Bürger zweiter Klasse: Die ungewisse Zukunft von Katars Fußballern
Ohne Öl wäre der Fußball in Katar nicht vorstellbar. Dieser Satz hat ausnahmsweise nichts mit den sprudelnden Geldquellen im Emirat zu tun. Als der Ball in der kargen Wüstenlandschaft in den 1940ern zu rollen begann, diente das schwarze Gold als Spielfeldmarkierung auf den staubigen Sandböden.
Erzählt wird diese Geschichte derzeit im Rahmen der Ausstellung „75 Jahre Fußball in Katar“ im vielleicht wichtigsten Fußballstadion des Landes, von dem nur kaum jemand Notiz nimmt während der derzeit laufenden WM-Endrunde.
Das Doha Sports Stadium mit dem gepflegten Rasen und der frisch renovierten Haupttribüne für bestenfalls 1.000 Besucher liegt im alten Herzen der Hauptstadt. Keine zehn Minuten zu Fuß sind es von hier zum Souq Waqif, dem traditionellen Basar.
Die Anlage war und ist ein Platz der Begegnung in der Stadt. In den 70er-Jahren füllten die Weltstars Pelé mit seinen Kickerkollegen vom FC Santos oder Boxer Muhammad Ali bei einem Schaukampf die Ränge, heute kann jedermann für umgerechnet ein paar Dutzend Euro das Fußballfeld mieten. Das Angebot in Anspruch nehmen an vielen Abenden in diesem November viele Gastarbeiter aus Südostasien und Afrika.
Deren Einsatz prägt nicht nur den katarischen Alltag, sondern auch den Sport im Land. Undenkbar ohne sie wäre Katars Fußball-Nationalmannschaft, die gestern gegen den Senegal ihr zweites WM-Vorrundenspiel bestritt.
Wie bereits zum Auftakt gegen Ecuador (0:2) war auch gegen den Afrika-Cup-Sieger ein Klasseunterschied festzustellen. Nach dem 1:3 und dem Remis zwischen Niederlande und Ecuador war für Katar das Vorrunden-Aus als bisher schlechtester Gastgeber der Geschichte traurige Realität. Von der zarten Aufbruchstimmung, die nach dem überraschenden Gewinn der Asien-Meisterschaft 2019 herrschte, ist nicht mehr viel übrig.
Es war ein ehrgeiziges und aufwendiges Projekt, das der katarische Verband initiierte, um aus dem Land, das lediglich 300.000 Staatsbürger zählt, sportlich einen halbwegs soliden WM-Teilnehmer zu machen. Da die FIFA über strengere Regelungen bei Nationenübertritten verfügt als viele andere Weltverbände, musste das Emirat neue und lange Wege gehen. Doch zwei Sachen hatte Katar ja noch: Zeit, nachdem die WM-Vergabe bereits 2010 erfolgt war, und Geld. Viel Geld.
Üppig damit ausgestattet wurde die Aspire Academy. Seit 2004 werden auf der gigantischen Sportanlage die besten Sportler des Landes aus- und weitergebildet.
Katar-Teamchef Félix Sánchez ist seit 2006 an der Akademie tätig, zuvor war der Spanier zehn Jahre lang in der Nachwuchsabteilung des FC Barcelona engagiert. Statt trainiert haben er und sein Team zunächst viel gescoutet – Zigtausende Talente vor allem im afrikanischen Raum. Nur in jungen Jahren oder nach langem, regelmäßigem Aufenthalt im Land ist bei der FIFA ein Nationenwechsel möglich.
Was nach der WM mit den Spielern passiert, ist unklar. Die Mehrheit des Kaders wurde nicht in Katar geboren oder hat ausländische Eltern, weshalb die Nationalkicker weiter nicht gleichgestellt sind mit Staatsbürgern. Die Aufenthaltsbewilligungen sind befristet – und die Chancen, dass die sogenannten „Missionspässe“ aufgewertet werden, gleich null. Pro Jahr genehmigt das Emirat nur rund 50 Einbürgerungen.
Wer auserwählt wird, genießt enorme Privilegien. Der Staat bezahlt Gesundheitsvorsorge, Energiekosten sowie Uni-Stipendien. Nach der Ausbildung sind gut bezahlte Staatsjobs „reserviert“. All das scheint weit weg für die meisten, viel näher ist da das nächste Spiel im Doha Sports Stadium. Vielleicht schon wieder heute Abend.
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