0:0 gegen Polen – man könnte dem Punkteverlust in
Warschau tatsächlich eine dicke Träne nachweinen. In Griffweite war der Sieg, geschnappt hat ihn die Mannschaft aber nicht. Ob aus Pech, oder nicht zuletzt aus mangelnder Konsequenz sei einmal dahingestellt. Die Karten hätten sich – mit zwei Punkten mehr – verbessert im Kampf um die EM-Tickets, in der jetzt wohl spannendsten Gruppe, die diese Qualifikation zu bieten hat.
Realistischer wäre allerdings, es zur Kenntnis zu nehmen, dass
Österreichs Nationalteam wieder auf jene Leistungsstufe zurückgekehrt ist, die von dieser Mannschaft auch erwartet werden darf. Nach der Heimniederlage gegen die Polen, der folgenden Peinlichkeit von Israel, einer Weltuntergangsstimmung nach der Startphase dieser EM-Qualifikation hat sich die Mannschaft sichtbar gesteigert, wirkt kompakt, selbstbewusst und lässt erkennen, dass die Klasse der Individualisten eigentlich höher ist, als jene der meisten Mitbewerber. Polen wurde im eigenen Stadion wund gespielt, ein Umstand, der noch vor einigen Monaten außerhalb jeder Vorstellungskraft gewesen ist.
Österreich holt Punkt in Polen
An diesem Punkt darf wohl Teamchef
Franco Foda widersprochen werden, der am Beginn dieser Qualifikation immer wieder seine Betonung auf die Ausgeglichenheit im Gefüge der Gruppe G betonte. Eher stimmt, Österreich hätte bei einer EM ohnehin nichts verloren, wenn sie es mit dieser individuellen Qualität in dieser ausgeglichen-leichten Gruppe nicht bestehen kann.
Polen war die schlechteste Nation in Topf 1, haben es gerade noch unter die besten zehn Teams geschafft – was übrigens den Deutschen nicht gelungen ist, weshalb sie Österreich als Gegner erspart geblieben sind. Die Polen starteten mit einem Sieg in Österreich, leisteten sich aber einen Umfaller mit der klaren Niederlage in Slowenen. Auch in Polen ist das Anspruchdenken so hoch wie in Österreich. Kapitän Robert Lewandowski sagte daher: „Ich hoffe, dass Österreich die nächsten zwei Spiele gewinnt, und dass wir und Österreich, die zwei besten Teams dieser Gruppe, an der EM teilnehmen werden.“
Trotz Punkt in Polen: ÖFB-Team trauert Chance auf mehr nach
Was stimmt positiv, dass es nach dem Stolperstart doch noch mit der Teilnahme an der EM klappt?
Der Tormann
Weil Heinz Lindner noch immer arbeitslos ist, wurde aus der Nr. 1 ein Zuseher. Tormanntrainer Robert Almer und Teamchef Franco Foda hatten die Qual der Wahl. Drei Goalies stehen im Kader, noch keiner hatte auch nur eine Minute im Team gespielt. Die Wahl fiel auf Cican Stankovic, der ständig im Salzburger Tor steht. Gegen Lettland konnte er beim 6:0, weil quasi arbeitslos, keinen Leistungsnachweis erbringen. Das machte er in Warschau, wo er seinem Eindruck als sicherer Rückhalt keine Schramme zufügte. „Relativ gut“, bezeichnete der 26-Jährige seine Leistung. Und weil er nun mit Salzburg auf höchstem Champions-League-Niveau spielen wird, wird sich an diesem Status bei den letzten vier Entscheidungsspielen im Team auch nichts ändern.
Defensive Dichte
Mit Martin Hinteregger fiel just für die Härteschlacht in Warschau der in den letzten Jahren konstanteste Verteidiger aus. Er wurde ersetzt vom erst 22-jährigen Stefan Posch. „Er hat gespielt wie ein alter Hase“, lobte Teamchef Franco Foda. Und der U 21 zur Verfügung gestellt wurden England-Legionär Kevin Danso und Salzburg-Innenverteidiger Wöber.
Was stimmt negativ, dass es nach dem Stolperstart doch noch mit der Teilnahme an der EM klappt?
Stürmerproblem
Das redete man nach dem 6:0 gegen Lettland klein. Man hatte ja den „großen“
Marko Arnautovic. Aber gegen Polen kam Sabitzer nicht so gut ins Spiel. Die rechte Flanke über Lainer und Lazaro fand meist keinen Abnehmer, weil die hölzerne polnische Innenverteidigung auf Augenhöhe war mit Solospitze Arnautovic. Und Foda brachte jeweils nur Gregoritsch, eine hängende Spitze, ins Spiel. Arnautovic-Alternative hat er keine im Wettkampfmodus getestet – auch beim Sechserpack nicht.
MODUS
Die Ersten und Zweiten der zehn Gruppen sind für die EM von 12. Juni bis 12. Juli 2020 qualifiziert. Die restlichen vier EM-Starter sind die besten vier Nationalteams aus der Nations League, die in der Qualifikation nicht Erste oder Zweite geworden sind.
Ein rot-weiß-roter Oktober soll die Entscheidung bringen
Der verbleibende Fahrplan in der EM-Qualifikation ist einfach wie schwer zugleich: Im Oktober stehen die zwei Schlüsselspiele in Richtung Endrunde 2020 auf dem Programm. Zunächst ist daheim gegen Israel ein Sieg Pflicht, drei Tage später lautet das Motto beim Gastspiel in Slowenien: verlieren verboten. Ein Sieg in Laibach wäre wohl das Ticket für die EURO, denn die November-Spiele daheim gegen Nordmazedonien und in Riga gegen Lettland sollten nicht mehr zu Stolpersteinen auf dem Weg dorthin werden.
Die rot-weiß-rote Schlussrechnung – vier bis sechs Punkte im Oktober, sechs Zähler im November – klingt leicht, beinhaltet aber jede Menge Tücken.
Der ÖFB reagiert auf die aktuell positive Stimmung rund um das Team und bietet noch bis 12. September ein Kombi-Ticket an für die Heimspiele gegen Israel und Nordmazedonien. Die Karten für beide Partien kosten von 16 Euro bis
106 Euro, was den Preisen aus der UEFA Nations League im Herbst 2018 entspricht.Teamchef Franco Foda nutzt die Gelegenheit zu einem Aufruf an die Fans: „Ich hoffe, dass möglichst viele ins Stadion kommen. Das hat sich die Mannschaft mit ihren Leistungen in den letzten vier Spielen verdient. Wir brauchen jetzt die Unterstützung der Fans.“
Kommentare