Peter Stöger: "Wo sind die Leute, die blockieren?"
Die Zeiten sind nicht einfach für die Wiener Austria und damit auch für Sport-Vorstand Peter Stöger. Der 53-Jährige analysiert, will verändern und Lösungen finden.
KURIER: Die Austria befindet sich im Mittelmaß. Wie sehr wird das im Verein schon so wahrgenommen?
Peter Stöger: Es will in Wahrheit keiner hören, aber sehr viele Leute warten darauf, dass es gesagt wird. Wir sind ja nicht glücklich darüber, das so ausdrücken zu müssen. Wenn man einen nicht zufriedenstellenden Zustand beurteilen will, dann müssen eben klare Fakten auf den Tisch. Nur dann kann man es auch wirklich verbessern. Im Sport kannst du als Selbstschutz immer etwas Positives finden.
Das klassische Schönreden?
Ja. Aussagen wie „Da hatten wir eine gute Phase“ oder „Dort hatten wir Pech mit dem Schiedsrichter“. Wenn diese Phase lange andauert, dann muss man sich fragen, was bei dir selbst falsch läuft. Und wie man etwas verbessern kann und in welcher Zeit. Diese ist Mangelware im Fußball, vor allem in Österreich, besonders in Wien und ganz speziell bei der Austria. Es ist aber in den vergangenen Jahren viel Notwendiges passiert, um den Verein national wie international zu positionieren, damit man in Zukunft bei größeren Sachen dabei sein könnte. Jetzt müssen wir sportlich nachziehen.
Peter Stöger in Bildern:
Erfolgreiche Zeiten: Peter Stöger wurde mit der Austria zwei Mal Meister: 2006 (als Sportdirektor) und 2013 (als Trainer). Als Spieler gelang ihm das gar drei Mal: 1991, 1992 und 1993.
Im Juni 2013 heuerte der Wiener beim 1. FC Köln an.
Heimaturlaub: Stöger mit Partnerin Uli im Stile von Wien-Touristen für den "Kölner Express".
Jubel, Trubel: Mit Stöger stieg Köln 2014 auf und kam in die Europa League.
Zu Besuch: Stöger, der Ex-LASK-Spieler beim KURIER-Tag mit Sportchef und LASK-Fan Bernhard Hanisch beim Fachsimpeln.
Bitte zu Tisch: Stöger fand seinen jungen Meister.
Die fünfte Jahreszeit: Stöger spielte beim Kölner Karneval gerne mit. Im Dezember 2017 war die Liaison mit dem FC zu Ende.
Wiedersehen: Stöger traf Dortmund-Boss Watzke beim Eröffnungsspiel der Generali Arena.
Nun ist er wieder da. Am 23. Juli war die Rückkehr von Peter Stöger zur Wiener Austria perfekt.
Wie soll das funktionieren?
In so einer Phase ist wichtig zu beobachten, wo die Leute sind, die dich begleiten, unterstützen. Wo sind die Leute, die blockieren oder dagegen arbeiten, weil es eben unangenehm ist? Nur so kommt man gestärkt aus der Phase raus. Ich weiß, dass es nicht lustig ist.
Der Status Quo ist die Folge einer längeren Entwicklung. 2013 war man Meister und in der Champions League, 2019 ist man in Österreich nur Mittelmaß. Was ist da passiert?
Der Sport ist rasant. Weniger nach oben als nach unten. Der Zeitgeist ist im Fußball nicht auszublenden. Immer, wenn es gut läuft, muss man achten, dass man keine Fehler macht. Bist du unten, werden dir solche Fehler eher nicht passieren, weil die Sinne geschärft sind.
Ist man bei der Austria bequem geworden?
Das weiß ich nicht. Wenn man gesettelt ist, schaut man vielleicht eher über etwas hinweg, man lässt mehr durchgehen, vielleicht ist man bequem geworden, weil es eh läuft. Umgekehrt darf man nicht vergessen, und das gilt auch für den Westen Wiens, dass mit dem Stadion etwas Tolles entstanden ist. Hätte ich kein Geld für Transfers und kein neues Stadion, dann könnten die Fans zu Recht fragen, wo das Geld verbraten wurde. Aber wenn es sportlich nicht läuft, interessiert niemanden die Infrastruktur.
Das Sportliche ist nur ein Teil des Problems. Die Austria ist als Betrieb dermaßen gewachsen, dass es einer ständigen Überprüfung bedarf. Ist das auch Ihre Aufgabe?
