Angeles stattfinden, wäre High Diving interessant, schätzt der Schweizer.
Doch langfristig ist vor allem der Kostenpunkt ein riesiges Fragezeichen. Allein für die Europameisterschaften in Rom waren rund zwei Millionen Euro notwendig. Man möchte meinen, für Klippenspringen brauche man nicht viel. Doch wenn es um genormte Höhen, Bedingungen und Sicherheitsvorkehrungen geht, dann muss eine Anlage her, die all diese Dinge vereint.
Geissbühler könnte sich vorstellen, dass Europameisterschaften künftig immer am selben Ort stattfinden. Etwa im Outdoorpark Area 47 im Tiroler Ötztal.
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