Als österreichischer Teamchef (2008 - 2010) begründete er bei der Heim-EURO 2010 den ersten echten Aufschwung des Nationalteams. Spieler und Verband zehrten lange von dem ersten Erfolg nach Jahren im Mittelmaß. Ohne die intensive Vorarbeit Sigurdssons ist auch der aktuelle Erfolg der Handballer nicht zu erklären.
Es ist daher keine schlechte Pointe, dass der Isländer sein erstes Spiel als Chef der kroatischen Auswahl im Rahmen des Olympia-Qualifikationsturniers in Hannover am Donnerstag ausgerechnet gegen Österreich bestreitet (20.15 Uhr/live ORF1). Recht glücklich ist man im rot-weiß-roten Lager über den überraschenden und prominenten Trainerwechsel daher nicht.
"Dagur wird die Kroaten eher nicht schlechter machen", sagt auch Patrick Fölser. Der heutige Sportdirektor im österreichischen Verband (ÖHB) war einst eine von Sigurdssons Stützen im Nationalteam. Die große Stärke des Isländers liege in seinem pragmatischen und zielstrebigen Zugang, meint Konrad Wilczynski. Der langjährige Profi und spätere Handball-Manager arbeitete von den Österreichern am längsten mit Sigurdsson zusammen, erst im Nationalteam, später bei den Füchsen Berlin. "Dagur weiß genau, was eine Mannschaft gerade braucht. Er kann mit wenigen Handgriffen und Ansagen eine Mannschaft rasch besser machen."
Die Handball-Macht Kroatien, die eine enttäuschende EM im Jänner hinter sich hat, baut auf diese Gabe des 50-Jährigen. Zuletzt bei der Endrunde wirkte der zweifache Olympiasieger (1996, 2004) nicht nur beim Remis gegen Österreich schwerfällig und uninspiriert. Die Gegner fürchten auch ein wenig exakt diesen Impuls des Neuen - und zwar nicht nur die Österreicher.
Deutschland, Gastgeber des Qualifikationsturniers in Hannover, kann ebenfalls eine bewegte Vergangenheit mit Dagur Sigurdsson vorweisen. Er war es, der dem größten Handball-Verband der Welt 2016 binnen sechs Monaten EM-Gold und Olympia-Bronze bescherte - und wenig später sein Engagement als deutscher Teamchef für viele überraschend für beendet erklärte. Dass mit Alfred Gislason aktuell ebenfalls ein Isländer die Deutschen betreut, macht die Angelegenheit nur noch pikanter.
Österreich tritt selbstbewusst in Hannover auf
Die Österreicher sind sich dieser speziellen Ausgangslage bewusst, wollen aber dennoch nicht zu viel Energie für die Personalie Sigurdsson verschwenden, wenngleich es eine Stärke des Ausnahmetrainers ist, sich in die Köpfe von Spielern und Gegner zu arbeiten.
Das Quali-Turnier mit drei Spielen innerhalb von nur vier Tagen ist aufreibend genug. Kraft geben sollen die Ausläufer der Euphoriewelle der EM, bei der das Nationalteam auch gegen Deutschland ein Remis holte. „Wir sind nicht mehr das kleine Österreich", sagt Tormann Constantin Möstl.
Außenseiter bei der erstmaligen Chance auf das olympische Hallen-Handballturnier bleibt man dennoch. Oder schöner ausgedrückt: ein allseits bekannter Geheimtipp. "Es ist für uns etwas ganz Besonderes, eine Olympia-Quali spielen zu dürfen. Wir werden das als Team genießen", sagt Kapitän Mykola Bilyk.
Sportdirektor Patrick Fölser denkt schon weiter: "Handball soll auf ORF 1 ein Fixpunkt werden." Ist er. Zumindest bei den drei Spielen der Olympia-Qualifikation.
Kommentare