Die Rückennummer 9 steht im Fußball seit jeher für Tore. Getragen von Strafraumstürmern mit dem richtigen Riecher. Spieler, die oft dort stehen, wo der Ball herunterfällt und die es verstehen, das Runde ins Eckige zu befördern.
Österreichs Fußball hatte mit Hans Krankl einst einen Mann von Welt auf dieser Position und eine Generation später den nicht minder torgefährlichen Toni Polster. Seit der Jahrtausendwende sucht man in Österreich auf dieser Schlüsselposition allerdings vergeblich nach einem Mann von internationalem Format. Einzig Marc Janko kann von sich behaupten, diese Lücke einigermaßen gefüllt zu haben.
Allerdings: Ein aktueller Blick auf den österreichischen Torjägermarkt wirkt vielversprechend. Die Herren Ercan Kara, Sasa Kalajdzic, Alexander Schmidt, Adrian Grbic und Marko Raguz geben Anlass zur Hoffnung, dass Österreichs Fußball im bevorstehenden Jahrzehnt auf der Position des Goalgetters versorgt sein wird. Alle fünf verkörpern die klassische Nummer 9 im durchaus modernen Sinn. Denn die Anforderungen an einen Mittelstürmer sind im Wandel der Zeit nicht weniger geworden.
Neben dem Torabschluss treten vor allem physische Komponenten mehr und mehr in den Mittelpunkt. Schnelligkeit, sowie die Bereitschaft zu vielen hochintensiven Läufen ist gefragt. Eigenschaften, die jeder Einzelne im auserwählten Quintett mitbringt.
Ercan Kara: Der Brecher aus Ottakring
Der Rapidler ist der wuchtigste Mann dieses Quintetts und das, was man im Fußball einen Brecher nennt. Kara schont im Luft- und Zweikampf weder sich noch den Gegner und kann mit seiner physischen Spielweise den gegnerischen Verteidigern schon einmal die Schneid abkaufen. Diese Leidenschaft, die er auch an den Tag legt, wenn der Gegner den Ball hat, macht ihn zu einem sehr mannschaftsdienlichen Stürmer, der – je näher er dem gegnerischen Tor kommt – wiederum lieber selbst den Abschluss sucht.
Technik und Passspiel sind nicht ganz so elegant wie bei Kalajdzic, aber sauber und solide. In Verbindung mit seinem wuchtigen Körper kann er Bälle mit dem Rücken zum Tor sichern, für Entlastung sorgen, Mitspieler einsetzen und durch seine Schnelligkeit auch im Konter für Gefahr sorgen. Ein wenig Luft nach oben bleibt in puncto Präzision im Kopfballspiel.
Was fehlt, ist eine Einberufung durch den Teamchef. Erfolgt diese nicht schon Mitte März, könnte sich der gebürtige Wiener aus Ottakring für die Türkei entscheiden.
Der beste Techniker in dieser Reihe lernte beim SV Donau, Donaufeld und ab 16 bei der Admira das Kicken. Als zentraler Mittelfeldspieler mit vielen Ballkontakten, wodurch sich mitunter auch seine elegante Ballbehandlung erklären lässt. In der Südstadt wurde er zum Stürmer umfunktioniert, und weil er trotz seines Wachstumsschubes und Schuhgröße 47 beweglich blieb und nicht an Schnelligkeit einbüßte, verkörpert er heute einen Stürmertypen, der auf der ganzen Welt gesucht wird.
Seine Größe von exakt zwei Metern verleiht ihm beim Abdecken des Balles die Spannweite des Bundesadlers, den er schon zwei Mal auf der Brust tragen durfte. Er hat ein präzises Kopfballspiel und ein gutes Spielverständnis. Bei seinen elf Saisontoren in Stuttgart war er mit Gefühl ebenso erfolgreich im Torabschluss wie mit Wucht.
Dass der linke Fuß nicht ganz so stark ist wie der rechte und er ab und zu verspielt ist, sind keine wirklichen Schwächen. Zu viel des Lobes? Kalajdzic hält das aus, denn in luftiger Höhe stimmt’s auch im Oberstübchen.
