Kletter-Star Schubert: Warum eine Erstbegehung wichtiger ist als Olympiagold
Wenn man Jakob Schubert so richtig auf die Nerven gehen möchte, dann muss man ihm nur ein Video von den Olympischen Spielen in Paris vorspielen.
Ein Monat ist vergangen, seit der 33-jährige Tiroler zur Bronzemedaille geklettert war, aber Schubert hat es bis heute nicht übers Herz gebracht, sich seinen Olympia-Wettkampf noch einmal anzusehen.
Weil es ihm schonungslos vor Augen führen würde, welche Riesenchance er in Paris liegen gelassen hat. Und weil er sich dann nur noch mehr ärgern würde, als er es ohnehin schon tut.
Aus dem Sinn
Jakob Schubert lächelt zwar tapfer und freundlich, wenn ihm wildfremde Menschen zu seiner Bronzemedaille gratulieren, aber er selbst kann und will sich über diesen dritten Platz noch immer nicht restlos freuen.
„Ich bin sicher nicht komplett überglücklich über den Ausgang“, gesteht der ehrgeizige Rekordweltmeister (6 Titel). „Deshalb will ich auch nicht ständig über den Wettkampf in Paris nachdenken. Da gibt es nämlich viele Sachen, über die ich mich ärgern kann.“
Jakob Schubert hat nach der Rückkehr aus Paris eine imaginäre Steilwand hochgezogen. Das Thema Olympia dringt vorerst nur mehr in Form von Journalistenfragen zu ihm durch, „die Interviews sind eine Art Therapie“, findet der Routinier.
Aber sonst hat er für sich mit den Spielen abgeschlossen. „Seit ich wieder daheim bin, war ich komplett weg. Ich habe es genossen, nicht über Olympia nachzudenken.“
Wer kann es ihm auch verdenken: In den eineinhalb Jahren zuvor hatte Schubert ständig die Sommerspiele 2024 im Kopf. Jedes Training drehte sich um Olympia, alles wurde dem großen Ziel untergeordnet: Dem Gewinn der Goldmedaille in Paris.
Aus den Augen
Jakob Schubert hatte sich bewusst die Latte selbst sehr hoch gelegt. Alles andere hätte man ihm auch nicht abgenommen. Der Tiroler hat den Klettersport im vergangenen Jahrzehnt geprägt und dominiert und hält etliche Bestmarken.
Eine zweite Olympia-Bronzemedaille nach 2021 (Tokio) ist in seinen Augen keine glänzende Bereicherung für die stattliche Trophäensammlung.
„Ich habe im Klettern schon so viel erreicht, dass ich mit einem dritten Platz nicht zufrieden sein kann“, erklärt der Innsbrucker und verweist auf Tennislegende Novak Djokovic. „Einer wie er hätte sich in Paris auch nicht über einen dritten Platz gefreut.“
Jakob Schubert sucht gerade den Abstand vom echten Leistungssport. Die EM hat er ausgelassen, der Tiroler wird in diesem Jahr keinen Wettkampf mehr bestreiten.
Wie immer um diese Jahreszeit treibt es Schubert von den künstlichen Steilwänden, die er als Sportkletterer erklimmen muss, in die freie Natur.
Auf Mallorca hat der 33-Jährige in den nächsten Wochen einige spektakuläre Erstbegehungen auf Fels geplant. Die 350.000 Fans, die Jakob Schubert über den eigenen YouTube-Kanal und via Instagram folgen, werden sich auf die Videos freuen.
Aus dem Fokus
Innerhalb der immer größer werdenden Kletterszene stehen Erstbesteigungen höher im Kurs als eine Bronzemedaille in Paris. „Bei Olympia erreichst du ein Publikum, das du sonst nicht erreichst“, weiß Schubert.
„Aber wenn ich am Fels einen Schwierigkeitsgrad 9c schaffe, dann ist das in der Kletterwelt fetter als Olympiagold. Und für die Sponsoren sind Videos wichtiger als Wettkämpfe.“
Und trotzdem ist die Faszination Olympia bei Jakob Schubert ungebrochen. Bei den Spielen 2028 in Los Angeles wäre der Innsbrucker dann 37 und sicher der älteste Teilnehmer im Kletterfeld, das Projekt schwirrt aber bereits in seinem Kopf herum.
Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass Schuberts Paradedisziplin, der Vorstieg, in L.A. eine eigene olympische Disziplin wird. Im Februar 2025 soll diesbezüglich eine Entscheidung fallen.
Und sollte der olympische Traum für ihn nicht Wirklichkeit werden, dann bleibt ihm immer noch das Felsklettern. In diesen Abenteuern und Expeditionen sieht Jakob Schubert auch seine Zukunft. „Ich gehe schwer davon aus, dass ich immer etwas mache, das einen Bezug zum Klettern hat. An einen normalen Bürojob denke ich nicht.“
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