Hacker: "Koste es, was es wolle, wird es in Wien nicht geben"
"Im Zweifel ist mir Breitensport wichtiger als Spitzensport", sagt der SPÖ-Politiker. Ein Gespräch über das Happel-Stadion als ewigen Kompromiss, untragbare Missstände und warum er kein Selfie mit David Alaba braucht.
Peter Hacker freut sich schon, wenn er demnächst wieder zur Pistole greifen darf. Der SPÖ-Sportstadtrat eröffnet am 23. April traditionell den Vienna City Marathon. „Ich finde es immer fantastisch, auf der Reichsbrücke zu stehen und auf diese unendlich lange Straße voller Menschen zu blicken. Und alle sind gierig darauf, jetzt endlich durch die Stadt laufen zu dürfen“, sagt der 59-Jährige, der seit 2018 Teil der Stadtregierung ist und mehr als 200 Sportstätten verwaltet.
KURIER:Ist der Marathon eher eine Breitensport- oder Spitzensport-Veranstaltung für Sie?
Peter Hacker: Natürlich ist es auch eine Spitzensportveranstaltung. Aber die ganz große Faszination erzeugen nicht die 30, 40 Topläufer. Die Emotion entfachen die Abertausenden Hobbyläufer, die Lust haben, sich bei diesem Ereignis auf den Prüfstand zu stellen.
Was macht für Sie eine echte Sportstadt aus?
Der zentrale Punkt ist die Pluralität. Sportstadt heißt für mich, diese ganz vielen verschiedenen Vorlieben der Sportausübung so gut wie möglich unter einen Hut zu kriegen. Klar ist auch: Perfekt bekommst du das bei einer Zwei-Millionen-Stadt nie hin. Es geht darum, zu erkennen, wo sind Trends, wo sind Bewegungen, wo gibt es Defizite. Beachvolleyball ist ein gutes Beispiel dafür.
Was meinen Sie damit?
Wir haben erkannt, dass es da rund um das Event auf der Donauinsel eine Euphorie gibt, die wir auffangen wollen. Daher haben wir eine eigene Veranstaltung für Jugendliche ins Leben gerufen. Die Verknüpfung mit Breiten- oder Schulsport ist zentral, damit die Stadt so etwas Kostspieliges wie das Beachvolleyballturnier überhaupt fördert. Denn im Zweifel ist mir der Breitensport wichtiger als der Spitzensport. Obwohl ich die Vorbildwirkung von Topathleten nicht schmälern möchte.
Karrieretyp
Der Wiener (* 29. Juni 1963) wuchs am Alsergrund (9. Bezirk) auf. Anstatt zu studieren trat er in den Dienst der Stadt Wien, um sich laut eigenen Angaben seine Leidenschaft, die Musik, zu finanzieren. Hacker war Keyboarder in einer Band. Bei der Stadt arbeitete er für Bürgermeister Helmut Zilk, von 1992 bis 2003 war er Drogenkoordinator und ab 2001 auch Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien. Stadtchef Michael Ludwig überzeugte den zweifachen Vater 2018, in die Wien-Regierung zu wechseln.
Sportfan
Der Wiener ist bekennender Rapid-Anhänger, in seiner Jugend spielte er lange Tischtennis. Sein großes Idol war aber Tennisstar Jimmy Connors.
Wird es für die Sportstadt Wien schwieriger mitzuhalten? Es gibt Länder und Städte, die sehr viel Geld in große, glamouröse Sportevents investieren. Nachhaltigkeit ist da oft zweitrangig.
Ich glaube, dass echte demokratische Politik immer größere Schwierigkeiten hat, in diesem merkwürdigen und toxischen Wettbewerb mitzuhalten. Wir sehen das zwar noch nicht so stark, aber etwa bei der Debatte über Stadien-Bauvorhaben ist das schon immer ein Aspekt, der mitschwingt. Koste es, was es wolle, wird es in Wien bei Sportstätten nicht geben. Wir haben dennoch ein riesiges Sportstätten-Investitionsprogramm auf die Reihe gebracht.
Die 150 Millionen wirken im internationalen Vergleich nicht gerade mächtig…
Das mag für manche so klingen. Aber es ist dennoch nicht wenig Steuergeld, mit dem wir sorgsam umgehen werden. Mit geht’s dabei um die kleinen genauso wie um die großen Dinge, wie etwa das zusätzliche 50-Meter-Schwimmbecken und die Überdachung für den Winter im Stadionbad. Gleichzeitig habe ich aber auch Sportstätten vorgefunden, wo viele Sachen untragbar gewesen sind, obwohl die Missstände längst bekannt waren.
Hat die Stadt da in der Vergangenheit etwas verabsäumt?
Da traue ich mir kein Urteil zu, weil ich mich davor nicht wirklich mit der Sportinfrastruktur beschäftigt habe. Ein Beispiel: Wenn sich ein Fußballverein darauf verständigt, ein Mädchenteam zu haben, dann gibt es für mich keine Diskussionen, ob es getrennte Garderoben, Duschen und Toiletten gibt. Das sind Kleinigkeiten, aber das ändert ganz viel in der Dynamik auf einer Sportanlage.
Muss man sich Sport nicht auch leisten wollen?
