Der Olympia-Debütant zeigte seine Nervenstärke, als er im Auftaktkampf in der Klasse bis 81 Kilogramm den favorisierten Portugiesen Anri Egutidze im Golde Score, der Overtime, in der die erste Wertung zählt, in die Knie zwang.
Er blieb auch cool, als sich ihm danach der israelische Weltmeister Sagi Muki und der unberechenbare Usbeke Scharofiddin Boltabojew in den Weg stellten, die er beide erneut im Golde Score aufs Kreuz legte.
Und Shamil Borchashvili ließ sich auch nicht beirren, als er das Halbfinale gegen den Mongolen Saeid Mollaei verlor und schließlich seinen persönlichen Finalkampf um Bronze gegen den Deutschen Dominik Ressler zu bestreiten hatte.
Auch dort wurde ihm wieder einiges abverlangt. Nach 13 Sekunden jubelte der 25-Jährige über eine Ippon-Wertung, die nach einem Videoentscheid wieder zurückgenommen wurde. Viele andere Athleten hätten in diesem Moment wahrscheinlich zu hadern begonnen, doch Shamil Borchashvili steckte auch das weg und zwang den deutschen Konkurrenten kurzerhand ein zweites Mal zu Boden. „Meine mentale Stärke war entscheidend“, meinte der Bronzemedaillengewinner später im Interview.
Wahrscheinlich half dem Olympia-Novizen auf dem Weg zur ersten österreichischen Judo-Medaille seit 2008 (Silber durch Ludwig Paischer) auch seine Unbekümmertheit. Zwar wird Shamil Borchashvili seit Jahren von allen Seiten großes Potenzial attestiert, allerdings konnte der gebürtige Tschetschene seine Fähigkeiten im Wettkampf bislang nur selten unter Beweis stellen. „Ich hatte bis dato ja keine großen Erfolge“, sagt Borchashvili.
Der abgeklärte Auftritt des 25-Jährigen begeisterte auch Nationaltrainerin Yvonne Bönisch. „Er war unglaublich fokussiert und konzentriert und hat taktisch alles perfekt umgesetzt“, lobte die Deutsche.
Bei der Wahl der richtigen Wettkampfstrategie erhielt Shamil Borchashvili in Tokio Unterstützung von seinem jüngeren Bruder Wachid. Der 22-Jährige stand dem Bronzemedaillengewinner nicht nur als Sparringpartner zur Seite, im stundenlangen Videostudium erarbeiteten die Brüder auch für jeden Gegner eine Taktik. „Ich möchte mich bei Wachid bedanken. Dieser Junge hat mich gepusht“, sagte der Olympia-Dritte mit Tränen in den Augen.
Die Borchashvilis stammen ursprünglich aus Tschetschenien. Die Flucht aus dem Krisengebiet führte die zehnköpfige Familie nach Österreich, in Wels fanden Shamil und seine sieben Geschwister eine neue Heimat. „Ich war zehn Jahre alt, als ich nach Österreich kam. Ich bin sehr dankbar, dass ich für Österreich an den Start gehen konnte. Österreich hat mir sehr vieles gegeben. Ich konnte eine Topausbildung abschließen“, sagt der HTL-Maturant, der seit 1. August 2017 österreichischer Staatsbürger ist.
Wie ehrgeizig Shamil Borchashvili ist, zeigte sich nach dem Kampf. Noch in Tokio richtete er den Fokus auf die nächsten Sommerspiele in drei Jahren in Paris. „Ich hoffe, 2024 sind noch mehr Judokas aus Österreich dabei.“
Und es ist kein Geheimnis, wen er damit meint. Seine Brüder Wachid (22) und Kimran (26). „Wir werden das Ding rocken.“
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