ÖFB-Teamärztin über Kreuzbandrisse: "Sagen, wenn es zu viel ist"

Zusammenfassung
- Kreuzbandverletzungen im Frauenfußball werden durch anatomische, hormonelle und Belastungsfaktoren begünstigt.
- Prävention umfasst gezieltes Muskel- und Stabilitätstraining sowie das Erlernen korrekter Sprung- und Landetechniken bereits im Jugendalter.
- Für eine sichere Rückkehr nach Kreuzbandriss sind ausreichend lange Rehabilitationszeiten und individuelle Belastungssteuerung entscheidend.
Das ÖFB-Nationalteam der Frauen machte sich am Mittwoch per Bus auf den Weg nach Uherske Hradiste wo es am Freitag gegen Tschechien im Nations-League-Play-off um den Verbleib in Liga A antritt (17.30 Uhr/live ORF 1).
Mit Manuela Zinsberger, Marie Höbinger, Sarah Zadrazil und Lilli Purtscheller fehlen vier wichtige Spielerinnen mit Kreuzbandverletzungen.
Teamärztin Christiane Loinig-Velik sprach mit dem KURIER über ...

Kreuzbandverletzungen (im Bild Englands Beth Mead) kommen bei Fußballerinnen 2-8x häufiger vor als bei Männern
... mögliche Gründe für größere Dichte an Kreuzbandverletzungen bei Frauen
Anatomische Faktoren (breiteres Becken, andere Beinachse, größerer Zug aufs Knie), steigende Belastung im Frauenfußball – mehr Spiele, weniger Regeneration und zu wenige Präventivmaßnahmen könnten Gründe für Häufung sein.
... die noch nicht ausreichend erforschten hormonellen Faktoren
Hormone – also hohe Östrogenwerte vor dem Eisprung – können ein Grund sein, wobei es da die unterschiedlichsten Studienergebnisse gibt. Derzeit läuft eine von der FIFA in Auftrag gegebene Studie in der Kingston-Universität, wo genau das untersucht wird.
... Präventivmaßnahmen
Man kann Maßnahmen ins Training einbauen – mit Fokus auf die Stabilität. Etwa Training der vorderen und hinteren Oberschenkelmuskulatur und Gesäßmuskulatur und natürlich Rumpfstabilität – da soll es kein Ungleichgewicht geben, vereinfacht gesagt. Wichtig ist auch, dass man in der Jugend anfängt: dass die Mädchen (natürlich auch Buben) eine saubere, kontrollierte Sprung- und Landetechnik lernen.
... den Faktor Überbelastung
Die Belastung im Frauenfußball ist enorm gestiegen. Und zwar so schnell, dass man sich kaum adaptieren kann. Für Spielerinnen gibt es zu wenig Regenerationszeit, darauf wird meiner Meinung nach zu wenig geachtet. Viele Spielerinnen studieren nebenbei oder müssen arbeiten, weil sie nicht so gut verdienen wie ihre männlichen Kollegen. Da fehlt oft die Zeit für Regeneration.
... über das Thema Kreuzbandriss in den Köpfen der Teamspielerinnen
Wir haben im Team kurzfristig wirklich zahlreiche Ausfälle wegen Kreuzbandverletzungen gehabt. Ich glaube schon, dass sich die Spielerinnen damit befassen. Wir haben eine Psychologin mit im Team, die mit den Mädels auch in diese Richtung arbeitet. Die Spielerinnen gehen ganz unterschiedlich damit um.
... die Abstimmung des Trainings auf individuelle Voraussetzungen bei den ÖFB-Lehrgängen
In der Woche, bevor wir uns treffen, füllen die Spielerinnen jeden Tag in der Früh einen Fragebogen aus. Da fragen wir die aktuelle Tagesverfassung ab: wie geht es dir heute, wie geht es nach einem Spiel bezüglich der Belastung etc. Die aktuelle Spielerinnengeneration hört schon sehr stark auf den eigenen Körper. Dieses Selbstvertrauen ist wichtig. Auch junge Spielerinnen sollen wissen und sagen, wann es zu viel ist und wann man ein bisschen reduzieren muss.
... die optimale Rehabilitationszeit
Ein operiertes Knie ist anfälliger für weitere Verletzungen. Deswegen ist es auch so wichtig, nicht zu früh zurückzukommen. Meistens sind es zwischen neun und zwölf Monate. Vor der Rückkehr machen wir unter anderem isokenetische Tests, um den Status quo der Gelenke und Muskulatur für einen Wiedereinstieg festzustellen. Erst bei entsprechenden Ergebnissen wird das Go für das Back-to-Play gegeben.
Kommentare