Unterhaltung und Spektakel
Rangnick steht vor allem für eines: Ein extrem intensives "Spiel gegen den Ball", wie es im modernen Fußball-Jargon genannt wird. Ziel dieser Philosophie ist es, den Gegner nie zur Ruhe kommen zu lassen, indem man ihn möglichst weit vorne, also nahe dem gegnerischen Tor, attackiert, dort den Ball erobert und sogleich einen denkbar kurzen Weg zum eigenen Torerfolg hat.
Ein Spielstil, der dem Betrachter eher nicht dazu dient, am Abend auf der Couch gemütlich einzuschlafen. Rangnick-Fußball sorgt für Kurzweiligkeit, Unterhaltung und Spektakel.
So packend, wie diese Art von Fußball für den Betrachter ist, so fordernd ist sie zugleich für die Frauen und Herren auf der Bühne, dem grünen Rasen. Das sogenannte Angriffspressing erfordert nicht zwingend technische Klasse, dafür jedoch neben einer gehörigen Portion Mut und Überzeugung vor allem auch Leidenschaft und ein hohes Maß an körperlicher Fitness. Im überfallsartigen Stil von Ralf Rangnick sind die Spieler die meiste Zeit im höchsten Tempo unterwegs. Sprinten, wenn der Gegner den Ball hat, ist nicht jedermanns Sache, entwickelt sich allerdings zu einem Stilmittel für Underdogs, um große Ballkünstler zu ärgern.
Ein Rückblick
Geboren wird dieser Stil in den 1970er-Jahren, als die Spieler der niederländischen Nationalmannschaft unter Trainer Rinus Michels als erstes dabei zu beobachten sind, wie sie im im Sprint dem Ball hinterher jagen. Erfolgreich angewandt wird der Stil um 1990 von Trainer Arrigo Sacchi bei AC Milan.
Im deutschen Fußball verschreibt sich zu dieser Zeit längst ein gewisser Helmut Groß dieser Entwicklung. Ein Amateur- und Nachwuchstrainer, der auch gegen Widerstände versucht, Kollegen von dieser Idee zu überzeugen. Im Fall von Ralf Rangnick gelingt das Groß sofort. Er holt den Sportstudent (Rangnick hat ein abgeschlossenes Lehramts-Studium, Anm.) zum VfB Stuttgart. Rangnick ist erfolgreich. So sehr, dass sich in den folgenden Jahrzehnten gleich mehrere junge deutsche Trainer davon inspirieren lassen. Ihre Namen? Jürgen Klopp, oder etwa Thomas Tuchel. Deren Vita ist bekannt.
In Österreich landet der Rangnick-Stil im Sommer 2012, als sich Milliardär Dietrich Mateschitz nach sieben verflixten Jahren voller Fußball-Investment bei Red Bull Salzburg mit bescheidenem Erfolg dazu entschließt, etwas Neues zu versuchen. Mateschitz holt Rangnick und lässt ihn gewähren. Ab sofort sind es nicht mehr ausrangierte Altstars, die sich in Salzburg ihre Fußball-Pension aufbessern, sondern in Österreich weitgehend unbekannte, junge und aufstrebende Spieler und Trainer, die sich der Rangnick-Idee verschreiben und damit Erfolg um Erfolg landen.
Nachahmer gibt es auch in Österreich en Masse. Mit mehr oder weniger Erfolg. Klubs, wie etwa der LASK oder der Wolfsberger AC übernehmen den Stil und fahren damit zumindest temporär gut. Aktuell versucht etwa Trainer Ferdinand Feldhofer Elemente des Stils bei Rekordmeister Rapid zu implementieren. Nicht nur im Salzburger Nachwuchs, sondern beinahe in allen zwölf Fußballakademien des Landes wird dem intensiven Spiel gegen den Ball längst große Beachtung geschenkt.
Zehn Jahre später kehrt Ralf Rangnick zurück nach Österreich. Er kommt, weil er keine Kompromisse eingehen muss wie eben als Trainer von Manchester United, wo sich Stars wie Cristiano Ronaldo nicht verbiegen lassen.
Er kommt, um sein Werk zu vollenden. Mit Spielern, die zum Großteil durch die Red-Bull-Schule gegangen sind, will der 63-Jährige nun beweisen, dass seine Idee von Fußball auch auf der Ebene der Nationalteams funktionieren kann. Dort, wo Teams oft nur wenige Tage miteinander verbringen und der Faktor Zeit sehr gerne als Argument oder Ausrede dafür herangezogen wird, wenn der Erfolg ausbleibt.
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