Mit der Qualifikation für den prestigeträchtigen Kontinentalwettstreit zwischen Europa und den USA war für den Österreicher im Herbst 2021 ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Doch alte Verdienste haben im modernen Spitzensport ein rasches Verfallsdatum. Die Turnierfelder sind gut gefüllt und umkämpft, der Golfsport produziert am laufenden Band neue Sieger und Stars. Ein Vergleich: Während es im Herren-Tennis seit 2010 acht verschiedene Sieger bei den vier wichtigsten Turnieren (Majors) gab, verewigten sich im selben Zeitraum 33 Golfer in den Geschichtsbüchern.
Auch deshalb hat die zuletzt angekündigte Golf-Liga aus Saudi-Arabien (SGL) so hohe mediale Wellen geschlagen. Anstatt auf Wartelisten zu stehen und Preisgeld nur im Erfolgsfall zu kassieren, garantieren der prall gefüllte saudische Staatsfonds ein üppiges Jahresfixum und fixe Teilnahmen.
"Ich kann verstehen, dass das für viele verlockend klingt. Gleichzeitig muss man besonders sensibel sein, wenn es um Sportaktivitäten geht, die mit einem Land wie Saudi-Arabien zu tun haben", sagt Wiesberger, der über sein Management lose Gespräche mit den Verantwortlichen aus dem Königreich geführt hat. "Ich habe diese Leute als ambitioniert wahrgenommen, die mit dem vorhandenen Geld unglaubliche Möglichkeiten haben. Viele sehen das als Kampfansage, ich erkenne darin eher eine Motivation, die Produkte zu verbessern."
Das Spiel an sich brauche keine Verbesserung, ist Wiesberger überzeugt: "Golf ist ein simples Spiel, dessen Grundidee genial ist: Wer weniger Schläge benötigt, gewinnt. Beim Format muss man nicht herumkünsteln. Wo man innovativer sein kann, ist beim Rundherum und bei der Vermarktung." Hier setzen die Saudis an. Ist Österreichs Topgolfer selbst in Versuchung? "Da ich zuletzt das reguläre Turnier in Saudi-Arabien ausgelassen habe, glaube ich, dass man bei mir eine Tendenz erkennen kann", lässt Wiesberger zwischen den Zeilen lesen.
Ansonsten hat der achtfache Turniersieger auf der European Tour in seiner bisher 15 Jahre andauernden Profilaufbahn eine unmissverständliche Stimme entwickelt. Wiesberger geht sorgfältig, aber offen mit Themen abseits des Sports um. Das ist nicht selbstverständlich für jemanden, der im öffentlichen Raum auch einiges zu verlieren hat – Zuspruch, Anhänger, Partner. "Wenn mir jemand auf Social Media nicht mehr folgt, weil ich geimpft bin, dann soll er das tun. Das kann ich verkraften", betont er.
Seine Corona-Impfung hat er ohne zu zögern öffentlich gemacht: "Die Reisefreiheit ist für meinen Beruf entscheidend. Ich respektiere aber auch jeden, der Bedenken hat. Nur den Respekt und das Verständnis erwarte ich dann auch umgekehrt." Ein Anliegen war Wiesberger auch das Verbreiten jener Anleitung, womit sich im Russland-Feldzug Fakten von Falschmeldungen unterscheiden lassen. "Mir ist bewusst, dass ich eine Verantwortung habe, wenn ich Informationen auf meinen Kanälen teile, mit denen ich Tausende Menschen mit einem Klick erreiche." Es sei ohnehin schwer genug, zu erkennen, wo die Wahrheit liegt, "aber erst recht ist es das mit ein paar hundert Zeichen bei Twitter".
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