Was mir dabei gleich einfällt: Wir mussten unsere eigenen Stutzen zum Training mitnehmen. Die Bayern-Spielerinnen haben mit ihren roten trainiert, die Innsbruckerin mit grünen, ich mit schwarzen. Das war ein bunter Haufen, und die Masseurin hat auch die Wäsche für alle gewaschen, da gab es keinen Zeugwart.
Da ist es ein Quantensprung, wie professionell es jetzt punkto Betreuer zugeht. Zwei Co-Trainer, Torfrautrainer, Athletiktrainer, Spielanalyst, Sportwissenschafter, Arzt, Physios, Zeugwart, Koch, Sportpsychologin, Betreuung für Presse, Social Media. Das werden fast 20 Personen nur im Umfeld mit sein.
Ich finde es toll, dass der ÖFB die Rahmenbedingungen an die der Männer angeglichen hat. Aber wir wollen das Betreuerteam dennoch so klein wie möglich halten, damit der Apparat nicht ausufert, die Kommunikationswege kurz bleiben, um schnell reagieren zu können und das Umfeld ein vertrautes ist.
Sie haben schon 2017 die Vorbereitung auf eine EM erlebt. Was ist nach fünf Jahren anders, außer dass Sie die Chefin sind?
Vor fünf Jahren war die öffentliche Aufmerksamkeit bei weitem nicht so groß. Das hat sicherlich damit zu tun, dass wir bei der letzten EM ins Semifinale gekommen sind. Ich glaube aber, dass das Interesse so groß ist, weil wir das Auftaktspiel gegen Veranstalter und EM-Mitfavorit England im ausverkauften Old-Trafford-Stadion in Manchester spielen.
Was hat sich für Sie selbst geändert?
Ich habe das Gefühl, dass ich noch nie so wenig Fußballtrainerin war wie vor der EM. Es ist eine herausfordernde Zeit, in der ich oft mehr Managerin bin, die auch delegieren muss.
Was hat sich noch geändert?
Einige unserer Spielerinnen hatten durch die neue Gruppenphase in der Champions League viel mehr Spiele als vorher. Hoffenheim zum Beispiel hatte enorm viele englische Runden, ist dann zurückgefallen und hat keinen internationalen Platz mehr erreicht.
Weil Schottland überraschend gegen die Ukraine in der WM-Qualifikation antreten muss, ist am 22. Juni Montenegro als Gegner eingesprungen. Schmerzt das?
Na klar. Wir haben uns ja was überlegt. Schottland spielt einen körperlichen Stil wie unsere Gruppengegner England, Nordirland und Norwegen. Aber wir brauchen den Test, denn wir wollen vor der EM unbedingt in einem Bundesliga-Stadion spielen und den Videoschiedsrichter zum Einsatz bringen. Mit diesen Rhythmusunterbrechungen haben unsere Spielerinnen kaum Erfahrung. Den VAR hätte die UEFA vielleicht schon in der WM-Qualifikation einsetzen sollen.
Österreich hatte 2017 das jüngste Team, jetzt wird es wohl zu den älteren zählen, weil noch so viele Spielerinnen von damals dabei sind.
Ich hoffe, dass wir alle Stützen zur Verfügung haben, so wie die Männer, bei denen bei der EM seit langer Zeit wieder alle dabei waren. Die Arbeit ist aber insofern spannend, weil manche der Spielerinnen jetzt andere Rollen innehaben als 2017. Für einige wird so eine EM überhaupt eine ganz neue Erfahrung. Ich habe dadurch mehr Optionen. In den acht WM-Qualifikationsspielen haben wir 33 von 40 möglichen Wechseln ausgeschöpft. Und meistens gab es durch die Wechselspielerinnen neue Impulse.
Bei der Kaderzusammenstellung geht es neben fußballerischen auch um menschliche Qualitäten, wenn man so lange zusammen ist.
Da muss man bei manchen ihre Erwartungshaltungen mit ihren Rollen bei der EM abgleichen und im Vorfeld sondieren, ob sie das so akzeptieren und sich voll fürs Team einbringen.
Klingt diffizil...
Deswegen zerbreche ich mir aber gerne den Kopf. Der Hauptgrund, dass ich den Job angenommen habe, war, dass ich mir nicht entgehen lassen wollte, mit diesen Charakteren zu arbeiten.
Die Vorrundengruppe ist schwerer als vor fünf Jahren. England ist als Gruppenfavorit souveräner als Frankreich. Und Norwegen als Konkurrent um den Aufstieg stärker als die Schweiz 2017.
Unser Ziel ist es, uns gegen England so gut wie möglich zu präsentieren. Und gegen Nordirland sollte uns ein Resultat gelingen, damit wir dann am 15. Juli gegen Norwegen ein Endspiel um den Aufstieg haben. Und da ist dann alles möglich.
Bei Norwegen hat mit Ada Hegerberg die ehemalige Weltfußballerin ihren Teamboykott just vor der Europameisterschaft beendet.
Ich hab mir gedacht: Das darf doch nicht wahr sein. Mit ihr, die bei Lyon spielt, hat Norwegen noch eine Legionärin mehr bei einem absoluten Topteam. Auch Hansen und Engen waren mit Barcelona im Finale der Champions League. Dann gibt es noch einige andere bei englischen Topklubs.
Und im Viertelfinale könnte wohl Deutschland oder Spanien auf den Gruppenzweiten warten.
Bis dahin ist es ein weiter Weg. Aber wenn wir es schaffen aufzusteigen, dann ist in so einer K.o.-Partie auch alles möglich.
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