Es ist Juni 1984, als der im Fußball durch das Sponsoring bei Austria Memphis immer mehr Einfluss gewinnende Austria-Tabak-Chef Beppo Mauhart zum ÖFB-Präsidenten gewählt wird. Vier Amtszeiten, bzw. 18 Jahre bleibt er im Amt, so lange wie kein anderer – bis heute. Beppo Mauhart ist ein Macher, einer der Entscheidungen trifft und nicht diskutiert.
Das ist über viele Jahre auch, oder gerade bei den Teamchefbestellungen so, erinnert sich Heinz Palme: „Beppo hat sich diese Autorität genommen und wollte Diskussionen mit den Landesverbandspräsidenten vermeiden“, sagt der damals langjährige Pressechef des Fußball-Bundes.
Alleingänge sind seine Entscheidungen allerdings nicht. Mauhart lässt sich beraten, stimmt sich ab. Engen Dialog führt er über viele Jahre mit Hans Reitinger, dem Vorsitzenden der Bundesliga.
Der Segen des Profifußballs, der dazumal wesentlich stärker in den Gremien auftritt, als heute, ist Mauhart weit wichtiger, als die Meinung von Präsidiumskollegen. Diese stellt der Präsident in Sachen Teamchef vor vollendete Tatsachen. Zum ersten Mal im Jahr 1985, als er Branko Elsner zu dessen zweiter Amtszeit verhilft. Der Sportprofessor aus Slowenien verpasst die Qualifikation für die EM 1988 und muss nach zwei Jahren wieder gehen.
Vorausdenker
Auf seine zweite Teamchef-Entscheidung ist Mauhart längst vorbereitet. Er denkt an Kontinuität. Mit seiner Idee, nicht nur Spieler sondern auch Trainer im eigenen Haus zu fördern, ist er den heutigen Entscheidungsträgern schon damals voraus. Als solcher wird der erst 39-jährige Josef Hickersberger, der nie zuvor einen Bundesliga-Klub betreut hat, vom Posten des U-21-Trainers zum A-Teamchef befördert, muss dabei allerdings schon richtiggehend durchgeboxt werden im skeptischen Präsidium.
Hickersbergers erste Ära ist zunächst von Erfolg gekrönt. Jedoch: Der Qualifikation für die WM 1990 in Italien folgt ein Tiefschlag mit dem 0:1 gegen die Färöer. Hickersberger ist nicht zu halten. Mauhart bleibt bei seinem eingeschlagenen Weg und zieht im Herbst 1990 gegen noch mehr Widerstand als zuvor Alfred Riedl von der U-21 hinauf. In der Tat endet Riedls unglückliche Amtszeit, die auch von einer weniger guten Beziehung zu Stürmerstar Toni Polster geprägt ist, nach nur einem Jahr. Der 2020 verstorbene Trainer-Globetrotter gibt später selbst zu: „Das Teamchef-Amt ist für mich mit 42 Jahren viel zu früh gekommen.“
„Mit Happel ist ein Ruck durch alle im ÖFB gegangen und auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Nationalmannschaft ist durch ihn zurückgekommen“
von Heinz Palme
ÖFB-Pressechef 1991
Die Nationalmannschaft ist nur gut ein Jahr nach der WM in Italien in einem schlechten Zustand. Der Ruf nach einer starken Führungspersönlichkeit wird laut. Selbst Mauhart ist klar: Jetzt braucht es ein echtes Kaliber und wittert die Chance auf den „Wödmasta“. Allerdings: Ernst Happel steht bei Swarovski Tirol unter Vertrag. Weil jedoch das Teamchef-Amt so etwas wie das letzte große Karriereziel des damals bereits am Krebs erkrankten Trainer-Urgesteins ist, lässt Tirols Klubchef Gernot Langes den 66-Jährigen zum ÖFB ziehen, ohne eine Ablöse zu verlangen.
