Geteiltes Gold und Pferde-Dramen: Die Tops und Flops bei Olympia
Freudentränen und Skandale: Das waren die Spiele von Tokyo
Die XXXII. Olympischen Sommerspiele in Tokio gehen am Sonntag zu Ende. Im Schatten der Corona-Pandemie entpuppten sich die Spiele für Österreich überraschend erfolgreich – nur 1936 in Berlin gab es mehr Medaillen. Mehr Tränen wurden wohl noch nie vergossen. Egal, ob Sieg oder Niederlage – geweint wurde bei sehr vielen Interviews. Die Emotionen sind ein Beleg dafür, welchem Druck die Athleten alle vier (oder fünf) Jahre bei Olympia ausgesetzt sind, eine Medaille kann ein Leben verändern.
Der KURIER zieht eine Bilanz aus internationaler Sicht. Wer sorgte für Highlights, wer schrieb Negativ-Schlagzeilen? Was waren die Aufreger und welche Skandale gab es in Tokio?
- Plus: Der Abräumer im Becken
Der Superstar der Spiele heißt Caeleb Dressel und kommt aus den USA. Der 24-jährige Schwimmer holte gleich fünf Goldmedaillen in einer Woche. Das schafften vor ihm nur die Amerikaner Michael Phelps, Mark Spitz und Matt Biondi sowie Kristin Otto aus der DDR. „Ich bin ziemlich stolz auf mich“, sagte er, „es hat Spaß gemacht.“ Den Zuschauern auch.
- Plus: Mixed-Bewerbe im Trend
Männer und Frauen machen immer öfter gemeinsame Sache im Kampf um olympische Medaillen – in Sportarten wie Tennis, Reiten oder Segeln ist das schon ein gewohntes Bild. In Tokio kamen aber neue Mixed-Bewerbe hinzu, etwa in der Leichtathletik, im Schwimmen oder im Schießen. Ein voller Erfolg. Für die Zuschauer war der direkte Vergleich der Geschlechter äußerst interessant und unterhaltsam.
- Plus: Maskottchen
Zwei lebensgroße Team-Maskottchen der Australier – ein Känguru und ein Emu – verschwanden für sieben Tage. Man fand sie im Quartier der Deutschen. Australiens Chef de Mission, Ian Chesterman: „Ich bin sehr froh, dass sie wieder zurück sind. Sie sind letzte Nacht wieder aufgetaucht und ich vernahm, dass sie schöne Ferien in Deutschland verbrachten.“
- Plus: Geteilte Freude
Im Hochsprung-Bewerb überquerten der Italiener Gianmarco Tamberi und der Katari Mutaz Essa Barshim jeweils 2,37 Meter, mit exakt gleich vielen Versuchen. Der Kampfrichter erklärte, dass ein Stechen über Gold entscheide. Es bestehe allerdings auch die Möglichkeit, dass sich die beiden Athleten den Sieg teilen. Die Sportler sahen einander kurz an, nahmen sich Sekunden später in die Arme und jubelten über ihre Goldmedaillen.
- Plus: „They“ mit Gold
Kanadas Frauen holten etwas überraschend Fußball-Gold. Mit dabei: Quinn. Die Nr. 5 spielte 2016 in Rio noch als Frau. Im Jahr 2020 verkündet Quinn, fortan als non-binär, also geschlechtsneutral, verstanden werden zu wollen. Quinn möchte demnach weder als Mann noch als Frau bezeichnet werden. Zudem will Quinn nur noch mit dem Nachnamen genannt werden. In der englischen Sprache wird nur noch das geschlechtsneutrale Pronomen „they“ verwendet, wenn Quinn gemeint ist. Auch die Gewichtheberin Laurel Hubbard (43) hat eine bewegende Geschichte hinter sich. Die Neuseeländerin wurde als Mann geboren und war nun als bejubelte Frau am Start.
- Plus: Das Comeback
Ausnahmeturnerin Simone Biles (USA) erlebte in Tokio eine Achterbahn der Gefühle. Sie kam als Favoritin, stieg im Teambewerb aber aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus. Aufgrund emotionaler Probleme verzichtete die 24-Jährige auf den Mehrkampf und mehrere Einzel-Entscheidungen. Bis sie am Schwebebalken zurückkehrte und im Finale die Bronzemedaille holte. Die schmeckte ihr „auf alle Fälle süßer“ als die vier Goldenen von Rio 2016.
