2018 war die WM der Standards: 74 der 169 Tore fielen in Russland nach einem ruhenden Ball. Das waren 44 Prozent aller Treffer – ein Rekord in der langen WM-Geschichte. Auch in Katar wird nach Elfmetern, Freistößen oder Einwürfen gejubelt. Doch die Erfolgsquote aus Eckbällen geht deutlich zurück. Die 23 Corner-Tore von 2018 sind kaum noch zu erreichen. Ein möglicher Grund: Um den Gegner bei einem Eckball mit Laufwegen oder freigeblockten Mitspielern überraschen zu können, bedarf es einiger Trainingsstunden. Dafür war in Katar keine Zeit. Eine Woche vor dem WM-Start wurde noch im Vereinstrikot gekickt.
Abseits der (technologisierten) Abseitsentscheidungen liefern die Schiedsrichter weiterhin Gesprächsstoff. Der VAR kann zwar einige Fehler ausbessern, aber im Regelwerk ist eben nicht alles schwarz oder weiß. Am öftesten diskutiert wird, ob der VAR bei strittigen Elfmeterszenen einschreiten soll. Was ist „eine klare Fehlentscheidung“? Gibt es eine eindeutige Auslegung beim Handspiel? Diese ist zumindest weiterhin nicht erkennbar.
Blutgrätschen von hinten? Underdogs, die mit übertriebener Härte die Null halten wollen? Stars, die im heißen Finish die Nerven verlieren? Das alles ist in Katar kaum zu sehen oder wirkt gar wie aus ferner Vergangenheit. Bis Montag gab es lediglich eine Rote Karte, für ein Foul des Tormanns aus Wales. Und auch nur einmal Gelb-Rot – für Kameruns Aboubakar und seinen übertriebenen Torjubel ...
„Kompakt stehen“ ist das Gebot Nummer 1 für jeden Außenseiter. Weil das im Zentrum meistens gut gelingt, wird das Spiel über die Flanken wieder forciert. Der langjährige Arsenal-Trainer Arsène Wenger kommunizierte als FIFA-Direktor für globale Entwicklung eine bemerkenswerte Statistik: Die Anzahl der Tore, die über die Seiten vorbereitet worden sind, ist gegenüber der WM 2018 um 83 Prozent gestiegen. Wenger glaubt: „Über die Seiten wird die WM entschieden.“
Mehr netto vom brutto will die FIFA und hält die Schiedsrichter an, Spielunterbrechungen stärker in die Nachspielzeit einzurechnen. Bereits am zweiten Turniertag wurden die WM-Rekorde für die längsten ersten und zweiten Spielhälften gebrochen. Ob Tore in der 100. Minute auch im Europacup oder in den europäischen Ligen zur Zukunft gehören, wird die UEFA entscheiden.
Das Mehr an Nachspielzeit ist ein Grund für das kleine Plus an Treffern. Im Schnitt sind es aktuell 2,59 Tore pro Spiel. 2018 waren es durchschnittlich 2,48 Treffer, vier Jahre davor 2,55 Tore. Der Höchstwert im modernen Fußball wurde 1998 erreicht (2,66). Der Tiefstwert war 1990 in Italien mit 2,1 Treffern erreicht. Zwei Jahre später wurde die Rückpassregel eingeführt.
- Nicht umsonst Reservisten
Brasilien, Frankreich und Portugal waren nach bereits zwei Spielen aufgestiegen. Die Trainer wollten die Stars schonen und den Reservisten eine Chance geben. Das Ergebnis: Ein B-Team heißt nicht zufällig so – alle drei Favoriten haben dann ihr drittes Gruppenspiel verloren.
- Friedliche, aber ruhige Fans
Es könnte auch am Alkoholverbot liegen: Weder in den Stadien, noch davor wurden in Katar Ausschreitungen vermeldet. Die angereisten Fans sind auffallend friedlich. Aber auch ruhiger als gewohnt. Nur bei den Spielen von Argentinien herrscht durchgehend Stimmung.
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