Alexander Schmidt: Ein Sprinter mit feiner Technik
Der Wiener hatte es nicht immer leicht. Auf dem Weg zum Profi wurde der Stürmer in seiner Jugend von unzähligen Verletzungen zurückgeworfen. In St. Pölten ist dem Sohn einer Österreicherin und eines Senegalesen jetzt aber der Knopf aufgegangen. Vor allem in der Kernkompetenz der Mittelstürmer, dem Toreschießen. Zehn Treffer in 16 Bundesligaspielen sind Beweis genug.
Der 22-Jährige verfügt über eine hervorragende Technik. Er wartet nicht vorne auf die Pässe seiner Mitspieler, sondern bewegt sich geschickt und lässt sich im Ballbesitz gerne in den Raum des Zehners fallen, wo er oft ins Spiel eingebunden ist. Mit 32,3 km/h ist er der Schnellste in der Runde und dadurch auch im Konter gefährlich.
In der Akademie von Red Bull Salzburg hat er auch die Laufwege im Spiel gegen den Ball bestens gelernt, zu schade für Defensivarbeit ist er sich nicht. Zu verbessern ist sein Kopfballspiel, sowohl im Strafraum als auch bei langen Bällen. Im kommenden Sommer ist die Rückkehr zum LASK geplant, wo er noch bis 2023 gebunden ist.
Adrian Grbic: Der Legionär mit dem Gewaltschuss
Der Legionär des FC Lorient im Westen Frankreichs hat seinen vier Kollegen eines voraus: Er hat schon für Österreich getroffen. Mehr noch: Seine Bilanz von vier Toren in sieben Länderspielen ist beachtlich. Was den Wiener auszeichnet, der mit 16 Jahren von Rapid nach Stuttgart gewechselt ist: neben seinem starken Abschluss auch seine Schussgewalt aus der Distanz, wodurch er auch ein gefährlicher Freistoßschütze ist.
Er gilt als spielstark und sucht gerne den Sprint in die Tiefe, kann auch über die Seiten ausweichen und ist damit kein reiner Mittelstürmer. In der Jugend spielte er vorwiegend am linken offensiven Flügel. Im Ausland – vor Lorient spielte er in Frankreich bei Zweitligist Clermont – legte er körperlich zu und lernte auch, Bälle zu behaupten. Sein Kopfballspiel ist nicht ausgezeichnet, aber solide. Luft nach oben hat der linke Fuß.
Die Chancen auf ein EM-Ticket im Kader von Franco Foda sind ob seiner bisherigen Team-Auftritte enorm groß. Und das, obwohl er bei seinem Klub aktuell vorwiegend als Joker zum Einsatz kommt.
Ein Haken mit rechts, ein wuchtiger und präziser Schuss mit links. Bei einem seiner bisher schönsten Tore im Profifußball im Oktober 2019 gegen Sporting Lissabon demonstrierte der Knipser des LASK seine größte Stärke: Raguz ist im Torabschluss beidbeinig wie kein Zweiter in dieser Runde.
Der 22-Jährige erholt sich gerade von einem Kreuzbandriss, den er am 5. November erlitten hat. Mit sieben Toren in 13 Pflichtspielen war er bis zu seinem Ausfall auch in seiner zweiten Profisaison äußerst treffsicher unterwegs. In der Europa League hat er mehrmals internationales Format bewiesen.
Tore erzielt er laufend auch per Kopf, wo seine Abschlüsse nicht ganz so wuchtig, dafür umso präziser sind. Er ist mit 1,86 Metern der Kleinste des Quintetts, dafür aber umso beweglicher und dynamisch in der Drehung, wodurch er die Bälle auch gegen wuchtigere Verteidiger sehr gut sichern kann.
Der Oberösterreicher mit kroatischen Wurzeln ist sich auch nicht zu schade, ohne Ball viele intensive Läufe zu machen. Dadurch ist er im LASK-Pressing besonders wertvoll.
Kommentare