Rangnick soll beim ÖFB in etwa 1,5 Millionen Euro im Jahr verdienen und damit höchstens ein Drittel dessen, was er gewohnt ist. Damit ist auch klar: Die Beweggründe sind sportlich und ernst gemeint. Ziel Nummer eins ist die Qualifikation für die EM 2024 in Deutschland.
Wer allerdings glaubt, Ralf Rangnick käme nach Wien, um nur Teamchef zu sein und dann eine Europameisterschaft in seiner Heimat zu spielen, der irrt. „Ausgeschlossen“, sagt ein früherer Weggefährte. „Er wird überall den Finger in die Wunde legen. Da wird es einige schütteln.“
Andere wiederum dürften nicht nur geschüttelt, sondern durchaus auch gerührt sein. Nämlich jene, die sich durch die Verpflichtung des Startrainers längst erforderliche Entwicklungsimpulse erhoffen. Ob diese Fraktion gar von Peter Schöttel und Bernhard Neuhold angeführt wird? Der Sportdirektor und der Geschäftsführer der ÖFB-Wirtschaftsbetriebe haben sich jedenfalls ordentlich ins Zeug gelegt, um die Sensation realisieren zu können. Das Präsidium, inklusive Chef Gerhard Milletich und dem zweiten Geschäftsführer Thomas Hollerer, wurde nach der Einigung mit Rangnicks Management informiert.
„Rangnick ist zwar sehr konsequent in den Dingen, die er einfordert, jedoch immer mit Respekt. Es geht immer ums Fachliche“, beschreibt ein Insider, der auch mit ihm gearbeitet hat, jedoch namentlich nicht genannt werden möchte. Demnach habe sich der Vater zweier erwachsener Söhne mit dem Alter auch noch in seiner Persönlichkeit stark entwickelt. „Früher hat er auch Entscheidungen getroffen, die aus menschlicher Perspektive schwierig waren. Das tut er aber heute nicht mehr.“
Rangnick wird als fordernd beschrieben. „Und er akzeptiert kein ,Nein‘. Er hört es einfach nicht. Wenn du zu ihm sagst: ,Das geht nicht‘, ignoriert er deine Worte und wartet darauf, dass du es doch hinbekommst.“
Er sei allerdings kein Herrscher, sondern Modernisierer. „Als solcher wurde er schon oft geholt, und immer gab es Leute, die gefragt haben: ,Wozu brauchen wir denn das?‘“ Dass es im Zuge dessen stets auch zu Personalrochaden kommt, liegt viel mehr am logischen Mechanismus denn an blinder Machtgier. „Er sieht einfach keinen Grund, irgendetwas nicht zu tun, wenn etwas besser werden soll.“
Wie schmerzhaft der berühmte Finger in der Wunde wird, hängt demnach nicht von Rangnick selbst ab. „Er tritt nicht beim ÖFB an, um alle auszutauschen. Wenn man sich auf ihn und seine Arbeitsweise einlässt, wird man gepusht ohne Ende. Und man lernt unausweichlich dazu, weil er dich ständig in ungewohnte Situationen bringt. Da wächst man enorm. Man muss aber auch der Typ dazu sein.“
Einer, der ganz offenbar der Typ dazu ist, hört auf den Namen Lars Kornetka. Anders wäre es nicht möglich, dass der 44-Jährige bereits seit 2007 immer wieder bei diversen Klubs an Rangnicks Seite anzutreffen ist. Kornetka ist – vorerst – der einzige Assistent, der mit Rangnick zum ÖFB kommt.
Und er kommt sogar noch vor seinem Chef. Während Rangnick bis zum 22. Mai in Manchester ist, wird sein Vertrauter schon demnächst in Wien erwartet, um die meisten Vorkehrungen zu treffen. Denn schon sechs Tage nach Rangnicks Saisonende in der Premier League trainiert das Nationalteam in Bad Tatzmannsdorf.
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