Davor und danach erinnert sich auch gerne an Schmankerl rund um das Endspiel. „Das Ganze läuft wie ein Film ab“, erklärte er vor ein paar Tagen. Filmreif war bereits der Vorabend des Triumphes. „Ich bin mit Ronnie Leitgeb (sein Manager, Anm.) weg von der Anlage in die Stadt gefahren, weil ich Abstand gewinnen wollte“, erinnerte sich Muster in einem KURIER-Interview. „Ich hatte Lust auf chinesisches Essen. In Paris gibt es wahrscheinlich Hunderttausende chinesische Lokale. Wir haben ausgerechnet eines ausgewählt, in dem der Michael Chang auch drinnen gesessen ist.“
Nicht ideal, um die Nervosität zu lindern. „Da waren so viele Gedanken, Verlustängste. Kommt diese Chance jemals wieder? Und auch die Angst davor, zu gewinnen. Weil was passiert danach?“
Sein damaliger Manager Ronnie Leitgeb erinnerte sich: „Kaum jemand war damals vor einem Grand-Slam-Turnier so Favorit wie Tom. Vielleicht zuvor John McEnroe in Wimbledon. Sonst keiner.“ Der damals bereits 27-jährige Leibnitzer hatte in diesem Jahr zuvor alle seine 28 Sandplatz-Spiele gewonnen, darunter in einem legendären Endspiel von Monte Carlo nach Rückstand und Abwehr von zwei Matchbällen auch Boris Becker geschlagen.
Im Viertelfinale der French Open wankte der Steirer, drehte aber gegen den stark aufspielenden 19-jährigen Spanier Albert Costa noch einen 1:2-Satzrückstand in einem Sieg um. Der Russe Jewgeni Kafelnikow und Chang wurden dann ohne Satzverlust besiegt. „Der Druck, der abfällt, ist gewaltig. Es ist eine unbeschreibliche Situation, wenn so ein Traum in Erfüllung geht.“
Fast wäre er aber unmittelbar vor dem Triumph unberechtigterweise zu einem Rassisten deklariert worden. Einen Leibwächter hat er weggeschickt, den man ihm vor die Hotelzimmertür gestellt hatte. „Mein Pech war, dass dieser dunkelhäutig war. Dabei wollte ich nur meine Ruhe haben“, erinnert sich Muster.
Die wollte er auch nach dem großen Coup, bat Journalisten ihn in den nächsten Tagen nicht anzurufen und zog sich zum Fischen zurück. Eine Woche später stand er wieder auf dem Sand – und gewann das ATP-Turnier von St. Pölten.
1995 blieb aber auch aus anderen Gründen ein herausragendes Jahr in der Karriere des Leibnitzers: Insgesamt zwölf ATP-Titel holte Muster in dieser Saison (diesen Rekord stellte erst Roger Federer 2006 ein) und schuf damit die Grundlage für den nächsten Meilenstein im österreichischen Sport: Am 12. Februar 1996 erklomm Muster als Nummer eins den Tennis-Thron, den er insgesamt sechs Wochen besetzte.
In Paris erreichte er nur noch 1998 das Viertelfinale, wo er dem Spanier Felix Mantilla unterlag. Nach seiner Auftaktniederlage 1999 gegen Nicolas Lapentti tauchte Muster unter – ohne seine Karriere offiziell beendet zu haben.
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