Janko über das EM-Finale: "Eine menschliche Fehleinschätzung"
Österreich ist im Achtelfinale letztlich gegen den Europameister ausgeschieden. Es gibt einem durchaus ein gutes Gefühl zu wissen, dass sich auch andere, als stärker eingestufte Teams die Zähne an den Italienern ausgebissen haben. Österreich hat ein sehr gutes Turnier gespielt und einen Schritt gesetzt, dem hoffentlich viele weitere nun folgen werden. Vor allem in der WM-Qualifikation im Herbst.
Im Prinzip kann man fast an alle Teams bei dieser EURO ein kollektives Kompliment aussprechen, weil die Befürchtung einer müden EM mit ausgelaugten Spielern nicht Realität geworden ist. Wir haben temporeiche Partien mit vielen Toren gesehen, was mir als ehemaligem Stürmer freilich besonders gut gefällt.
Würdiger Sieger
Italien ist ein würdiger Europameister, hat eine beeindruckende Serie an Spielen ohne Niederlage vorzuweisen, die nicht von ungefähr kommt und letztlich auch zum Erfolg führte. Im Finale hatten sie in der ersten Hälfte große Probleme mit den Engländern, vor allem mit den hochstehenden Flankenspielern Shaw und Trippier.
England wollte nach meinem Geschmack die Führung zu sehr verwalten, ließ Italien damit zurück ins Spiel kommen. In der regulären Spielzeit waren die Azzurri in Folge dem zweiten Tor sogar etwas näher als England.
Auch zum Elferschießen habe ich eine klare Meinung. Aus Sicht Englands kann ich als Teamchef nicht zwei Spieler wie Sancho und Rashford, die das ganze Turnier mehr oder weniger links liegen gelassen wurden, dann im letzten Moment eintauschen und erwarten, dass ausgerechnet diese Youngsters es dann richten. Eine menschliche Fehleinschätzung von Southgate.
Forza und devastated - Reaktionen nach EM-Finale
Unwürdige Aktionen
Bestürzt bin ich von rassistischen Tweets gegen die drei jungen englischen Spieler, die die Elfmeter verschossen haben. Mir fehlen fast die Worte, weil es dermaßen unfassbar für mich ist, dass so etwas nach wie vor passiert. Ebenso irritiert bin ich davon, dass bei der EURO wieder das Ausbuhen und Auspfeifen der Hymne des Gegners salonfähig geworden ist. Vielleicht ist das auch ein Resultat der Pandemie, wo sich jeder selbst am Nächsten ist, so seinen Vorteil generieren will.
Bei den beiden Finalisten haben wir eine Systemumkehr erlebt. Italien wählte über das Turnier den offensiveren Zugang, die Engländer einen defensiveren. Hätten sie gegen Italien nach der Führung genau so weitergespielt, wäre ihnen wahrscheinlich das zweite Tor gelungen. Hätte, wäre ...
Marc Janko ist Fußball-Experte bei Sky – der 38-Jährige spielte 70-mal für das Nationalteam und erzielte 28 Tore.
Twitter: @JankoMarc
Instagram: @marcjanko
Facebook: @MarcJanko
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