Hätte nicht Ralf Rangnick große Lust auf den Job beim ÖFB, so wäre am Freitag wohl Peter Stöger als neuer Teamchef präsentiert worden. Wie es der Wiener beim Nationalteam anlegen würde, sagte er Anfang April bei Sky: „Ich glaube, dass das Entscheidende für einen Trainer ist, der in kurzer Zeit Entscheidungen treffen muss, dass er schaut, was er zur Verfügung hat und welche Jungs richtig gut drauf sind.“ Das ist – wenn man so will – der durchaus gewohnte und traditionelle Zugang zum Teamchef-Job.
Ralf Rangnick wird es nicht nur anders angehen, sondern genau umgekehrt. Der 63-Jährige ist bekanntermaßen nicht nut Verfechter, sondern bis zu einem gewissen Grad sogar Kreator einer Spielidee. Den Stil vom hochintensiven Spiel mit und gegen den Ball hat der Deutsche im Laufe seiner Trainerkarriere auch immer wieder angepasst, weiterentwickelt und darüber hinaus sogar gelehrt. Der erfolgreiche Salzburg-Trainer Matthias Jaissle etwa ist nur einer von vielen, die sich von Rangnick haben inspirieren lassen.
Man kann, nein man muss auch davon ausgehen, dass der neue Teamchef auch nichts anderes im Sinne hat, als seine Idee beim ÖFB umzusetzen. „Er will sicher seinen Fußball spielen“, sagte auch Salzburgs Sportchef Christoph Freund, dem ÖFB den Kontakt zu Rangnick verschafft hat. Demzufolge wird er nicht – wie es Peter Stöger für den Fall seiner Wahl angekündigt hatte – „schauen, welche Jungs richtig gut drauf sind“, sondern schauen, welche Jungs zu seiner Spielidee passen. Und derer gibt es mit österreichischem Reisepass mit Sicherheit zumindest 30. Der KURIER wagt einen Ausblick: Welche Spieler könnten von der Teamchef-Bestellung profitieren, und warum.
Rangnicks Teams attackieren ihre Gegner stets möglichst „hoch“, wie es im Fußball-Jargon heißt, also möglichst nahe am gegnerischen Tor. Weil es aber wichtig ist, dass die Reihen kompakt beieinander bleiben, müssen demzufolge nicht nur die Stürmer, sondern auch alle anderen Spieler aufrücken. Um den dadurch entstehenden großen Raum zwischen dem eigenen Tor und der Abwehrkette verteidigen zu können, braucht es einen Tormann, der aktiv mitspielt, bei langen Bällen des Gegners aus seinem Tor heraus und in diesen Raum sprinten kann und dann auch stark im Eins-gegen-eins ist. Eigenschaften, die weder auf Heinz Lindner, noch auf Daniel Bachmann zutreffen, jedoch zu den absoluten Stärken von Alexander Schlager (LASK) und Patrick Pentz (Austria) zählen.
In der Abwehr könnte Gernot Trauner seine Chance erhalten. Der 30-Jährige verzeichnet stets viele Balleroberungen, wenn er nach Pässen des Gegners auf deren Stürmer diese im Sprint von hinten attackiert. Sein Timing im von Rangnick geforderten „Vorwärts verteidigen“ könnte dem Teamchef gefallen. In diese Kategorie Innenverteidiger zählt auch Salzburgs Maximilian Wöber. Beide waren unter Franco Foda kaum berücksichtigt worden.
Das Zentrum
Österreich hat ein Überangebot an zentralen Mittelfeldspielern. Künftig könnten auch gleich vier zugleich auf dem Platz stehen. Möglicherweise in einer 4-2-2-2-Formation, die aufgrund ihrer vier Linien günstig im Gegenpressing ist. So könnte Rangnick etwa mit vier
Spielern aus der Red-Bull-Schule, Nicolas Seiwald, Xaver Schlager, Konrad Laimer und Marcel Sabitzer, das Zentrum schließen. In der Tat könnte der Trainerwechsel beim ÖFB auch die Teamkarriere eines Foda-Lieblings verlängern: Stefan Ilsanker gilt als verlässlicher Abräumer vor der Abwehr, der den Rangnick-Stil im Schlaf beherrscht.
Die vielleicht sogar wichtigste Rolle im Angriffspressing sind Stürmer, die physisch dazu in der Lage sind, die gegnerischen Verteidiger immer wieder im hohen Tempo energisch anzubohren. Wer könnte für die Antithese des Altherrenfußballs besser geeignet sein, als einer, den sie „Junior“ rufen? Der in Nigeria geborene Chukwubuike Junior Adamu, der im November ein einminütiges Teamdebüt beim 4:2 gegen Israel gefeiert hat, verfügt über die nötige Sprintwiederholungsfähigkeit. Dass der Salzburger nicht nur laufen kann, zeigt er im Unter-21-Team, wo er gesetzt ist und in zwölf Partien zehn Tore erzielt hat. In der Champions League traf er bereits gegen die Bayern – alleweil!
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