„Mit Happel ist ein Ruck durch alle im ÖFB gegangen und auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Nationalmannschaft ist durch ihn zurückgekommen“, erinnert sich Heinz Palme.Ein Jahr und neun Länderspiele später erliegt der Weltklasse-Trainer seinem Krebsleiden. In der Öffentlichkeit werden zwei Herren als Nachfolger gehandelt. Happels Assistent Didi Constantini wird von Täglich Alles forciert. Das Boulevard-Blatt wartet mit einer Umfrage auf, die den Tiroler weit vor Herbert Prohaska sieht.
"Der Mauhart hat zu mir gesagt: ’Den Constantini nehme ich nicht. Wenn du es nicht machst, hol’ ich den Sigi Held von der Admira.’“
von Herbert Prohaska
Über seine Bestellung 1992
Zu diesem Zeitpunkt ist für Mauhart aber bereits klar: Er befördert den nächsten Unter-21-Teamchef, den er erst ein halbes Jahr zuvor von der Austria geholt hatte. Prohaska erinnert sich: „Ich hab’ mich mit 37 Jahren eigentlich zu jung gefühlt und wollte Constantini den Job nicht wegnehmen. Der Mauhart hat aber zu mir gesagt: ’Den nehme ich nicht. Wenn du es nicht machst, hol’ ich den Sigi Held von der Admira.’“ Prohaskas Ära dauert sieben Jahre an und endet ein knappes Jahr nach der bisher letzten WM-Teilnahme des ÖFB wie bei Hickersberger mit einer Schmach.
Nach dem 0:9 gegen die Spanier am 27. März 1999 fasst Beppo Mauhart Sturms Erfolgscoach Ivica Osim ins Auge. Der Bosnier soll dem ÖFB-Präsidenten schon zuvor beratend zur Seite gestanden sein, winkt zu Mauharts Enttäuschung aber ab. In Stellung bringt sich längst Otto Baric, der sich zuvor als TV-Experte bei Länderspielen im ORF regelmäßig angriffig zeigt. Allerdings: Weder Mauhart, noch die Bundesliga, wollen Baric.
„Bringt’s mir noch einen anderen“, sagt Mauhart deshalb auch zu Heinz Palme, der seinen Kontakt zu Roy Hodgson nutzt. Der Engländer, zuvor Coach von Inter Mailand den Blackburn Rovers und auch Schweizer Teamchef, kommt nach einigen Auftritten als Gastreferent bei Trainerfortbildungen nun auch zum Verhandeln nach Wien. „Generalsekretär Alfred Ludwig und ich waren im Steirereck mit Hodgson essen, ein netter Abend“, erinnert sich der damalige Bundesliga-Vorstand Reinhard Nachbagauer.
Die Gehaltsvorstellungen des Briten sind zwar nicht völlig utopisch, aber dennoch zu hoch für den ÖFB. Otto Baric bezieht das Teamchef-Büro in der Meiereistraße und bleibt bis zum WM-Play-off im November 2001, als man gegen die Türken am Bosporus mit 0:5 baden geht.
Es folgt die letzte Teamchefbestellung der Ära Mauhart, wobei sich dieser nicht mehr so stark einbringt, wie zuvor. Wieder wird über Roy Hodgson nachgedacht, allerdings: Der mittlerweile groß in den österreichischen Fußball investierende Bundesliga-Präsident Frank Stronach ist begeistert von der Passion des Hans Krankl.
Der Goleador, dessen Teamchef-Ära durch die populistische Entscheidung, den 19-jährigen Andreas Ivanschitz zum jüngsten Teamkapitän der Nachkriegszeit zu machen, sowie einer Wutrede in Nordirland in Erinnerung bleibt, verpasst die EM 2004 ebenso wie die WM 2006. Selbst Förderer Frank Stronach, mittlerweile auch ÖFB-Vizepräsident, hält nicht mehr an Krankl fest. Dass der Vertrag des Nationalhelden ausgerechnet vor der Heim-EURO 2008 nicht verlängert wird, wirbelt Staub auf.
