ÖFB-Präsident vor EM-Viertelfinale: "Frauen bringen mich in Termin-Stress"
Gerhard Milletich war beim Auftaktspiel gegen England und zuletzt beim Sieg gegen Norwegen in Manchester und Brighton vor Ort. Für ihn ist die Frauenfußball-EM 2022 das erste große Turnier in seiner Funktion als Präsident des ÖFB. Nach der Vorrunde zog er Bilanz.
KURIER: Gratulation zum ersten großen Erfolg in Ihrer Zeit als ÖFB-Präsident.
Gerhard Milletich: Gratulieren müssen Sie den Spielerinnen und den Betreuern, nicht mir. Der Beitrag meinerseits war da nicht so hoch.
Aber der Fußball-Bund hat mit seiner Unterstützung des Nationalteams doch eine Basis dafür gelegt?
Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken. Aber der ÖFB hat die Entwicklung weiter gefördert und sogar ausgebaut.
Sie haben auch die EM 2017 verfolgt. Was sind Ihre Eindrücke?
Damals waren wir vielleicht spielerisch nicht so überragend. Gegen England haben die Frauen eine Topleistung geboten, auch der Sieg gegen Nordirland war sehr gut. Aber wie wir gegen Norwegen gespielt haben und wie überlegen wir waren, das war schon eine tolle Geschichte.
Auch die norwegische Präsidentin, die selbst Fußballprofi war, hat gratuliert und gelobt, wie sich der österreichische Frauenfußball in den letzten fünf Jahren entwickelt hat.
Es ist auch enorm, was vom ÖFB in den Frauenfußball investiert wurde, von der Akademie bis zum Betreuerteam und die EM-Vorbereitung.
Es wurde kritisiert, dass man 2017 die Euphorie nicht genutzt hat, um den Frauenfußball zu entwickeln.
Es hat sich in der Zeit einiges entwickelt, allein wenn man sich das Medienecho 2022 anschaut. Es muss sich auch noch mehr Bewusstsein entwickeln. Zaubern kann man nicht.
Es erwartet keiner vom ÖFB Zauberei beim Frauenfußball, sondern Entwicklung und Unterstützung und Fortschritte.
Was das Team und die Spitze betrifft, finde ich die Arbeit, die Entwicklung und die Fortschritte ausgezeichnet. Vielleicht brauchen wir da noch eine oder zwei Akademien. Aber vor allem in der Breite muss viel gemacht werden. Da passiert auch schon einiges mit Nachwuchsprojekten, aber das braucht alles seine Zeit, das geht nicht von heute auf morgen oder in nur fünf Jahren.
Wie lange wird es noch dauern, bis auch die Breite im Frauenfußball auf einem hohen Niveau ist?
Das ist ein Prozess, der wichtig ist. Auch wenn es vielleicht einige nicht wahrhaben wollen, der Frauenfußball ist wichtig als Ganzes und für das Ganze. Es ist wichtig, dass Frauen und Männer Fußball spielen, dass keine Gesellschaftsgruppe ausgeschlossen wird.
Was kann die EM 2022 bewirken?
Es ist eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind und erleichtert das Weiterarbeiten. Ich kann immer wieder nur betonen, was für eine tolle Arbeit Irene Fuhrmann, ihr Betreuerteam und die Spielerinnen leisten.
Und jetzt geht es gegen Deutschland.
Das ist eine Supergeschichte für uns alle. Damit ist der Tupfen auf dem i noch größer. Wenn man in der K.-o-Phase eines großen Turniers gegen Deutschland spielen kann, dann ist das eine Auszeichnung.
Was erwarten Sie vom Spiel?
So wie ich unser Team kenne, werden sie alles unternehmen, um erfolgreich zu sein. So souverän, wie sie in der Gruppenphase aufgetreten sind, kann man nur noch zulegen. Aber wenn man ehrlich ist, dann ist Deutschland Favorit. Aber wir können sie ärgern.
Werden Sie vor Ort sein?
Natürlich reise ich am Donnerstag wieder an. Schön langsam bringen mich die Frauen in Terminstress.
Ist der so groß als ehrenamtlicher ÖFB-Präsident?
Um ehrlich zu sein, habe ich mir das Leben als ÖFB-Präsident weniger anstrengend vorgestellt. Es ist schon extrem zeitintensiv. Aber in diesem Fall überwiegt natürlich die Freude über den Stress.
Muss man Mitgefühl haben mit Ihnen oder Ihrer Frau?
Die kennt mich schon so lange. Sie ist einiges gewohnt und trägt meine Entscheidung, das zu tun, mit.
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