Am 25. November 2019 wurde Martin Bruckner in der ersten Kampfabstimmung der 120-jährigen Vereinsgeschichte zum Rapid-Präsidenten gewählt. Immerhin, das erste Amtsjahr war von einem sportlichen Aufwärtstrend und der Corona-Krise geprägt. Rückschläge wie das 3:4 in Ried oder die Erkrankung von Trainer Didi Kühbauer, der auch nicht zum Spiel gegen Dundalk mitfliegen darf, können den 55-jährigen Vorstand der Allianz-Investmentbank nicht aufregen.
Bruckner zieht vor dem Wiener Derby an seinem persönlichen Jahrestag im KURIER-Interview ein Resümee.
KURIER:Sehen Sie sich als Krisenpräsident?
Martin Bruckner: Es ist auf jeden Fall ein außergewöhnliches Jahr. Zuerst gibt es die erste Kampfabstimmung um den Präsidenten und 100 Tage später wird der Sport durch Corona komplett auf die Nebenfahrbahn gedrängt. Immerhin haben wir durch unsere Gespräche und Konzepte einen wichtigen Teil dazu beigetragen, dass die Bundesliga wieder spielen durfte und das auch jetzt tut. Leider sind aber auch unsere sportlichen Erfolge in den Hintergrund gedrängt worden.
Sie haben im Wahlkampf damit geworben, dass die sportlich Verantwortlichen in Ruhe weiterarbeiten dürfen. War Ihre wichtigste Tat, dass Sie nichts verändert haben?
Ja, die sportliche Kontinuität wie auch wirtschaftliche Kontinuität und Ruhe waren das entscheidende Puzzlestück, um wieder erfolgreich zu werden. Wir haben auch angekündigt, dass wir auf den eigenen Nachwuchs bauen wollen. Wir konnten aber nicht ahnen, dass es uns im Frühjahr mit den Verletzungen so schlimm erwischt. Deswegen mussten die Jungen ins kalte Wasser. Das ist schneller passiert als geplant, aber die Burschen haben sich bewährt.
Es laufen von wichtigen Spielern die Verträge aus, dazu hat Rapid einige Transferaktien. Auf große Zuschauer-Einnahmen sollte sich der Verein nicht verlassen. Es läuft also auf einen großen Umbruch im Sommer hinaus, oder?
Die gesamte Situation im Profisport hat sich verändert. Generell gab es am Transfermarkt weniger Bereitschaft, hohe Ablösen zu zahlen. Dadurch steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Spieler gerne länger in Hütteldorf bleiben. Was im Sommer sein wird, kann gerade in diesen Zeiten noch nicht seriös beurteilt werden.
Ehrenpräsident Edlinger hat stets im Winter vor dem Vertragsende ernsthaft mit den Trainern über eine Verlängerung gesprochen. Werden Sie das mit Didi Kühbauer ähnlich angehen?
Der Winter ist ein guter Zeitpunkt, um Planungen für die kommende Saison und Details zu besprechen. Auch wenn die Winterpause kürzer ist als üblich. Aber momentan hätten wir mit diesem Spielplan und angesichts corona-bedingter Nebenschauplätze keine Zeit, in Ruhe alles zu klären. Fest steht, dass wir große Wertschätzung für den Trainer haben. Ich erinnere mich: Im Wahlkampf wurde behauptet, er wäre ein reiner Defensivtrainer. Tatsächlich suchen wir schnell und mit Leidenschaft die Offensive. Dazu haben wir Erfolg. Das kommt bei den Fans sehr gut an, nur im Stadion sehen sie es leider nicht mehr.
Es wurden Gerüchte gestreut, Sie wären nur ein Lückenbüßer. Werden Sie Ihre dreijährige Amtszeit auf jeden Fall erfüllen?
Ja, natürlich! Ich sehe es so, dass wir mit unseren Plänen zwei Perioden lang etwas entstehen lassen wollen. Das wären sechs Jahre. Das könnte ich mir gut vorstellen, sofern wir wiedergewählt werden.
Angeblich hat Monisha Kaltenborn mit Ihrer Erfahrung als Formel-1-Managerin nach dem Corona-Ausbruch geholfen, im Präsidium die richtigen Weichen zum Überleben des Vereins zu stellen. Nach außen wurde das nie kommuniziert. Wie groß ist ihr Einfluss aus der Schweiz?
Das gesamte Präsidium hat geholfen, wir haben uns die Bereiche aufgeteilt und für Monisha ist es aufgrund von Corona und den Reisebeschränkungen schwierig. Aber es stimmt, sie hat mit ihrer großen Erfahrung im Sportmanagement geholfen, in einer unübersichtlichen Situation den Blick auf das Wesentliche zu lenken.
Die Klubvertretung ECA vermutet, dass Sponsoren wegen Corona im Profifußball 20 bis 30% weniger ausgeben werden. Rechnen Sie auch bei Rapid mit so einem großen Minus?
Es wird sicher noch Unternehmen geben, die ihre Sponsoringstrategien neu evaluieren müssen. Aber wir haben auch zahlreiche neue Sponsoren gefunden – wir sind ein attraktiver Partner. Ich hoffe natürlich, dass wir bald wieder in Richtung Normalität gehen können, das würde uns allen helfen.
Uni-Professor Hutter hat das Covid-Stadionkonzept mit Rapid entwickelt und denkt an die Möglichkeit von Schnelltests vor dem Stadion, um Fans wieder zum Spiel einlassen zu können. Sehen Sie das als Chance?
Ja, wenn es da eine Möglichkeit gibt, werden wir die Ersten sein, die das einsetzen. Dafür müssen die Antigen-Tests aber auch präzise genug sein. Ich maße mir nicht an, in diesem Bereich ein Experte zu sein, um abzuschätzen, wann das der Fall sein wird.
Auffällig ist, dass Sie anders als Vorgänger Krammer keine öffentlichen Konflikte austragen. Wird diese Zurückhaltung Ihre Amtszeit prägen?
Es war eines unserer großen Ziele, die Emotionen aus dem Wahlkampf und jene im Austausch mit der Konkurrenz rauszunehmen. Wir haben jetzt mit allen im und außerhalb des Vereins eine gute Gesprächsbasis. Die Corona-Krise war sicher ein Katalysator, damit alle in der Liga einen Schritt zusammen rücken, denn wir verfolgen hier gemeinsame Interessen. Klar ist aber: Auch wenn ich mich mit Frank Hensel unter der Woche austausche, will ich mit Rapid an einem Derby-Wochenende unbedingt die Austria besiegen. So groß bleibt die Rivalität auch in Corona-Zeiten.
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