Heute vor 32 Jahren: Ein Rekord ohne Ablaufdatum

Heute vor 32 Jahren: Ein Rekord ohne Ablaufdatum
1988 lief Andreas Berger die 100 Meter in 10,15 Sekunden. Später wurde er des Dopings überführt. Wie denkt er heute über die Leichtathletik?

Die Berliner Mauer stand noch, Ayrton Senna war gerade unterwegs zu seinem ersten WM-Titel in der Formel 1, der ORF beendete sein Fernsehprogramm jeden Tag um Mitternacht noch mit der österreichischen Hymne, und der Bundespräsident hieß Kurt Waldheim.

Man muss schon weit in die Vergangenheit reisen,um auf den schnellsten Mann von Österreich zu stoßen: Am  15. August 1988 lief Andreas Berger beim Linzer Gugl-Meeting die 100 Meter in 10,15 Sekunden.

Seit damals hat dieser Rekord Bestand, und es ist bei weitem nicht die älteste Bestmarke in der heimischen Leichtathletik: In vielen Disziplinen sind die Leistungen aus den 1980er-Jahren bis heute unerreicht, an Karoline Käfers  Zeit über die 400 Meter (50,62 Sek) etwa kam hierzulande seit 1977 keine mehr heran.

„Damals hatte die Leichtathletik in Österreich eben noch einen viel größeren Stellenwert“, sinniert Andreas Berger. Der heute 59-Jährige gehörte einer erfolgreichen Generation an, die  von Großereignissen regelmäßig mit Medaillen heimkehrte.  Er selbst wurde 1989 Halleneuropameister über 60 Meter, in diese Ära fallen auch die EM-Titel von Dietmar Millonig (3000 Meter) und Klaus Bodenmüller (Kugel) sowie die Medaillen von Sabine Tröger (200 m), Sigrid Kirchmann (Hochsprung)  oder Hermann Fehringer (Stabhochsprung).

Frauen

400 Meter                     Karoline Käfer (50,62 Sekunden)      1977

400 Meter Hürden        Gerda Haas (56,86 Sek.)                   1987

Diskuswurf                   Ursula Weber (63,28 Meter)               1990

Hochsprung                  Sigrid Kirchmann (1,97 Meter)           1993

Weitsprung                   Ljudmila Ninova (7,09 Meter)             1994

Herren

3000 Meter                  Dietmar Millonig (7:43,66 min)            1980

400 Meter Hürden       Thomas Futterknecht (49,33)              1985

Hochsprung                 Markus Einberger (2,28 m)                 1986

Kugelstoßen                Klaus Bodenmüller (20,79 m)              1987

Hammerwerfen           Johann Lindner (79,70 m)                    1987

Weitsprung                 Andreas Steiner (8,30 m)                     1988

Dreisprung                 Alfred Stummer (16,57 m)                    1988

Zu dieser Zeit fand in Innsbruck auch noch das legendäre Alpenrosen-Meeting statt, bei dem sich Sprintgrößen wie Florence Griffith-Joyner, Ben Johnson oder der Weitsprung-Weltrekordler Mike Powell  blicken ließen. Das Gugl-Meeting lockte Jahr für Jahr die Stars an und die Massen ins Linzer Stadion. „20.000 Leute  in einem Leichtathletik-Stadion? Das wäre heute in Österreich völlig undenkbar“, sagt Berger.

Heute vor 32 Jahren: Ein Rekord ohne Ablaufdatum

Ben Johnson (re.), einst der schnellste Mann der Welt, startete beim Alpenrosen-Meeting in Innsbruck. An seiner Seite Sabine Tröger.

Der Oberösterreicher war zu seiner Zeit einer der schnellsten weißen Sprinter und durfte bei Einladungsmeetings Seite an Seite mit  den Topstars  aus den USA und der Karibik laufen. Dass er 1989 in Neu-Delhi vor 50.000 Zuschauern einmal sogar den großen Carl Lewis schlug und nach 100 Metern als Erster über die Ziellinie rannte, ist immer noch sein „emotionales Highlight. Carl Lewis war damals in der Leichtathletik das Maß aller Dinge.“

Dopingbeichte

Es waren die Jahre, in denen für Andreas Berger alles in die richtige Richtung  zu laufen schien. Doch dann brachten ihn zwei Fehlstarts bei den Sommerspielen 1992 in Barcelona und  körperliche Probleme außer Tritt. Wie viele Leichtathleten aus dieser Generation half Berger mit verbotenen, leistungsfördernden Substanzen nach.
 1993 lieferten er  und seine Sprintkollegen Gernot Kellermayr, Franz Ratzenberger und Thomas Renner  eine positive Dopingprobe (Anabolika) ab. Die Dopingbeichte legte der Oberösterreicher live im ORF ab.
 

„Danach war ich für einige Zeit im offiziellen Sport eine unerwünschte Person“, erinnert sich  Andreas Berger im KURIER-Gespräch. „Diesen Makel werde ich auch nicht mehr los. Das begleitet mich ein Leben lang. Den Stempel habe ich heute noch am Hirn.“

Die Leichtathletik hat ihn trotzdem nie wieder  los gelassen. Andreas Berger organisiert heute Volksläufe und veranstaltet  das Red Bull 400, eine Wettkampfserie, bei der  Hobbysportler  weltweit die steilen Sprungschanzen hinauf laufen. An diesem Samstag steigt in Zakopane (Polen) der erste Bewerb nach der Corona-Zwangspause.

Die Teilnehmerzahlen bei seinen Laufevents in Österreich zeigen  Berger, dass  die Leichtathletik die Menschen in Österreich  sehr wohl noch bewegt. Und die jüngsten Erfolge durch Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger und die Siebenkämpferinnen Verena Preiner und Ivona Dadic sieht er als starkes Lebenszeichen.

„Man sieht, dass das Interesse da ist und gleich wieder darüber geredet wird, wenn Leute erfolgreich sind und zur Weltklasse gehören. Auch  wenn’s jetzt vielleicht, ohne dass ich wen beleidigen möchte,  nicht die toptopattraktivste Disziplin schlechthin ist. Es ist schön, dass es wieder österreichische  Leichtathleten gibt, die eine ganz reelle Medaillenchance haben.“

Eine Olympia- oder WM-Medaille eines rot-weiß-roten Leichtathleten  ist in den kommenden Jahren jedenfalls bei weitem wahrscheinlicher als die baldige Ablöse von Andreas Berger als 100-Meter-Rekordhalter. Am 20. September werden es 35 Jahre, dass er im Besitz der Bestmarke ist.  „Es muss ja einmal ein  Österreicher kommen, der knapp an die 10,0 heran läuft“,  sagt der 59-Jährige, „so ein Rekord ist ja nicht dafür da, dass er ewig hält.“

Heute vor 32 Jahren: Ein Rekord ohne Ablaufdatum

Andreas Berger veranstaltet mittlerweile das Red Bull 400

Ihn selbst reizt es mittlerweile nicht mehr zu sprinten. „Wenn ich jetzt 100 Meter laufen müsste, dann hätte ich sofort zwei Faserrisse. Da würde mein Körper nicht mitspielen“, sagt Andreas Berger, der sich vor einigen Jahren in Linz auch einmal einen Marathon angetan hat. „Ich habe mitgemacht, als Laufen würde ich das nicht bezeichnen.“ 4:45 Stunden hat Berger damals für die 42.195 Kilometer gebraucht, auf den Geschmack ist der ehemalige Sprinter nicht gekommen.

„Die zweiten 20 Kilometer waren brutal. Der Marathon war die Höchststrafe für mich.“

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