"Elfmeter-Fluch" und Rassismus-Eklat: Eine Fußballnation ringt um Haltung
Forza und devastated - Reaktionen nach EM-Finale
Es ist ja nicht so, dass es das erste Mal gewesen wäre.
1996 verschoss Gareth Southgate den entscheidenden Elfmeter im EM-Halbfinale - im Wembley Stadion. Diesmal wollte er alles richtig machen. Schießlich vergab England von den neun entscheidenden Elfmeterschießen der letzten 31 Jahre gleich sieben. Die Nation war also vorgewarnt.
Also wechselte Southgate, inzwischen Trainer der "Three Lions", gleich zwei Spieler extra für das Elfmeterschießen ein. Eine Entscheidung, die ihm tags darauf viel Kritik einbrachte. Aber dass gleich beide Spieler, Marcus Rashford und Jadon Sancho, vergeben würden, hätte sich Englands Teamchef wohl auch nicht träumen lassen.
Was im Anschluss in den sozialen Medien passierte, wohl ebenfalls nicht. Statt Unterstützung der Fans setzte es dort zahlreiche rassistische Beschimpfungen für die drei jungen Spieler, die die Elfmeter vergeben hatten. Dergestalt, dass sich sogar die FA und Boris Johnson schützend vor die Spieler stellen mussten.
"Die FA verurteilt alle Formen von Diskriminierung und ist erschüttert über den Rassismus online, der in den sozialen Netzwerken auf einige unserer England-Spieler zielt", hieß es in einer in der Nacht zu Montag verbreiteten Stellungnahme.
"Wir könnten nicht deutlicher machen, dass jeder, der hinter solch widerlichem Verhalten steckt, als Anhänger unseres Teams nicht willkommen ist. Wir werden tun, was wir können, um die betroffenen Spieler zu unterstützen und drängen zugleich auf die härtest möglichen Strafen für jeden, der verantwortlich ist", schrieb die FA weiter.
Nach Angaben der US-Nachrichtenagentur AP ermittelt die Londoner Polizei wegen "beleidigender und rassistischer" Nachrichten in den sozialen Netzwerken.
Auch der englische Premierminister Boris Johnson und Prinz William äußerten sich zum Rassismus-Eklat und teilte seine Ansichten auf Twitter. "Dieses englische Team verdient es, als Helden gelobt und nicht in den sozialen Medien rassistisch missbraucht zu werden. Die Verantwortlichen für diesen entsetzlichen Missbrauch sollten sich schämen."
Dass die "Three Lions" den Titel im heimischen Stadion verpassten, war für Johnson "herzzerreißend", doch diese Truppe habe "Geschichte geschrieben".
"Die rassistischen Attacken, die nach dem Spiel gestern Abend gegen englische Spieler gerichtet waren, machen mich krank", sagte Prinz William zu den Vorkommnissen.
Premier-League-Klubs solidarisiert mit den Spielern
Nach dem Rassismus-Eklat rund um die Elfmeterschützen Jadon Sancho, Marcus Rashford und Bukayo Saka, setzten mehrere Vereine ein klares Anti-Rassismus-Zeichen. "See racism, see red. See it. Report it. Stop it.", postete der englische Vizemeister am Montag auf deren Instagram-Vereinspage.
Der FC Arsenal, Sakas Spielstätte, äußerte sich in einem deutlichen Statement zu den Vorfällen rund um das verlorene EM-Finale. Gemeinsam will man ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen und Vorfälle in Zukunft härter bestrafen.
Ungarn wurde nach den Vorkommnissen in der EM-Gruppenphase bereits zu einer Geldbuße von 100.000 Euro und zwei Geisterspielen verurteilt worden. Französische Spieler waren teils wüst rassistisch beschimpft worden, so wurde von Affenlauten gegen Kylian Mbappe berichtet. Auch Angreifer Karim Benzema, der algerische Wurzeln hat, soll verbal angepöbelt worden sein.
Southgate zu Elferschießen: "Meine Entscheidung"
Englands Teamchef stellte sich am Montag vor seine Spieler: "Es ist meine Entscheidung, (Saka, Anm. d. Red.) diesen Elfmeter zu geben" betonte Southgate. "Es liegt nicht an ihm, Marcus oder Jadon. Wir haben es im Training durchgespielt. Das ist die Reihenfolge, zu der wir gekommen sind", erklärte der Nationalcoach. Rashford und Sancho seien "mit Abstand die Besten" im Training gewesen, so der 50-Jährige.
Der 19 Jahre alte Saka vom FC Arsenal hatte im verlorenen Finale gegen Italien den letzten Elfmeter vergeben. Zuvor hatten bereits der 23 Jahre alte Rashford von Manchester United und der 21 Jahre alte Sancho verschossen. Nur die beiden ersten Schützen Englands trafen ihre Versuche. Italien gewann das Elfmeterschießen 3:2.
Auch im Stadion selbst war es schon während des Spiels zu unschönen Szenen gekommen, als Fans versuchten, ohne Tickets in das Stadion zu gelangen.
In Videos waren hässliche Szenen zu sehen, die Schlägereien an den Eingängen zum Stadion zeigten. Ein kurzes Video, das Montagvormittag bereits mehr als 9,3 Millionen Mal angesehen worden war, zeigt, wie offenbar Zivil-Personen den Ordnern helfen, die Eindringlinge zurückzuhalten. Dabei kommt es zu wilden Prügelattacken von englischen Fans, die es bereits ins Stadion geschafft hatten.
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