Vor der WM in Katar: "Einige haben Angst ihren Job zu verlieren"
Ob Österreich an der WM in Katar teilnehmen wird, weist sich erst Ende März in den Play-offs. Gespannt wartet der ÖFB auf die diesbezügliche Auslosung am 26. November. Im Jahr 2019 machte sich der Verband allerdings schon ein genaues Bild vom Fußball im kleinen Wüstenstaat, denn im Rahmen der FIFA-Klub-WM konnte ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer in offizieller Funktion auch einen Blick hinter die Kulissen wagen.
Was hat die Klub-WM in Hinblick auf die WM gebracht?
Thomas Hollerer: Sie war ein perfekter Testlauf und hat den Veranstaltern gute Erkenntnisse gebracht in Hinblick auf die Fan- und Besucher-Ströme.
Bei der WM werden aber wesentlich mehr Fans im Land sein.
Natürlich. Aber man hat vom Prinzip her gesehen, wie man am Besten mit Fan-Gruppen umgeht. Diese Abläufe wird man brauchen, wenn dann vielleicht 10.000 Brasilianer oder 10.000 Fans aus einem europäischen Land in Katar sein werden. Jeder Kontinent hat seine Eigenheiten, was die Fans betrifft. Die Klub-WM war aber nur ein Event von mehreren, die als Tests dienten, wie zum Beispiel auch die Leichtathletik-WM.
Was erwartet die Fans konkret im November 2022?
Relativ angenehmes Wetter zwischen 20 und 25 Grad, eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur wie selbstfahrende U-Bahnen oder ein top ausgebautes 5-G-Handynetz. Die Technologie wird am letzten Stand sein. Man hat den Eindruck, dass sich Katar über die WM öffnen will. Dennoch darf man nicht vergessen, dass das Turnier in einem arabischen Land ausgetragen wird, wo eigene Regeln gelten, an die man sich halten sollte.
Welche Herausforderungen wird es geben?
Es wird sich alles auf sehr engem Raum in Doha und der unmittelbaren Umgebung abspielen, die WM wird etwas ganz anderes werden als sonst. Der öffentliche Transport wird dabei eine wesentliche Rolle spielen.
Wird es für die Fans Alkohol geben?
Bei der Klub-WM 2019 gab es in den Fanzonen Cider und Leichtbier, auch in Hotels, die eigene Lizenzen dafür haben. Ähnliches kann man auch 2022 erwarten.
Am Veranstalter Katar gibt es in vielerlei Hinsicht Kritik. Inwiefern interveniert der ÖFB dabei?
Wir verfolgen als Verband eine klare Linie, arbeiten mit Amnesty International und der österreichischen Regierung zusammen. Wir pflegen dabei einen engen Kontakt mit dem Außenministerium, wo wir auch konkret Dinge ansprechen, wenn sie valide dokumentiert vorliegen. Wir versuchen dabei zu helfen, den Transformationsprozess in dem Land voranzutreiben.
Inwieweit konnten Sie in Ihrer offiziellen Mission überhaupt hinter die Kulissen blicken? War nicht alles im Vordergrund eine glänzend heile Welt?
Man kann durchaus hinter die Kulissen blicken, nämlich dann, wenn es gelingt, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Dazu braucht es aber einmal viel Vertrauen. Einige haben zu Beginn Skepsis und auch Angst, ihren Job zu verlieren. Mir wurde als Offiziellen der FIFA ein Fahrer zugeteilt, ein Gastarbeiter aus Indien.
Was hat er erzählt?
Dass sich manche Dinge – wie die Arbeitsbedingungen – schön langsam verändern. Und dass es wichtig ist, dass nach der WM der Fokus nicht wieder komplett verschwindet, denn dann könnte der Prozess schnell wieder rückgängig gemacht werden. Es ist daher wichtig, dass die Veränderungen nachhaltig bleiben. Es wäre schlimm, wenn in zwei Jahren alles wieder still und heimlich abgedreht werden sollte.
Im Vorfeld der WM wurde immer wieder ein Boykott gefordert. Was halten Sie davon?
Ich glaube, das wäre der falsche Zugang. Vielmehr sollte man die WM dazu nützen, nachhaltige Verbesserungen im Land zu erzielen. Das ist auch die Intention des ÖFB. Denn man hat gesehen, was von der WM 2010 in Südafrika geblieben ist.
Herzlich wenig.
Eben. Und das muss man hier verhindern.
Was spricht denn eigentlich für eine WM in Katar?
Das muss man in erster Linie die FIFA fragen. Es war ein Fehler, die WM grundsätzlich für den Sommer 2022 bei 50 Grad zu planen. Das hat man korrigiert. Ein Vorteil sind die kurzen Wege, wo sich Fans theoretisch zwei Spiele an einem Tag ansehen können, da die Stadien nicht weit auseinander liegen. Mit den öffentlichen Transportmitteln kann man sich bequem und flott bewegen.
Wie wichtig wäre eine Teilnahme Österreichs, um in Katar etwas zu verändern?
Aus sportlicher Sicht braucht man nicht extra zu erwähnen, welche Bedeutung und Wichtigkeit das für Österreich und den ÖFB hätte. Und ja, als teilnehmende Nation hätte der ÖFB im Hintergrund natürlich mehr Einfluss auf mögliche Verbesserungen im Land. Das würde sehr helfen.
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