Teamchefin Irene Fuhrmann über das größte Problem des Frauenfußballs
Am 21. Juli schieden Österreichs Frauen im EM-Viertelfinale gegen Deutschland mit 0:2 aus, 44 Tage später wird am Samstag in der WM-Qualifikation im ausverkauften Stadion in Wiener Neustadt gegen England gespielt. Nur kurz war der Urlaub für Spielerinnen und Teamchefin Irene Fuhrmann.
KURIER: Wie lange waren Sie auf Urlaub?
Irene Fuhrmann: In der ersten Woche habe ich einiges abgearbeitet, habe viel mit den Vereinen und Coaches kommuniziert.
Warum das?
Weil ich mich für mehr Regenerationszeiten für die Spielerinnen eingesetzt habe. Der Terminplan, vor allem für die Klubs, die in der Qualifikation für die Champions League spielen, ist sehr eng. Ich wollte, dass die Spielerinnen vielleicht mehr als nur ein paar Tage Urlaub bekommen.
Vor 35 Tagen wurden die Engländerinnen für den EM-Sieg gefeiert. Samstag folgt die Ernüchterung. Das erste Spiel nach der EM-Feier im ausverkauften Wembley-Stadion findet für sie in Wr. Neustadt statt. Das Stadion dort ist auch ausverkauft, aber statt 87.000 Fans dürfen am Samstag (Anpfiff: 17.30 Uhr/live ORF 1) nur knapp 3.000 hinein.
Die Partie ist die Fortsetzung der WM-Qualifikation, dabei gab es in England ein 0:1 – wie auch in der EM-Gruppenphase. Österreich ist fix Gruppenzweiter und würde sich als einer der drei besten von neun Gruppen ein Play-off-Spiel sparen. Dafür wäre ein Punkt gegen England hilfreich, vorausgesetzt das letzte Gruppenspiel am Dienstag wird gegen Nordmazedonien gewonnen.
Die zurückgetretenen Spielerinnen Lisa Makas und Viktoria Schnaderbeck werden vor der Partie offiziell verabschiedet. Carina Wenninger übernimmt in ihrem 121. Länderspiel neben der Rolle der Abwehrchefin auch die der neuen Kapitänin. "Wir wollen den Schwung der EURO mitnehmen und die Leute begeistern."
Hatten Sie Erfolg?
In den meisten Fällen, ja. Aber ich verstehe auch, dass die Vereine ihre Spielerinnen in der Vorbereitung auf so einen wichtigen Bewerb dabei haben wollten. Hier muss sich auf Sicht vor allem die UEFA etwas überlegen, denn im Frauenfußball sind noch immer nicht alle Spielerinnen hauptberuflich Fußballprofis.
Ist eine Vorbereitung auf ein Länderspiel aus dem Trainingsbetrieb heraus etwas Neues für Sie?
Wenn wir im Juni einen Trainingslehrgang haben, sind die Spielerinnen in unterschiedlichem körperlichem Zustand, weil manche Ligen schon beendet wurden, andere noch laufen. Jetzt im September ist es bei uns ähnlich, weil die Vorbereitungen der Klubs auf unterschiedlichen Stufen sind. Hoffenheim war auf Trainingslager, die Bayern haben in Europa Testspiele absolviert. Und Bremen hatte zuletzt so harte Einheiten, dass wir Katharina Schiechtl zunächst eine Trainingspause gegönnt haben.
Ist da die Zeit für die Vorbereitung nicht sehr kurz?
Das war auch der Grund, warum wir gegen England erst am Samstag spielen. Das ist ein gewisses Risiko, weil Nordmazedonien dadurch zwei Tage mehr Pause hat.
Wie lange hatten Sie Pause?
Ich war fünf Tage in Kärnten.
Erholsam?
Ja. Aber durch die Sichtbarkeit, die uns während der EURO zuteil wurde, habe ich gemerkt, dass mein Gesicht deutlich bekannter geworden ist. Ich habe viele Rückmeldungen erhalten. Das ist schön, aber etwas, an das ich mich gewöhnen muss.
Und wie waren die Rückmeldungen?
Durchwegs positiv. Und das nicht nur wegen der sportlichen Leistungen. Wir als Team wollten die Menschen begeistern. Das ist auf dieser großen Bühne offensichtlich gelungen, das ist auch etwas, das die Medien transportiert haben.
Haben Sie die EM schon sportlich analysiert?
Mit dem Betreuerteam haben wir die Abläufe reflektiert, um für weitere Großereignisse Erkenntnisse zu gewinnen. Zudem haben wir noch die ausstehende Analyse des Deutschland-Spiels vorgenommen und es dem Team präsentiert.
Aber die EM war mehr als nur ein Spiel. Ihre Analyse?
Das Niveau ist so hoch, dass man technisch-taktisch in jeder Partie auf dem Punkt da sein muss.
Unter Fans wurde vor allem die riskante Spieleröffnung rund um Torfrau Manuel Zinsberger diskutiert.
Danach bin ich auch öfters gefragt worden. Wir haben eine Lösung gesucht, weil wir von der körperlichen Konstitution her bei hohen Bällen den Deutschen unterlegen waren. Wir sind bei der Eroberung der zweiten Bälle zwar gut, aber wir wollten auch gemeinsam den nächsten Schritt im Spiel mit dem Ball gehen.
Sie waren 2017 und 2022 bei der EM. Was war der größte Unterschied?
Die Athletik und damit auch das Tempo.
Was heißt das für die Ausbildung der Talente?
Dass wir darauf schauen müssen. Aber schnell sein reicht allein nicht, man muss auch mit dem Ball per Du sein.
Das heißt, man schaut bei den neun bis elf Spielerinnen, die pro Jahr in der Akademie aufgenommen werden, auf Schnelligkeit?
Ja, aber ...
Aber was?
Die Erfolge von 2017 und 2022 überdecken das größte Problem des Frauenfußballs in Österreich, die Breite. Wir haben bei den Mädchen, die in die Akademie wollen, gar nicht so eine große Auswahl an schnellen Spielerinnen.
Und dennoch lebt die Chance, erstmals zu einer WM zu fahren. Als einer der drei besten Gruppenzweiten würde man sich ein Spiel ersparen.
Ja, allerdings ist da am 3. Oktober erst Treffpunkt und am 6. bereits das erste Play-off-Spiel. Das zweite wäre dann am 11. Und einige unserer Spielerinnen werden davor aufgrund der Terminisierung der UEFA Women’s Champions League noch englische Wochen haben.
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