Gelassenheit ist des Schweizers Tugend

Anlehnungsbedürftig: Koller wird Einzelgespräche führen.
Marcel Koller zeigt sich unbeeindruckt von den letzten Testspielen. Dennoch sprach er den Spielern ins Gewissen.

13.30, statt 13.00 Uhr. Marcel Koller ließ seinen Sponsor tipp3, für den er weiterhin bis zum Ende der WM-Qualifikation 2017 werben wird, eine halbe Stunde warten. Vielleicht, weil er nach der vormittäglichen Regenerationseinheit seinen Spielern noch ins Gewissen reden musste nach dem glanzlosen 2:1 gegen Malta.

Dem Teamchef ist naturgemäß bewusst, dass es einer Steigerung bedarf nach dem glanzlosen, wenn auch ungefährdeten 2:1-Sieg gegen Malta, die Nummer 165 der FIFA-Weltrangliste. "Wir wissen auch, dass das nicht der Superknaller war", gab der Schweizer zu. Deshalb geht es in den kommenden Tagen vor allem darum, an den mentalen Schrauben zu drehen. "Ich kenne die Spieler jetzt schon gut genug und weiß, wie ich jeden einzelnen individuell anpacken muss."

Fehlerhaft

Und er wird anpacken, der Koller. Nach mehreren vermeidbaren individuellen Fehlern in den jüngsten Testspielen, die allesamt auf mangelnde Konzentration zurückzuführen sind, führt daran kein Weg vorbei.

Ein kurzer Rückblick:

17. November Ramazan Özcan spielt einen Abstoß auf den unter druck gesetzten Florian Klein, der zurücklegt auf David Alaba, der wiederum mit dem Kopf zurück und damit den Ball genau in den Lauf von Haris Seferovic spielt. Der Schweizer Stürmer bedankt sich artig und schießt das 0:1, Österreich verliert 1:2.

26. März Nach einer 2:0-Führung verschlafen gleich mehrere Spieler der Österreicher zwei Minuten nach der Halbzeit, wie der Albaner Lenjani durch Mittelfeld und Abwehr stürmt und das 2:1 erzielt. Eine beherrschtes Spiel wurde plötzlich wieder zur Zitterpartie.

29. März Ein haarsträubender Pass mit dem schwächeren rechten Fuß von Goalie Ramazan Özcan findet keinen Mitspieler, sondern Arda Turan, der das Geschenk annimmt und die Türkei zum 2:1-Sieg in Wien schießt.

Gelassenheit ist des Schweizers Tugend
ABD0132_20160531 - KLAGENFURT - ÖSTERREICH: David Alaba (AUT) am Dienstag, 31. Mai 2016, während des freundschaftlichen Fußball- Länderspiels Österreich gegen Malta in Klagenfurt. - FOTO: APA/EXPA/JOHANN GRODER
31. Mai Özcan bringt David Alaba, der von zwei Maltesern attackiert wird, in die Bredouille. Österreichs Star spielt den Ball zurück aufs Tor, ohne zu schauen, wo Özcan steht. Ein "spezielles Eigentor", wie gestern auch Marcel Koller schmunzelnd aber doch zugeben musste.

Vier der sechs Gegentore in den jüngsten vier Partien schenkten die Österreicher damit her. Geschenke, wie man sie bei einer Europameisterschaft freilich nicht machen darf. "Besser jetzt, als es passiert uns bei der EM in Frankreich", war danach gleich von mehreren Spielern zu hören. Und trotzdem ist es wieder und wieder passiert.

Aufbau

Marcel Koller weiß, dass es jetzt an der Zeit ist, den Schalter umzulegen. "Ich habe das auch den Spielern gesagt, dass man nicht einfach vor dem EM-Auftakt gegen Ungarn einen Knopf drücken kann." Auch deshalb hat der Trainer-Routinier die Testgegner in dieser Reihenfolge festgelegt. Zunächst, nach der Trainingswoche in der Schweiz die schwächeren Malteser, um wieder in die Spur zu finden. Und dann das Klasseteam aus den Niederlanden, um die Reize immer ein Stück höher zu schrauben. Eine lineare Annäherung an den Höhepunkt am 14. Juni in Bordeaux mit dem Spiel gegen die Ungarn.

"Wir wissen, dass da noch Luft nach oben ist", gestand Zlatko Junuzovic in Klagenfurt noch ein. "Wir müssen nur die richtigen Lehren daraus ziehen." Ähnlich sah es Florian Klein: "Es war nicht unser bestes Spiel. Dennoch sind wir voll im EM-Plan. Es muss auch klar sein, dass man nach so einer Woche in der Schweiz nicht gleich den optimalen Rhythmus hat."

Freizeit

Am Mittwoch Mittag gab Koller seinen Spielern frei. Bis Donnerstag 14 Uhr sollen sie geistig abschalten und sich ihren Familien widmen. Dafür wird in den kommenden Wochen ohnehin keine Zeit bleiben, auch wenn die Partnerinnen nach dem Portugal-Spiel zu Besuch kommen dürfen. Der Fokus liegt in der unmittelbaren Zukunft aber auch dem Spiel gegen die Niederlande in Wien, für das schon 44.000 Karten verkauft worden sind. Mit einer starken Leistung vor einem vollen Haus will man sich in Richtung Frankreich verabschieden.

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