Schauen Sie...“, verschleudert Otto Baric eine große Dosis seines ohnehin reichlich vorhandenen Selbstbewusstseins und sagt, was zu befürchten war: „... diktiere ich, Sie schreiben.“
Es beginnt die WM in Frankreich 1998. Der KURIER hat den erfolgreichsten österreichischen Fußball-Trainer, den siebenfachen Meistermacher, zweifachen Europacup-Finalisten als Kolumnisten gewonnen und seine von Euphorie, Direktheit und Erfindungsreichtum geprägte Wort- und Satzakrobatik in Kauf genommen.
Er ist eine herausragende Figur in der Sporthistorie, der in Österreich geborene Kroate. 1932 oder ’33? Darüber scheiden sich noch immer manche Geister. Stets polarisierend, impulsiv auf Nerven trampelnd, meist ehrfürchtiges Staunen erzeugend im damaligen Fußball-Getriebe, einer mit viel Know-how und vielleicht noch mehr Bauchgefühl, welches auch vor verbalen Fehltritten nicht schützt. Die Baric-Show – unerreicht sollte sie bleiben auf und abseits von heimischen Trainerbänken.
„Also, Geschichte geht so ...“, will Baric „maximal“ zeitsparend beginnen. Um irgendwann einmal draufzukommen, dass es so doch nicht geht.
Otto Baric weiß, dass er nicht nur Fachmann, sondern auch Unterhalter zu sein hat. Ein Leichtes, weil dieses Rollenspiel seine Persönlichkeit ist. Taktiken erklärt er, macht sich gleichzeitig lustig über die Hysterie, nur weil Brasilien Ronaldo „einmal mit Popo wackelt“, oder formt in einer von der Gedankenlawine getragenen Begeisterung aus den Spielern Djorkaeff und Bergkamp die Personalunion Djorkamp.
Eines Tages in diesen bereits fortgeschrittenen WM-Zeiten unterbricht er seinen Redeschwall mit der plötzlichen Feststellung: „Sie sind sehr lieb, machen wir Finfzig–Finfzig.“ Peinliche Berührtheit begegnet dem Irrglauben, Baric wolle als Anerkennung der guten Zusammenarbeit die Teilung seines Honorars vorschlagen. Darum beeilt er sich mit der Aufklärung: „Geben sie mir halbe Geld auf die Hand, und andere Hälfte überweisen Sie.“ Fast immer bekam er, was er wollte. Dieses Mal nicht. So wie damals, als er das Licht auf dem Stuttgarter Bahnhof ausgehen lassen wollte, nur um Geld für die von ihm eingeforderten Spielerkäufe einzusparen.
Der Erfolg muss her, koste es was es wolle, zielstrebig sein Tun, präsentiert als attraktiv eitle Erscheinung, die locker das öffentliche Amüsement in Kauf nahm, das ewige Schwarz seiner Haare sei das dauerhafte Zeichen jugendlicher Dynamik.
Otto Baric ist tot. Die Gegenwart hat ihn eingeholt, Corona war doch ein zu starker Gegner. Und man kann es förmlich hören, wie er die Trauernden mit erhobenen Zeigefinger noch belehrt: „Schauen Sie, muss man diese Mannschaft jetzt heben.“
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