Es war eine der größeren Sensationen im heimischen Handball. Erstmals seit zwölf Jahren qualifizierte sich das Damen-Nationalteam mit einem 29:26-Sieg gegen Polen wieder für eine Weltmeisterschaft. Leistungsträgerin beim überraschenden Erfolg war Österreichs beste Werferin, Sonja Frey.
KURIER: Gratulation zur gelungenen WM-Qualifikation und zum 28. Geburtstag. Haben Sie Zeit zum Feiern?
Sonja Frey: Danke. Ich stoße gerade mit einer Nachbarin an. Nach dem Spiel haben wir ein wenig gefeiert, aber ich musste dann gleich zurück nach Esbjerg zum Training. Am Samstag ist Spiel.
Wie ist diese Sensation möglich geworden?
Ich habe das Gefühl, dass zurzeit bei uns einfach alles funktioniert, und das macht richtig Spaß. Handballerisch ist Polen natürlich besser als wir, aber wir hatten den Willen. Wir versuchen einfach Schritt für Schritt zu gehen. Ich glaube, das ist uns gelungen. Der Energieaufwand war aber enorm. Jetzt bin ich leer.
Warum haben Sie sich vor zwei Jahren trotz lukrativerer Angebote für einen Wechsel nach Dänemark entschieden?
Für mich zählt nicht nur das finanzielle Angebot, sondern es zählen auch andere Aspekte. Es ist wichtig, dass ich weiß, ich bin pensionsversichert, krankenversichert, dass der Verein stabil ist. Während der Corona-Zeit haben wir auch das gesamte Gehalt bekommen. Das wäre in Ungarn oder Rumänien anders gewesen. Dort wurde eine Freundin von mir die aus Brasilien ist, mit Affenrufen empfangen. Das sind sachen, wo ich so wütend werde. Das tut mir weh und dann fragst du dich natürlich, ob du wirklich in so einem Land spielen willst. Außerdem ist in Dänemark die Gleichberechtigung einfach höher. Da ist Skandinavien schon sehr emanzipiert, da fühlt man sich als Frau wohler.
Ihre Kollegin Josefine Huber wurde letztes Jahr in einem deutschen Artikel rein auf ihr Äußeres reduziert. Der Titel war: "Echte Blickfänge: Das sind die schönsten Handballerinnen". Wie stehen Sie dazu?
Prinzipiell finde ich, dass jeder das sagen soll, was er will. Für mich ist das Problem, wie allgemein in manchen Bereichen der Gesellschaft die Frauen dargestellt werden: als Sexobjekte. Es gibt auch oft die Diskussionen, wie man Damensport noch attraktiver machen kann. Naja, du musst einfach die Frau mehr sexy darstellen, wird dann gesagt. Da greife ich mir auf den Kopf und denke an unsere Mütter, die damals ihre BHs verbrannt haben. Wofür ist das alles passiert, wenn wir den Schritt zurück gehen? Mach die Hosen kürzer! Mach die Dressen enger! Auf diese Art will ich nicht wertgeschätzt werden.
Können die österreichischen Teamspielerinnen von ihrem Sport leben?
Nein. Es sind sehr wenige, gerade in Österreich. Viele studieren oder arbeiten und müssen sich für die Spiele Urlaub nehmen. Das ist ein Wahnsinn.
Haben die Spieler des Herren-Nationalteams Ihnen schon zum Sieg gratuliert?
Ich kenne die Männer persönlich leider überhaupt nicht, da ich seit fast zehn Jahren nicht mehr in Österreich bin. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass der eine oder andere auf Social Media seine Glückwünsche verkündet hat.
Wie konnte das Team trotz der belastenden Corona-Zeit so zusammenwachsen?
Ich glaube, dass wir einfach die Zeit, die wir hatten, gut genutzt haben. Wir haben eine gute Kommunikation mit den Trainern gehabt, die Trainings und die Freizeit für Behandlungen genutzt. Das Physio-Team war dann auch immer ein allgemeiner Treffpunkt wo man zusammenkommt und auch mal hängen bleibt.Aber auch sonst haben wir gerne gemeinsam Kaffee getrunken, Karten gespielt oder Filme angeschaut.
Als Teenager waren Sie bei der letzten WM-Teilnahme 2009 dabei. Wie hat sich der Sport seitdem verändert?
Handball wird immer schneller und körperbetonter. Es wird aggressiver und auch immer physischer. Vom Ursprungsteam in China sind gerade noch zwei Spielerinnen übrig, die Petra Blazek und ich.
Wo steht Frauenhandball derzeit?
Hier in Dänemark ist der Damenhandball ein Wahnsinn, das ist die Sportart Nummer eins! Jeden Tag ist ein Damenspiel im Fernsehen, das schauen sich wirklich 100.000 Leute an. Man ist omnipräsent in Zeitungen, im TV, auf Social Media usw. In Österreich habe ich oft das Gefühl, Damen-Handball kennt niemand.
"Wir wollen ins Rad der Großen", hat ÖHB-Sportdirektor Patrick Fölser gesagt. Der Sprung dorthin ist gelungen. Setzen hohe Erwartungen Sie unter Druck?
Nein überhaupt nicht. Gegen jeden Gegner, gegen den wir bei der WM spielen werden, sind wir Außenseiter. Unser Anspruch ist, dass wir uns weiterentwickeln. Im Handball bewegt sich in den letzten zwei bis drei Jahren einiges. Ich hoffe darauf können wir aufbauen. Aber es ist noch ein langer Weg.- Die meisten von uns Arbeiten oder studieren nebenbei und erhalten von dort zu wenig Unterstützung. Wir haben Spielerinnen, die kommen am Ende vom Jahr und sagen: "Ja eigentlich kann ich nicht mehr mitfahren weil ich den ganzen Urlaub schon fürs Nationalteam aufgebraucht habe". Die machen Überstunden und da musst du erst jemanden finden, der das auf sich nimmt.
Was wünschen Sie sich für sich selbst und den Damenhandball in Österreich?
Für den Frauenhandball in Österreich wünsch ich mir, dass eine Breite wiederkommt und die Vereine sich mit einer guten Jugendarbeit wieder aufstellen. Dass die Mädels und Burschen in die Vereine gehen, Sport betreiben und dass es eine bessere Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Ausbildungsstellen, Schulen und Arbeitsplätzen gibt. Für mich selbst wünsche ich mir nur, dass ich verletzungsfrei bleibe und so lang wie möglich Spaß am Sport habe.
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