Kritik an Katar: "Dem Westen fehlt eine Art der Selbstreflexion“

Kritik an Katar: "Dem Westen fehlt eine Art der Selbstreflexion“
Politologe Danyel Reiche erforscht in Doha den gesellschaftlichen Wandel im Emirat und den Einfluss der WM. Boykottrufe aus Europa sieht der Deutsche zum Teil kritisch.

KURIER: Herr Professor Reiche, wie haben Sie die Debatten um die WM-Proteste wahrgenommen?

Danyel Reiche: Als Fußballfan finde ich es schade, dass es so starken Druck von der Öffentlichkeit auf die Spieler gegeben hat. Ansonsten erkenne ich in vielen westlichen Ländern das Fehlen einer gewissen Art der Selbstreflexion.

Was meinen Sie damit?

Am Ende gibt es diese Debatte in einer Handvoll Ländern. Im gesamten globalen Süden, in Afrika und Asien, gibt es diese Debatte nicht in der Form. Der negative Höhepunkt war die Ankündigung Dänemarks, zu prüfen, die FIFA zu verlassen.

Kritik an Katar: "Dem Westen fehlt eine Art der Selbstreflexion“

Danyel Reiche

Danyel Reiche, geboren 1972, ist Professor für vergleichende Politikwissenschaft mit den Schwerpunkten Sport und Energiepolitik. Seit zwei Jahren lehrt und forscht der Deutsche am Campus der Georgetown Universität in Doha, wo er eine Studiengruppe zum Einfluss der Fußball-WM leitet. Zuvor arbeitete er zwölf Jahre lang im Libanon. Reiche, der mit seiner Familie in Katar lebt, ist großer Fußballfan und sympathisiert mit dem Klub Hannover 96.
 

Was wäre die Konsequenz?

Durch eine Abspaltung verliert man völlig die Kontrolle, was in der Welt passiert. Ich habe die Sorge, dass einige westeuropäische Länder sich isolieren. Das wäre fatal für den Sport. Statt Boykottaufrufen wäre es sinnvoller, Allianzen mit dem globalen Süden zu schmieden. Man kann nicht erwarten, dass alle Länder der Welt es auf Knopfdruck eins zu eins so machen wie wir. Europa hat selbst lange gebraucht, um seine Werte durchzusetzen, auch gegen Widerstände. Wissen Sie, in welchem Deutschland ich aufgewachsen bin?

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