Marc Janko: "Ein mündiger Spieler soll seinen Mund aufmachen dürfen"

KURIER-Kolumnist Marc Janko.
"MARCant": Immer wieder werde ich dann mit der Frage konfrontiert, ob ein gut bezahlter Profisportler sich überhaupt aufregen darf. Ja, er darf!

Marko Arnautovic reiste nach fast einem Jahr Pause aus China zum Team an, so wie ich früher als Australien-Legionär aus Sydney eingeflogen bin. Fakt ist, dass du aufgrund der Zeitverschiebung nicht zu 100 Prozent im Besitz deiner Kräfte sein kannst. Viel wichtiger ist aber ohnehin in so einer Situation der Wille, dieses Spiel zu absolvieren – sonst würde Marko diese Strapazen auch nicht auf sich nehmen.

Ich glaube, dass er noch den einen oder anderen Rekord im Nationalteam knacken will, was die Anzahl der Spiele und der Tore betrifft. Sofern er natürlich gesund und fit bleibt. Man darf sich aber nicht vorstellen, dass Marko nun körperlich gehandicapt in Wien landet.

Die Zeit umgestellt

Für mich waren die Flüge nach Europa einfacher wegzustecken als umgekehrt. Nach der Landung in Sydney habe ich einige Tage benötigt, um wieder den normalen Rhythmus zu finden. Vor jedem Flug nach Österreich habe ich mich akribisch darauf vorbereitet und bin die letzte Nacht in Australien daheim wach geblieben, um schon nach der europäischen Zeit zu leben. Dazu habe ich viele Vitamin-Präparate eingenommen und im Flugzeug extrem viel getrunken. Ich kann mir somit durchaus vorstellen, dass Marko beide Spiele in Wien absolvieren wird.

Zuletzt vernahm ich von meinem früheren Teamkollegen Marcel Sabitzer Kritik am dichten Spielplan und an den Testspielen. Immer wieder werde ich dann mit der Frage konfrontiert, ob ein gut bezahlter Profisportler sich überhaupt aufregen darf. Ja, er darf!

Mündige Spieler

Ein mündiger Spieler soll sogar seinen Mund aufmachen und manche Dinge hinterfragen dürfen. Denn es ist auch sein Körper, der an physiologische Grenzen stößt. Und da können mir Leute, die ihre Kritik an den Fußballern mit deren Verdienst begründen, durchaus gestohlen bleiben. Der gedrängte Spielplan des Herbstes ist ein Wahnsinn, Leidtragende sind natürlich die Spieler.

99 Profis der Premier League in England sind aktuell verletzt, ein unfassbarer Wert. Profis wissen, dass es jeden Moment in ihrem Körper einen Schnalzer machen kann, der womöglich die Karriere beendet. Fußballer laufen in dieser Phase körperlich schon oft im roten Bereich. Diesen Umstand wird ein mündiger Spieler wohl noch ansprechen dürfen.

Die TV-Einschaltquote beim Testspiel gegen Luxemburg betrug knapp mehr als 400.000, ein sehr überschaubarer Wert. Wenn jeden Tag Weihnachten wäre, würde es für Kinder an Reiz verlieren. Wenn jeden Tag Fußball ins Wohnzimmer serviert wird, dann macht auch hier die Dosis das Gift. Der Fußball schreitet in der aktuellen Phase auf einem Grat zwischen dem Privileg, spielen zu dürfen, und der Aufgabe, Menschen Abwechslung zu geben.

Von den zwei Spielen in der Nations League gegen Nordirland und Norwegen erwarte ich mir ähnlich solide Vorstellungen wie zuletzt. Die Fans wollen freilich Siege und schönes Spiel bejubeln. Ein Haar in der Suppe ist viel, ein Haar auf dem Kopf ist wenig. Alles nur eine Frage der Perspektive. Unterm Strich ist Fußball ein Ergebnissport, bei dem auch der Anhänger tendenziell lieber gewinnt. Unser Team wird den ersten Platz in der Gruppe verteidigen, weil es auch die beste Mannschaft dieser Gruppe ist.

Marc Janko ist Fußball-Experte bei Sky – der 36-Jährige spielte 70-mal für das Nationalteam und erzielte 28 Tore.

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