Mauharts Nachfolger, der als weniger resolut geltende Lotterien-Boss Friedrich Stickler, kann mit Krankls rustikalen Wort-Wuchteln wenig anfangen und schließt im Spätsommer 2005 den besonnenen Josef Hickersberger ins Herz. Der Meister-Trainer von Rapid sitzt gerade – im September 2005 – in Turin im Mannschaftsbus in Richtung Abschlusstraining für das Champions-League-Spiel gegen Juventus, als die Handys der Spieler klingeln und die Nachricht aus der Liga-Sitzung in Stronachs Fontana-Golfclub in Oberwaltersdorf durchsickert, die alle überrascht: „Krankl muss gehen, Hickersberger designierter Teamchef.“
Geht es nach Stickler, soll Rapid-Präsident Rudolf Edlinger seinen Erfolgstrainer trotz Vertrags gratis ziehen lassen, worauf dieser dem ÖFB die lange Nase zeigt und sagt: „Ich bin zwar ein Patriot, aber kein Idiot.“ Man einigt sich schließlich auf eine eher symbolische Ablösesumme von 175.000 Euro. Hickersberger genießt einen hohen Stellenwert und darf nach der durchwachsenen Heim-EM selbst entscheiden, ob er weitermacht. Nachdem zunächst alles auf eine Verlängerung um zwei Jahre hindeutet, zieht der Niederösterreicher einen Schlussstrich unter seine zweite Ära.
Es folgt die Suche nach einem renommierten Nachfolger. Eine Liste wird erstellt, zwei Namen bleiben am Ende übrig: Der kürzlich beurlaubte Schalke-Coach Mirko Slomka wirkt reizvoll, bei einem Telefonat mit dessen Bruder und Berater Mario Slomka, Steuerberater in Hannover, wird jedoch klar, dass sich die Geschichte nicht ausgeht, weil Slomka bei Schalke noch ein Jahr lang zu guten Bezügen spazieren geht.
Als sich der Deutsche mit dem Klub auf eine Vertragsauflösung mit einer Abfindung in der Höhe von 800.000 Euro einigt, ist in Wien bereits Karel Brückner im Amt. Die Ära des Tschechen endet im Februar 2009 nach nur sieben Länderspielen, weil sich der 69-Jährige mit Bandscheiben-Problemen herumschlägt.
Wenige Monate im Präsidenten-Amt ist zu dieser Zeit Leo Windtner. Sticklers Nachfolger hört auf den Ruf nach einem Österreicher, der im Vergleich zu Brückner auch Wien als Dienstort annimmt. Didi Constantini, der den Ruf als Feuerwehrmann genießt, übernimmt in der Qualifikation für die WM 2010 und darf bleiben, bis er nach der Aussage „Taktik wird überbewertet“ nicht mehr aus der Kritik gerät.
Im Herbst 2011 gibt es erstmals ein Anforderungsprofil. Windtner, Sportdirektor Willibald Ruttensteiner und Generaldirektor Alfred Ludwig bilden ein Dreigestirn. Von einer Liste mit 16 Trainern werden prominente Namen wie etwa Lars Lagerbäck oder Lucien Favre gestrichen. Unter den letzten Kandidaten gehen Andreas Herzog, Kurt Jara und Sturms frisch gebackener Meistermacher Franco Foda leer aus. Die Wahl fällt auf Marcel Koller, weil Leo Windtner nach den Gesprächen am Zürcher Flughafen intern sagt, beim Schweizer „das beste Gefühl“ zu haben.
Sechs Jahre bekommt das Präsidium vom neuen Sportdirektor Peter Schöttel drei Namen vorgelegt und entscheidet sich unter Foda, Herzog und Thorsten Fink für den Sturm-Coach.
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