Es ist nicht meine Kernkompetenz, aber vielleicht ist der Blick von außen, den ich mitgebracht habe, ganz gut. Jeden Tag notiere ich etwas, das mir auffällt. Ich muss Prioritäten setzen. Was brauche ich, was ist notwendig? Es hat schon mehrere Vereine gegeben, die einmal sehr erfolgreich waren, dann eine schwierige Phase durchlebt haben und mit richtigen Entscheidungen wieder gestärkt hervorgegangen sind. Das ist auch unser Ziel.
Der Großteil der Belegschaft muss aber mitziehen ...
Genau. Jene, die nicht mitziehen wollen, wird man aussortieren. Ich habe auch Verständnis, wenn jemand den Weg nicht mitgehen will. Wir haben unsere Ideen, die wir umsetzen wollen. Dafür brauchen wir für die Mannschaft nicht zwangsweise mehr Geld. Mein Zugang ist, mit dem Vorhandenen etwas zu verbessern. Doch das dauert ein bis zwei Transferperioden. Meine Hoffnung ist, nächsten Sommer ein anderes Gesicht zu sehen. Und wir werden ein anderes Gesicht haben. Die Spieler können sich jetzt bewerben. Sie entscheiden, ob sie den Weg mit uns mitgehen wollen.
Muss man beim Scouting kreativer und gewitzter werden?
Man hat heute auf diesem Gebiet sehr viele Mitbewerber. Beim Scouting gibt es viele Zugänge. Ich kann 100 Millionen in die Hand nehmen und einen Spieler kaufen. Das wird hier nie passieren. Oder ich kann mit Glaubwürdigkeit argumentieren, als Plattform für Spieler interessant sein. Die Leute müssen dir zutrauen, eine gute Adresse zu sein. Nehmen wir Salzburg: Das Projekt funktioniert einerseits über das Geld, andererseits sehen junge Spieler, wo Ex-Salzburger jetzt überall spielen. In Deutschland, bei Liverpool. Das spricht für den Verein.
Die Austria war schon diese Adresse und das Sprungbrett für einen Baumgartlinger oder Junuzovic.
Man kann schon Anleihe nehmen an dem, was im eigenen Haus schon gut funktioniert hat. Aber es ist schwieriger geworden, weil die Konkurrenz größer ist durch die Scouting-Maschinerie. Es gibt nichts Unerforschtes mehr. Die Austria muss wieder eine Mannschaft sein, die entwicklungsfähigen Spielern Platz bietet.
Wenn man die Young Violets ansieht, könnte man sagen: Von unten kommt nichts nach.
Das ist auch eine aktuelle Baustelle. Jetzt kann ich alle hier in Schutz nehmen und sagen, die Stronach-Akademie war damals die beste im Land, wo die besten Talente hingegangen sind. Jetzt ist die Situation anders, es gibt viele Konkurrenten, die in diesem Bereich sehr gut arbeiten. Kriegen wir also noch immer die besten Talente, oder gehen die woanders hin?
Bei Austria-Trainern galt in der Vergangenheit das Hire-and-Fire-Prinzip. Man zog stets die Reißleine, am Ende hat man nie das Ziel erreicht. Ist es nicht Zeit, umzudenken? Oder ist das Trainerdasein so schnelllebig, ist immer der Trainer der Schuldige?
Als Trainer bist du auch der Gefeierte, wenn du etwas erreichst. Alle, die mit dem Gedanken einer Schwarz-Weiß-Situation nicht leben können, sollten nicht Trainer werden. Das Führen und Entwickeln einer Mannschaft ist eine ureigene Aufgabe des Trainers, die man bewerten kann. Selten sieht man nach einem Trainerwechsel bei einer nicht funktionierenden Mannschaft eine wundersame Erholung. Der Trainer muss aus den Jungs mehr herausholen, ans Maximum führen. Je länger ich als Führungskraft bereit bin durch eine schwere Phase zu gehen, desto länger hat der Trainer Zeit, etwas zu reparieren. Je weniger Gegenwind du aushältst, desto eher wirst du reagieren, um das Thema einfach nur vom Tisch zu haben. Das ist nicht mein Zugang, daher ist der Trainer kein Thema. Wichtig ist eine nachhaltige Entwicklung.
Haben Sie sich als Realist die Aufgabe Austria so schwierig vorgestellt?
Vieles habe ich schon im Vorfeld gewusst, daher habe ich auch nichts Unmögliches gefordert. Wenn man jemanden in so eine Position holt, dann doch nur, weil es nicht gut läuft. Ich habe noch nie erlebt, dass irgendwo alles perfekt passt, und man holt dich trotzdem dazu, weil es dann noch besser werden könnte. Qualität ist, mit den vorhandenen Möglichkeiten das Maximum rauszuholen.
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