- Plus: Corona-Spiele
Groß war die Befürchtung, dass Corona alles überschattet. Doch die Organisatoren wuchsen über sich hinaus, schafften im Rahmen der Möglichkeiten bestmögliche Bedingungen. Der allgemeine Tenor der Athleten trotz der Corona-Maßnahmen: „Es war bei Weitem nicht so schlimm wie befürchtet.“ IOC-Präsident Thomas Bach: „Meine Erwartungen wurden klar übertroffen. Die Atmosphäre war intensiver als je zuvor.“
- Negativ: Corona-Spiele
Natürlich standen die Spiele im Schatten der Corona-Pandemie. Masken, Tests, Quarantäne, eingeschränktes Leben im Olympischen Dorf – und vor allem keine Zuschauer. Die leeren Tribünen und die fehlende Atmosphäre störten Sportler und TV-Zuschauer.
- Der Djoker rastet aus
Gold weg, Medaille weg – und dann auch noch die Nerven weggeschmissen und fürs Mixed abgesagt. Tennis-Star Novak Djokovic verwehrte seiner Partnerin Nina Stojanovic den größten Moment ihrer Karriere. Der 34-Jährige: „Ich habe mit Verletzungen zu kämpfen. Nicht mit einer, sondern mit mehr als einer. Mein Körper sagte: ,Jetzt ist genug’.“ Stojanovic ist Nummer 92 der Welt, 25 Jahre alt und steht auf der WTA-Tour im Einzel noch ohne Turniersieg da. „Nur ich kann die Gefühle kennen, mit denen ich umgehen musste, als ich erfahren hatte, dass ich nicht die Chance haben werde, das wichtigste Spiel meiner Karriere um die olympische Medaille zu bestreiten“, schrieb sie vier Tage danach.
- Australische Rowdys
Australische Olympia-Athleten haben vor ihrer Abreise aus Tokio im olympischen Dorf randaliert und dabei auch Betten in ihren Zimmern zerstört. Zudem hätten sich Rugby- und Fußballspieler auf dem Rückflug am 30. Juli „inakzeptabel“ benommen, teilte das Nationale Olympische Komitees Australiens mit. Silber holten die australischen Hockey-Herren. Nach dem Finale gab es eine Frustfeier mit Bier, das in einem Supermarkt gekauft wurde – damit haben die Spieler auch die Corona-Bubble verlassen.
- Party-Helden
Wie verschiedenste Medien berichten, soll sich im Olympic Village in Tokio Bay ein regelrechtes Saufgelage mit „mehreren Athleten“ und weiteren Betreuern stattgefunden haben. Plötzlich stand die japanische Polizei im olympischen Dorf. Den Einwohnern des riesigen 11.000-Seelen-Dorfs ist es strengstens untersagt, in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken. Dies im Rahmen der Covid-Regeln, um einen Ausbruch des Virus im Dorf zu unterbinden.
- Pferde-Dramen
Beim Vielseitigkeitsbewerb wurde das Pferd Jet Set nach einem Bänderriss am rechten Vorderbein noch auf dem Parcours eingeschläfert. Der 22-jährige Schweizer Robin Godel wurde danach auf Instagram als Mörder und Tierquäler beschimpft. Einen Skandal gab es im Modernen Fünfkampf der Frauen. Annika Schleu (GER) hatte die Chance auf Gold, doch ihr zugelostes Pferd verweigerte. „Hau mal richtig drauf! Hau drauf!“, rief ihre Trainerin Kim Raisner, die danach auch noch das Pferd mit der Faust geschlagen haben soll. Sie wurde von Olympia ausgeschlossen.
- Der Kameltreiber
Auch der deutsche Rad-Funktionär Patrick Moster musste die Olympischen Spiele verlassen. Nikias Arndt fuhr beim Zeitfahren hinter dem Algerier Azzedine Lagab und dem Eritreer Amanuel Ghebreigzabhier. Moster schrie: „Hol die Kameltreiber! Hol die Kameltreiber! Komm!“ Der Algerier meldete sich später bei Twitter: „Nun, es gibt kein Kamelrennen bei Olympia, deshalb betreibe ich Radsport. Wenigstens war ich in Tokio dabei.“
- Belarussischer Wahnsinn
Eigentlich hätte Kristina Timanowskaja in Tokio über 200 Meter starten sollen. Ihre Trainer „versetzten“ sie in die Staffel – worauf die Athletin es wagte, Betreuer und Funktionäre zu kritisieren. Daraufhin wurde sie aus dem Olympischen Dorf „abgeholt“ und sollte in die Heimat geflogen werden. Auf dem Flughafen schaffte sie es, Hilfe zu rufen: „Auf mich wird Druck ausgeübt, und sie versuchen, mich ohne mein Einverständnis außer Landes zu bringen. Ich bitte das IOC, einzugreifen.“ Timanowskaja flog über Wien nach Warschau, Polen gewährte ihr ein Visum.
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