Österreich im EM-Viertelfinale: Ehrlicher Jubel folgt vorgegaukeltem Hype
Bis zu 839.000 waren TV-Zeugen vom 1:0 gegen Norwegen. Am Donnerstag werden’s eine Million sein, wenn Österreich gegen Deutschland spielt. Wenn erstmals in einem EM-Viertelfinale die besten Spielerinnen aus zwei Ländern aufeinandertreffen, in denen vor 50 Jahren erst das Frauen-Fußballverbot (Deutschland) aufgehoben bzw. weibliches Kicken (Österreich) geduldet worden war.
Vielleicht ist auch schlechtes Gewissen ein Mitgrund, weshalb die Frauen-EM bereits vor deren Start in den medialen Mittelpunkt gerückt wurde wie nie zuvor. Und weshalb der ORF mit der Übertragung aller 31 Spiele warb. Wie ihm kann dem ÖFB nicht vorgeworfen werden, dass er die EM zweitrangig behandle. So umfasst der Betreuerstab für 23 Frauen 30 Personen. Und damit sechs Mal so viel wie einst bei Hans Krankl und Kollegen in Cordoba.
Die Meisten der 78er-WM-Generation, der das legendäre 3:2 gegen Deutschland gelang, und auch jüngere Alt-Internationale vermeiden öffentliche Äußerungen über Frauenfußball. Wer will sich schon einen Shitstorm einhandeln, wenn er meint, dass eine weibliche Nationalelf allein schon aus physiologischem Grund kein männliches Regionalliga-Team besiegen könne. Doch hier soll nicht ein verbales Match FC Macho vs. Gender SC inszeniert, sondern vielmehr festgehalten werden, dass ein Frauen-Spiel sehr wohl spannender als eines der Herren Superstars sein kann. Und dass sich letztere hinsichtlich Disziplin von der EM Einiges abschauen sollten.
Anders als in der Champions League und in der Bundesliga hüpfen die EM-Frauen-Teamchefs (auch die männlichen) nicht wie Rumpelstilzchen, jede Schiedsrichterentscheidung kritisierend, in ihrer Coaching-Zone herum. Auch winden sich Damen nicht minutenlang auf dem Boden. Obwohl das im Falle von Nicole Billa nachvollziehbar gewesen wäre. Nach einem brutalen Crash griff sich die ehemalige Kickbox-Junioren-Weltmeisterin nur kurz auf ihren Brummschädel. Mit dem sie bald danach das Siegtor erzielte.
Die Tiroler Hoffenheim-Legionärin war 2021 in Deutschland zur Fußballerin des Jahres gewählt worden. Die Hoffnung, dass die Deutschen ihre Viertelfinale-Gegnerinnen unterschätzen, besteht somit nicht.
60.000 Euro bekäme jede deutsche Spielerin im Falle des EM-Titels. Im Vorjahr hätten Manuel Neuer und Co, wären sie Europameister geworden, das Siebenfache kassiert. Weshalb Kanzler Olaf Scholz die Forderung nach gleicher Bezahlung erhob. Worauf ihn DFB-Sportdirektor Oliver Bierhoff wissen ließ, dass die Nachfrage(= mehr Fans, mehr Sponsoren) den Preis bestimme.
In Österreich wäre es schon ein Erfolg, würde man Mädchen die gleichen Trainingsmöglichkeiten wie Burschen bieten. So wie’s nach dem EM-Erfolg der Damen 2017 versprochen, aber (mit wenigen Ausnahmen) nie realisiert wurde. Kaum ist ein Großereignis vorbei, sieht der Alltag hierzulande amateurhaft triste aus.
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