"Italien ist im Zentrum Europas", jubilierte Tuttosport. Von den "Schönen Italiens", die jetzt Europa beglückten, fiedelte die Gazzetta dello Sport. Als Wiederauferstehung des Calcio wollen aber nicht einmal diese notorisch euphorischen Sportblätter die Situation bewerten. Denn bei diesen Frühlingsgefühlen handelt sich vor allem um das Zusammentreffen glücklicher Konstellationen.
Milan befindet sich in einem kleinen Zwischenhoch in einer Saison, die einer Fahrt auf einer Achterbahn gleicht. Stadtrivale Inter geht in der Meisterschaft zwar oft die Luft aus, holt aber in K.-o.-Spielen ein Maximum an Leistung heraus. Napoli ist vor allem dank einer glücklichen Transferpolitik neu im Bunde. Ob aber der georgische Außenstürmer Khvicha Kvaratskhelia, der nigerianische Goalgetter Victor Osimhen und der südkoreanische Innenverteidiger Kim Min Jae in der nächsten Saison noch am Fuß des Vesuvs kicken werden, ist fraglich. Die Premier League lockt, und Napoli wird wohl gezwungen sein, die Gunst der glücklichen Konstellation im Sommer finanziell zu nutzen.
Neulich, als Napoli in der Meisterschaft daheim im Stadio Maradona 0:4 gegen Milan verlor, gab es in der Curva B surreale Szenen. Manche Ultras hoben zu Schmähchören gegen den Präsidenten ihres Vereins an, den römischen Filmproduzenten Aurelio De Laurentiis. Der ist dafür verantwortlich, dass sich Neapel nach seinem Absturz in den Nullerjahren wieder zu einer großen Nummer im europäischen Fußball entwickelt hat. Doch die harten Fans mögen ihn nicht.
Der italienische Teamchef merkt von einer Renaissance des Calcio nur wenig. Roberto Mancini ist für die Spielersichtung oft in der Serie B und in kleineren Ligen im Ausland unterwegs. Nur vier Italiener, zwei auf jeder Seite, standen im Schlager im San Siro vor einer Woche in der Startformation. Inter hatte in Lissabon immerhin fünf Italiener in der Startelf – das Gros in der Defensive.
Die Klubs drücken aber auch Sorgen punkto Infrastruktur. Die Stadien sind meist nur gemietet und alt, der Rasen befindet sich oft in schlechtem Zustand. "Eine Branche, die sich nicht um die Qualität des Spielfelds kümmert, gleicht einem Chirurgen, der mit stumpfen Messern operiert", ätzte Maurizio Sarri, letzter Meistertrainer von Juventus und derzeit mit Lazio Rom auf Tabellenplatz zwei.
Italiens Fußballverband FIGC reichte vergangene Woche offiziell die Bewerbung für die EM 2032 ein. Dafür sollen die Stadien in Mailand, Turin, Verona, Genua, Bologna, Florenz, Rom, Neapel, Bari und Cagliari runderneuert werden.
Kommentare