Die Salzburger Fußball-Krise: Eine teuflische Mischung im Bullenreich
Christoph Geiler
07.10.24, 12:40Der FC Red Bull Salzburg ist ein Verein, der in den letzten Jahren für Innovationen und Weitsicht gestanden ist und dabei mutige Entscheidungen getroffen hat.
Etwa bei der durchaus unkonventionellen Bestellung vergleichsweise unbekannter Cheftrainer - von Marco Rose bis Jesse Marsch, von Matthias Jaissle bis hin zum aktuellen Coach Pepjin Lijnders.
Auch die unerschrockene Spielweise war durch und durch unösterreichisch und fand im internationalen Fußball immer mehr Nachahmer.
In dieser Saison scheinen die neuformierten Salzburger gerade wieder den Fußball neu erfinden zu wollen. Ob dieser Versuch wirklich zum Trend taugt, das muss mittlerweile ernsthaft bezweifelt werden.
Offenbar ist man beim FC Red Bull Salzburg zur Erkenntnis gelangt, dass Verteidigen im modernen Fußball überbewertet wird. Seit Menschengedenken gilt die Faustregel, dass „die Defensive Titel und Meisterschaften“ gewinnt, aber die revolutionären Salzburger wollen partout den Gegenbeweis antreten.
Die Ergebnisse sprechen Bände: Innerhalb von eineinhalb Wochen ging Salzburg mit dieser naiven Herangehensweise in der Champions League sang- und klanglos gegen Sparta Prag (0:3) und Brest (0:4) unter, das 0:5 am Sonntag in der Liga gegen Sturm Graz war ein einziger Offenbarungseid.
Als hätten die Salzburger Spieler die Order bekommen, keine Gegenwehr zu leisten, um Sturm-Sportchef Andreas Schicker ein würdiges Abschiedsgeschenk zu bereiten.
Es wäre jetzt zu billig, die Schuld an den unterirdischen Abwehrleistungen allein dem neuen Trainer Pepijn Lijnders in die Schuhe zu schieben.
Was kann der Niederländer schon dafür, dass sich im aufgeblähten Salzburger Kader zwar die Offensivakteure auf den Füßen stehen, es zugleich aber von ihm viel Einfallsreichtum verlangt, um eine defensive Viererkette auf die Beine zu stellen, die nicht gleich beim ersten Angriff in ihre Bestandteile zerfällt?
Was soll er schon machen, wenn sich kein Spieler findet, der in schwierigen Momenten auf dem Feld die Verantwortung übernimmt und die Mannschaft mitreißt?
Es ist ein Alarmsignal, wenn sich selbst die ansonsten so besonnenen Salzburger Fans einmal den Frust von der Seele schreien und wie zuletzt „Bullen-Schweine“ skandieren.
Unruhe auf den Rängen, sportliche Talfahrt, dazu ein unerfahrener Trainer, der erst das zweite Mal das Chefamt bekleidet und ein Sportdirektor (Bernhard Seonbuchner), der in den letzten Interviews auch nicht gerade souverän wirkte – das ist eine teuflische Mischung für einen Verein, der den Krisenmodus im letzten Jahrzehnt praktisch nur vom Hörensagen kannte.
Es mag vielleicht nur ein dummer zeitlicher Zufall sein, dass der Salzburger Abwärtstrend zeitlich mit dem Abgang von Langzeit-Sportchef Christoph Freund zum FC Bayern zusammenfällt.
Seit Spätsommer 2023, seit Nachfolger Bernhard Seonbuchner die Geschicke leitet, läuft das Werkl nicht mehr richtig.
Diese Fehlentwicklung sollte auch Sturm Graz ein warnendes Beispiel sein. Dann wenn deren Sportdirektor und Erfolgsgarant Andreas Schicker den Verein Richtung Hoffenheim verlässt.
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