Ich komme aus dem Management im Sozialbereich und erlebe nun manchmal ein Deja-vu. Wir werden genauer hinschauen bei unseren Pächtern bzw. auch selbst wieder mehr ins Management einsteigen, weil wir nicht restlos zufrieden sind, wie mit manchen Sportstätten und dem Geld umgegangen wird.
Sie haben die Stadien-Thematik schon erwähnt. Das Happel-Stadion ist eine heiß debattierte Sportstätte. Was soll daraus werden?
Das Happel-Stadion ist prinzipiell eine Veranstaltungsstätte und kein Fußballplatz. Es ist gebaut worden, um verschiedenen Formen von Veranstaltungen Platz und Raum zu geben. Es ist ein geiler Ort, wenn es voll ist, keine Frage. Wenn es nur halbvoll ist, ist es schnell gar nicht mehr so prickelnd. Die Stadt verdient gutes Geld mit Konzerten. Ökonomisch betrachtet leisten wir uns den Fußball, was in Ordnung ist. Das, was wir vom ÖFB für Länderspiele bekommen, verschlingt allein der Betrieb. Ganz prinzipiell gibt es zwei Anforderungen, die man bestmöglich unter einen Hut bringen muss.
Welche sind das?
Der Fußball hat die Tribüne gerne ganz nahe am Spielfeld anstatt eines weitläufigen Ovals. Konzertveranstalter wollen genau das Gegenteil, weil sie an möglichst vielen Stehplätzen interessiert sind. Daher wird es an diesem Ort immer Kompromisse geben müssen, wenngleich Verbesserungen angedacht sind.
Wie sollen die aussehen?
Es gibt viele coole und ökologisch vernünftige Ideen. Aber ich habe immer gesagt, dass wir zuerst die Untersuchungen zur Bausubstanz abwarten müssen und danach entscheiden. Wir werden schon noch einmal ordentlich in das Happel-Stadion investieren, mit dem langfristigen Ziel, Konzertveranstalter und Fußball einen tauglichen Ort zur Verfügung zu stellen.
Die Stadt hat Austria und Rapid beim Stadion-Ausbau bzw. -Neubau massiv unterstützt. Der ÖFB würde vor allem bei Rapid ganz gerne Länderspiele veranstalten, der Klub ziert sich aber. Wie stehen Sie dazu?
Ich verstehe beide Seiten, sowohl die Fans der Klubs, als auch den Teamchef, der immer ein volles Stadion hinter sich wissen will. Bei Rapid kommt hinzu, dass die Betriebsbewilligung den Klub stark limitiert, was die Anzahl der Spiele betrifft. Im Hintergrund sehe ich aber vielmehr eine unausgetragene Diskussion, ob das Nationalteam nur in Wien oder auch in den Bundesländern spielen soll. Auch dort gibt es passende Arenen für so manches Spiel. Ich finde es einen sympathischen Zug, wenn sich das Nationalteam auch in den Bundesländern zeigt.
Tut es. Natürlich wäre es schöner, wenn wir zwei Spitzenmannschaften aus Wien in der Liga haben. Auf der anderen Seite war es mir ein Anliegen, dass der Nachwuchsbetrieb, den die Stadt mitfinanziert, weiterläuft. Wir haben sogar angeboten, unsere Subventionen dafür zu erhöhen. Natürlich ist es schwierig für einen Wiener Verein, der seine Spiele in Niederösterreich austragen muss. Dass das für Wiener Sponsoren nicht sonderlich attraktiv ist, ist logisch. Aber die Stadt und ihre Betriebe können nicht jeden Sponsorenausfall ersetzen. Es ist teilweise schon auffällig, wie viele Logos der Stadtbetriebe auf den Dressen zu finden sind. Da braucht es sicher einen neuen Impuls.
Ich habe das Gefühl, dass es außerhalb von Wien schon noch etwas selbstverständlicher ist, um Geldgeber zu kämpfen. In Wien wird oft als erste und einzige Reaktion nach der Stadt geschrien.
Wie verliefen die Gespräche mit Westwien?
Wir haben in Aussicht gestellt, dass die gerade in Bau befindliche Sportarena im Prater deren Heimstätte werden könnte, sofern sie dank der guten Jugendarbeit irgendwann wieder eine Profimannschaft stellen können.
Fehlt dem Sport in Österreich ein bisschen die Lobby?
Viele sehen bei Sportvereinen nur die Emotion, aber es handelt sich bei den Klubs, ob groß oder klein, eben auch um Wirtschaftsbetriebe. Das vergessen leider viele. Ich habe es daher unklug gefunden, dass die Bundesregierung bei den Corona-Hilfen so stark zwischen Profit- und Non-Profit-Betrieben unterschieden hat. Auch kleinere Vereine haben Angestellte.
Viele Politikerkollegen drängen sich gerne auf der großen Sportbühne medial in den Mittelpunkt. Sie seltener, wenn man den Fotoarchiven Glauben schenken darf. Sind Sie dermaßen uneitel?
Ich gehe schon auf den Sportplatz und schau’ mir gerne an, was wir so gemacht haben bzw. was wir noch tun können. Ich rede auch gern mit den Sportlern. Aber ich brauche nicht immer einen Fotografen dabei, damit ich ein Foto mit David Alaba auf Facebook posten kann.
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