Italiens Torhüter-Legende Dino Zoff fehlt der Kick im Fußball
Die italienischen Medien rätseln weiter über die von Real-Madrid-Präsident Florentino Perez und Juve-Boss Andrea Agnelli in einer Nacht-und-Nebel-Aktion angekündigten Gründung einer Super League, von der 48 Stunden später nur mehr die Scherben übrig waren.
Über den Haufen gerannt wurde das Projekt von den Fans, allen voran den britischen. Auch die Politik wetterte dagegen, mit dem britischen Premier Boris und Johnson und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron an der Spitze. Die Medien können es nicht fassen, dass Perez und Agnelli die Reaktion nicht vorausgesehen hatten.
Beliebter Held
Auch eine Ikone des italienischen Fußballs, wie der ehemalige Tormann Dino Zoff, kann sich die Aktion nicht erklären. Zoff, hier in Italien auch „Dino Nazionale“ genannt und mittlerweile 79 Jahre alt, ist auch den jungen Tifosi immer noch ein Begriff.
Noch immer wird Dino Zoff auf der Straße aufgehalten und angesprochen und den Enkelkindern von den Großvätern als wandelnde Legende vorgestellt. „Mich freut das natürlich“ sagt er im Gespräch mit dem KURIER. „Ist doch schön wenn sich die Leute nach so langer Zeit noch immer an einen erinnern. Das bedeutet, dass ich meine Arbeit doch gut gemacht habe.“
Große Erfolge
Dino Zoff stand von 1972 bis 1983 für Juventus im Tor und trug dazu bei, dass sich die „Alte Dame“ sechs Meisterschaften, zwei Coppe Italia und 1977 auch den UEFA-Cup nach Hause holte. Wofür ihn die Italiener aber ewig lieben werden ist, dass auch dank ihm Italien bei der WM 1982 das Finale gegen Deutschland mit 3:1 gewann. Der Moment, in dem Zoff als Kapitän den Pokal in die Luft hob, wurde sogar auf einer Briefmarke verewigt.
Was Dino Zoff bei der Super-League-Affäre so stutzig macht, ist ihr abruptes Scheitern nach nicht einmal 48 Stunden. Er selbst war grundsätzlich nicht gegen die Pläne einer Super League. „Aber ich wollte vor allem wissen, was aus unserer Serie A werden würde.“
Riesiges Business
Denn eines hätte er nie und nimmer akzeptiert: wenn die italienische Liga durch die Super League einen Schaden davongetragen hätte. Und nichts anderes wäre der Fall gewesen, wenn die italienischen Teilnehmer der Super League wie von der UEFA angedroht aus der Serie A ausgeschlossen worden wären bzw. die Kicker nicht mehr für die Nationalteams spielen hätten dürfen. „Beides wäre natürlich absurd gewesen“, sagt Zoff. „Einmal abgesehen davon, dass man einem Fußballer nicht verbieten kann seinen Beruf auszuüben.“
Juve-Boss Andrea Agnelli hatte Mittwoch in einem Interview gesagt: „Fußball ist kein Spiel mehr, sondern eine Wirtschaftssparte.“ Die Fans scheinen diese Meinung nicht zu teilen. „So könnte man es sagen, es stimmt aber nur zum Teil“, erwidert Zoff. „Freilich lebt dieser Sport noch von Leidenschaft, Zugehörigkeit. Andererseits, wenn man die Fans begeistern will, muss man auch Geld haben um in Spieler zu investieren. Man kann das eine nicht vom anderen trennen.“
Geringe Faszination
Wobei das mit der Faszination heute nicht mehr so wie früher sei. Besonders in Zeiten von Geisterspielen. Auch für diejenigen, die die Spiele im Fernsehen verfolgen, gehören die Fans, die Plakate, die Chöre zum Fußballspektakel dazu. Aber das sei nicht der einzige Grund, weswegen ihm oft der gewisse Kick fehle. „Es ist so, als gäbe es nicht mehr den leidenschaftlichen Wunsch zu gewinnen.“
In den Augen von Zoff fehlen dem heutigen Fußball „Fantasisti“ wie Roberto Baggio und Francesco Totti. So werden in Italien Fußballer genannt, die die Tifosi mit ihrem Spiel begeistern, ja regelrecht verzaubern. „Ich bin gespannt, wie sich unsere Nationalmannschaft bei der EM schlagen wird.“
2018 konnte sich die Squadra Azzurra nicht einmal für die Weltmeisterschaft in Russland qualifizieren. Diesmal hat sie den Großteil der Qualifikationsspiele gewonnen, „deswegen bin ich guter Dinge, sie ist gut aufgestellt, wobei ich natürlich zugeben muss, dass viele der Gegner bei den Qualifikationen nicht zur ersten Liga gehörten.“
Das was ihn an dieser Europameisterschaft nicht wirklich überzeugt, ist die Aufteilung der Spiele auf zwölf Staaten. „Mag aber sein, dass ich zu alt bin, um mich dafür zu begeistern“, legt er ein. Alles ändert sich halt. “
Enorme Challenge
Auch die kommende Weltmeisterschaft im Jahr 2022 im Katar stellt ein absolutes Novum dar. Zum ersten Mal wird im Winter statt wie üblich im Sommer gekickt. „Na ja, der Fußball soll halt immer mehr zu einem globalen Phänomen werden“ stellt Dino Zoff nüchtern fest.
Das Risiko, dass die Verschiebung der Weltmeisterschaft auf die Wintermonate zu einer weiteren Entfremdung von Fußball und Fans führen könnte, schätzt der Weltmeister von 1982 aber gering ein. Immerhin würden ja auch die Fußballmeisterschaften zum Teil im Winter gespielt werden.
Damit mag Dino Zoff möglicherweise recht haben. Viele italienische Tifosi befürchten jedoch, dass 2022 in Katar die „Notti magiche“, wie Gianna Nannini und Edoardo Bennato bei der Heim-Weltmeisterschaft 1990 in Italien sangen, doch ein wenig an Zauber verlieren könnten.
Privat
Einer der besten Tormänner der Geschichte wurde am 28. Feber 1942 in Mariano del Friuli geboren. Er war Sohn eines Landwirts und Automechaniker.
Spieler
Zoff spielte ab 1961 bei Udine, Mantova und Neapel. Vor 1972 bis 1983 wurde er mit Juventus sechs Mal Meister und gewann den UEFA-Cup (1977). Mit dem Nationalteam gewann er 1968 die EM und 1982 die WM (er ist noch immer der älteste Weltmeister). Zoff bestritt 112 Länderspiele. Sein letztes Spiel war das verlorene Meistercup-Finale gegen den HSV 1983.
Trainer
Er coachte Juventus, Lazio Rom, Fiorentina und das Nationalteam, mit dem er 2000 EM-Zweiter wurde. Juventus holte unter seiner Leistung den UEFA-Cup (1990).
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