Österreichs Gegner Kasachstan: Der Star ist ein halber Tiroler

Stanislaw Tschertschessow im Honorarkonsulat der Republik Kasachstan in Tirol
Stanislaw Tschertschessow ist seit wenigen Wochen Teamchef. Der 61-Jährige hat eine Wohnung in Österreich und Putins Nummer im Handy gespeichert.

Es gibt Fragen, die man Stanislaw Tschertschessow tunlichst nicht stellen sollte. Zum Beispiel, ob Tormänner zu einem guten Fußballtrainer taugen. Man sagt Goalies bekanntlich nach, dass sie ein wenig – nun ja – eigen sind. Und da ist durchaus etwas dran: Tschertschessow selbst hatte während seiner Zeit beim FC Tirol einmal mitten im Spiel sein Tor verlassen, weil ihn der damalige Trainer Didi Constantini angepflaumt hatte.

Diese Schrullen seien jetzt aber nicht der Grund, weshalb so wenige Torhüter auf der Trainerbank Platz finden, betont Tschertschessow stets. „Das ist eine einfache Rechnung: Eine Mannschaft besteht aus zwei Torleuten und 25 Feldspielern. Wer hat also mehr Chancen, ein Trainer zu werden. Das ist Wahrscheinlichkeitsrechnung“, sagt der 61-jährige Russe. Und außerdem: „Glaubt mir: Ich weiß ein bisschen mehr, als viele.“

Der Tormann:
Stanislaw Tschertschessow wurde am 2. September 1963 in der Bergbau-Stadt Alagir geboren, in der heutigen russischen Teilrepublik Nordossetien-Alanien. Er wurde sowjetischer und russischer Meister und hütete von 1996 bis 2002 das Tor in Innsbruck.

50 Länderspiele absolvierte Tschertschessow. Als Trainer führte er Russland in die Heim-WM 2018.

Persönlich:
Tschertschessow spricht fließend Deutsch. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Bis ins Viertelfinale

Tatsächlich ist Stanislaw Tschertschessow einer der erfolgreichsten Tormänner im Trainerbusiness. Die langjährige Nummer 1 des FC Tirol wurde als Trainer Meister in Polen (Legia Warschau) und in Ungarn (Ferencvaros), das russische Nationalteam führte er bei der Heim-WM 2018 bis ins Viertelfinale. Wladimir Putin höchstpersönlich hatte sich damals dafür stark gemacht, den Vertrag mit Stanislaw Tschertschessow zu verlängern. Nach dem frühen EM-Aus 2021 musste er aber seinen Teamchefsessel räumen. Das Diensthandy von damals mit der Endziffer 2018 – als Reminiszenz für die Heim-WM – besitzt er noch heute. Auch die Nummer von Präsident Putin ist darin gespeichert.

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mein Team gut kenne. Im ersten Match habe ich falsche Namen reingerufen.

von Stanislaw Tschertschessow

Teamchef von Kasachstan

Falsche Namen

Erst im Sommer wurde Stanislaw Tschertschessow zum Teamchef von Kasachstan bestellt, am Donnerstag in Linz Gegner der Österreicher in der UEFA-Nations League. Der Auftakt verlief mit dem 0:0 gegen Norwegen verheißungsvoll, man hat der kasachischen Mannschaft nicht angemerkt, dass sich ihr neuer Teamchef bei den Spielernamen noch verdribbelte.

„Ich habe während dem Spiel reingerufen, aber kein Spieler hat reagiert. Weil ich ständig die falschen Namen gerufen habe“, erzählt Tschertschessow. „Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich meine Mannschaft sehr gut kenne.“

Bei der Vorbereitung auf das Duell mit Österreich konzentriert sich der Coach der Kasachen deshalb lieber auf seine Spieler. Zumal er das ÖFB-Team ohnehin in- und auswendig kennt. Stanislaw Tschertschessow, der noch immer eine Wohnung in Rinn bei Innsbruck hat, verfolgt den heimischen Fußball ganz genau, bei der EM hat er sich die Spieler der Österreicher angeschaut. „Die österreichische Mannschaft wurde damals zurecht gelobt“, findet der 61-Jährige.

Große Disziplin

Das Team von Ralf Rangnick wird in Linz auf einen Gegner treffen, der sein Heil in der Defensive sucht. Stanislaw Tschertschessow hat noch bei jeder seiner Mannschaften großen Wert auf Disziplin und das Abwehrverhalten gelegt. Da kommt der Goalie in ihm durch. „In der Weltrangliste sind die anderen Teams alle vor uns. Aber das ist ja nur ein Papier.“

Stanislaw Tschertschessow geht gerade wieder in seinem Trainerjob auf. Fußball ist nun einmal sein Lebenselixier. Es war für ihn gar nicht einmal so leicht, eine neue Aufgabe zu finden. Wegen des Ukraine-Kriegs wird Russen in vielen Ländern die Rote Karte gezeigt, die Vereine stehen nicht wirklich Schlange. „Es gibt politische Geschichten und es gibt den Sport“, sagt Tschertschessow. „Ich mache nur meinen Job.“

Man wird von Stanislaw Tschertschessow kein negatives Wort über Russland hören. Selbst bei mehrfacher Nachfrage und wenn das Tonband ausgeschaltet bleibt.

Es gibt dann eben Fragen, die man ihm tunlichst nicht stellen sollte.

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