Duell mit Deutschland: Die Unerreichbaren in den Griff bekommen

Österreichs Flügelspieler Frimmel gegen Deutschlands Keeper Wolff
Weder Bilanz noch Form sprechen vor dem EM-Spiel am Sonntag für Österreichs Handballer. Dabei waren es zuletzt die Deutschen, die sich immer wieder Expertise aus Österreich holten.

Was für Österreichs Handballer im EM-Spiel gegen Deutschland spricht? Wir könnten an dieser Stelle diesen Text auch schon wieder beenden.

Der direkte Vergleich mit dem größten Handball-Verband der Welt fällt eindeutig aus. Österreich kann drei Siege in 53 Duellen vorweisen. Dass am Sonntag (18 Uhr/live ORF1) im zweiten Gruppenspiel der EM-Endrunde in Bratislava Erfolg Nummer vier dazu kommt, gliche einer Überraschung. Aber da es diese halt manchmal gibt im Sport, geht dieser Text auch weiter. Und weil der Gegner Deutschland heißt.

Der große Nachbar, zu dem man manchmal ein bisschen neidisch hinüber blickt – nicht nur im Sport. Deutschland, ein Vorbild in vielen Belangen, auch wenn man das hierzulande natürlich nicht so gerne zugibt. Deutschland, der Erzrivale, der immer gut ist für bissige Schlagzeilen und solide Quoten. Kein Wunder also, dass der ORF die Partie vom Sport-Spartenkanal in den Hauptsender hebt.

Eine Sensation liegt nicht zwingend in der Luft, wenngleich sie nötig wäre, wollen die Österreicher die Vorrunde überstehen. Nach der Niederlage gegen Polen (31:36) ist die Auswahl von Teamchef Ales Pajovic unter Siegzwang. „Wir können das, wir hatten einfach einen schlechten Tag“, will der Slowene den ernüchternden Auftakt nicht überbewerten.

Dabei hatten die Österreicher zuletzt viele gute Tage im internationalen Handball. Nach Rang acht bei der Heim-EM 2020 wähnte sich das junge Nationalteam im Kreis der erweiterten Weltspitze. Den Aufwärtstrend wollte man bei der laufenden Endrunde auch in der Fremde bestätigen.

„Wir haben jetzt nichts mehr zu verlieren, wir können mutig sein“, sagt Routinier Robert Weber. Mut war es auch, der den österreichischen Handball in den vergangenen Jahren ausgezeichnet hat. Auch die Funktionäre trauten sich etwas zu. 2019, wenige Monate vor der so wichtigen Heim-EM, hatte man sich vom Isländer Patrekur Jóhannesson, an Endrunden-Teilnahmen der erfolgreichste Teamchef der ÖHB-Geschichte, getrennt.

Die Verantwortlichen erkannten keine Weiterentwicklung. „Es war natürlich ein Risiko und eine Entscheidung, die wir intern und öffentlich gut argumentieren mussten. Für uns war sie jedoch alternativlos“, sagt Sportdirektor Patrick Fölser.

Bilanzen: EM-Endrunden werden seit 1994 im Zweijahresrhythmus ausgetragen. Die deutsche Auswahl war bis auf 2014 immer qualifiziert, stand drei Mal im Finale und gewann zwei Mal Gold  (2004, 2016). Österreichs Herren sind zum fünften Mal dabei, die beste Platzierung war der achte Rang im Jahr 2020.

53 Begegnungen (inklusive Spiele gegen BRD und DDR) gab es bisher zwischen Österreich und Deutschland im Herren-Handball. Rot-Weiß-Rot ging nur drei Mal als  Sieger vom Parkett – zuletzt im Jänner 2014 bei einem Vorbereitungsturnier.
 

Die bloße Teilnahme an Endrunden genügte plötzlich nicht mehr. Eingeleitet hat diesen Paradigmenwechsel ein Mann, den man auch in Deutschland gut kennt: Dagur Sigurdsson. Der Isländer übernahm 2008 die damals chronisch erfolglosen Österreicher. Er plante Neues und hinterfragte Altbewährtes. Das Sprungbrett in Wien nutzte Sigurdsson zu einer Weltkarriere, 2016 führte er Deutschland zu EM-Gold.

Die Chance, im beschaulichen Österreich zu experimentieren und sich ins internationale Gedächtnis zu rufen, erkannten mehrere. Die isländischen Trainer Geir Sveinsson (von Bregenz nach Magdeburg) und Erlingur Richardsson (von Westwien nach Berlin) taten dies ebenso wie zuletzt Mattias Andersson. Der Schwede betreute Österreichs Nationaltorhüter, ehe er vom deutschen Verband abgeworben wurde.

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