"Schrecklich" bis "notwendig": So denken Fans über Geisterspiele
Drei Spiele noch. Mit den Entscheidungsspielen um den letzten Europacup-Startplatz bringt zumindest die höchste österreichische Fußballliga die merkwürdigste Saison ihrer Geschichte zu Ende. Positiv bilanziert hat jedenfalls Rechteinhaber Sky. Der Bezahlsender vermeldete einen Anstieg bei den Zuseherzahlen von 14 Prozent im Vergleich zur Vorsaison.
Doch womöglich ist der Erfolg teuer erkauft. Noch immer tun sich viele Fans schwer mit den Geisterspielen. Wie steht es um den Volkssport? Der KURIER hat beim Fußball-Volk nachgefragt.
Der Bundesliga-Fan
Markus Berger ist seit Kindestagen Fan des von Rapid Wien. Doch im Alter ist beim 45-Jährigen auch die Verantwortung gegenüber des Klubs gestiegen, seit einem Jahr sitzt der Big-Data-Spezialist nicht nur bei jedem Heimspiel des Rekordmeisters auf der Tribüne, sondern auch im Beirat des Klubs. Deshalb hatte er auch einmal das Vergnügen, ein Geisterspiel im Allianz-Stadion mitzuverfolgen.
„Ich war schon neugierig, wie das sein wird in einem leeren Stadion. Ich bin sehr an Taktik interessiert und dachte, vielleicht eröffnen mir die Traineranweisungen einen neuen Blick. Ich war dann aber ein wenig enttäuscht. Die großen Neuigkeiten konnte ich nicht wahrnehmen, außer dem Einfluss der Torhüter auf das Spiel“, sagt Berger. Man merke bei Geisterspielen erst, wie essenziell die Atmosphäre für den Fußball ist: „Auf Dauer ist das nicht förderlich für den Fußball und seinen Wert.“
Seit mehr als 40 Jahren ist die Südstadt das zweite Wohnzimmer von Matthias Schwaiger. Die Liebe zur Admira wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Großvater war jahrelang Obmann des Vereins. Die Corona-Zeit war für den 48-Jährigen keine einfache. Er habe weniger den Sport, als die „sozialen Kontakte“ in der Fankurve vermisst, wo er jeden und ihn jeder kennt. Von seiner Wohnung war er Ohrenzeuge der Heimspiele. „Ich sehe vom Balkon aus die Flutlichter der Südstadt und habe jeden Schiri-Pfiff gehört. Das war psychische Folter“, erzählt Schwaiger.
Beim letzten Heimspiel gegen den SKN St. Pölten trieb es ihn dann doch zum Stadion. Mit gut 30 anderen Admira-Fans versuchte er als Zaungast mit Sprechchören, seinen Klub zum Sieg zu treiben. Es misslang. Die Admira verlor 0:3. „Aber es war trotzdem eine lustig Erfahrung“, sagt Schwaiger.
Der Zweitliga-Fan
Hannes Tuder steht an einem Sonntagvormittag im Juni auf der Anlage des Floridsdorfer AC, der Zweitligist empfängt die Lustenauer Austria. „Wer ist denn der Verteidiger bei uns?“, fragt der 25-jährige Fanbeauftragte des Vereins in die kleine Runde. Tuder, ein Kind des Bezirks, war schon Monate nicht mehr vor Ort.
Er hat sich mittlerweile arrangiert mit den Leer-Spielen, nur wenige Partien der zweiten Liga sind im Fernsehen zu sehen. „Ich hätte aber auch nix davon, wenn sie gar nicht spielen würden. Womöglich hätte der Klub ein echtes Problem ohne die Einnahmen aus dem Fernsehvertrag“, sagt Tuder. Die Fanszene des FAC ist vergleichsweise klein, dennoch war man vor der Corona-Pause gerade dabei, ein bisschen etwas zu bewegen: „Wir waren erstmals bei Auswärtsspielen dabei. Wir werden die Leute im Herbst wohl wieder neu motivieren müssen.“
Der Regionalliga-Fan
Sebastian Schönbauer ist überzeugt, dass er für die gesamte Fanszene des Wiener Sport-Clubs spricht: „Geisterspiele wären für uns noch schmerzhafter gewesen.“ Der Österreichische Fußball-Bund hat rasch nach Ausbruch der Corona-Pandemie alle Meisterschaften im Amateurbereich beendet und annulliert. Schönbauer, der nicht mehr als zwei Partien pro Saison versäumt, war erleichtert, dass es keine Geisterspiele gibt. „Unser Klub lebt von der Atmosphäre im Stadion, von den Fans auf der Tribüne. Fußball im TV ist für mich nicht vergleichbar.“
Ich habe keine 90 Minuten durchgehalten."
Aus Interesse hat sich der 41-Jährige dennoch ein Geisterspiel aus der Deutschen Bundesliga angesehen. „Schrecklich“ nennt er die Erfahrung, „ich habe keine 90 Minuten durchgehalten“. Wenn man jeden Zwischenruf des Trainers höre, „dann ist das vielleicht in der letzten Spielklasse in Niederösterreich charmant, aber nicht im Profibereich“. Die Zuschauereffekte, die manche Fernsehstationen ferngesteuert einspielen sind für Schönbauer „schrecklich künstlich, fast schon peinlich und jedenfalls schlimmer als das falsche Klatschen bei einer amerikanischen Sitcom“.
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