„Unsere vier Spiele waren megaunterhaltsam.“ Teamchef Ralf Rangnick zeigte sich nach dem Ausscheiden spätabends in Leipzig dennoch begeistert davon, welches Gesicht die österreichische Mannschaft bei dem Turnier präsentiert hatte. Meistens von der Schokoladenseite. Vier emotionale Abende hat man den Österreichern in ihre Wohnzimmer geliefert und damit die Herzen nicht nur im eigenen Land gewonnen. Kein Abwarten, kein Ballgeschiebe, sondern attraktives Agieren mit und ohne Ball, wie es die Philosophie des Teamchefs vorsieht. Diesen Weg gilt es beizubehalten.
Rangnick konnte trotz der Ausfälle von Alaba und Xaver Schlager mehr rotieren und öfters frische Kräfte bringen, als angenommen – ohne erkennbaren Verlust an Qualität. Der Teamchef schickte etwa in vier Partien vier unterschiedliche Innenverteidiger-Duos auf den Platz, die Überlegungen gingen zumeist auf. Selbst die Spieler merkten bei vielen Medienterminen die neue Breite des Kaders an, was ihnen selbst ein Gefühl der Sicherheit gibt. Und gleichzeitig auch den Konkurrenz-Druck erhöht. Auftritte von Nicolas Seiwald (23), Romano Schmid (24), Patrick Wimmer (23) oder Leopold Querfeld (20) geben Hoffnung für die Zukunft.
- Negativ: Die Mittelstürmer
Sieben Tore hat man in vier Partien erzielt, davon konnten einige Topnationen nur träumen. Allerdings: Nur zwei Treffer kamen von den beiden Mittelstürmern Arnautovic (Elfmeter!) und Gregoritsch. Letzterer wurde als „Einserstürmer“ vor der EURO gehandelt, saß dann zumeist als Joker auf der Bank. Der 35-jährige Marko Arnautovic erhielt den Vorzug und zeigte gegen Polen und die Niederlande auch warum. Wie lange bzw. ob Österreich noch auf seinen Rekordteamspieler (116 Länderspiele, 37 Tore) setzen kann, bleibt abzuwarten (siehe auch Seite 15). Eine junge Nummer 9, die sich aufbauen ließe, ist noch nicht zu sehen.
Oft wird Österreichs Team auf den Rangnick-Stil mit Pressing und Umschalten reduziert. Bei dieser EM hat sich gezeigt, dass das Team unter dem 66-Jährigen im Ballbesitz im Vergleich zur Ära Foda massive Fortschritte gemacht hat. In allen vier Partien hatte man öfters den Ball als der Gegner und mit Ausnahme der Partie gegen Frankreich hatte man stets mehr Schüsse aufs Tor. Weitere Steigerung erwünscht.
- Negativ: Wenige Straßenfußballer
Wenn ein Gegner so tief und kompakt verteidigt wie die Türkei, dann braucht es Fußballer, die sich im Duell eins gegen eins durchsetzen. Baumgartner dribbelt sich oft durch die gegnerischen Linien. Wimmer und Schmid könnten das auch, dürfen sich aber noch mehr zutrauen. Aus den Akademien kommen viele gleichartige Spieler, taktisch gut ausgebildet und physisch stark. Eine entsprechende Jugend-Reform des ÖFB gab es vor zwei Jahren, auf Auswirkungen wird man noch warten müssen.
- Negativ: Standardsituationen
Gegen die Türken kassierte man zwei Gegentore aus Eckbällen. Der Anschlusstreffer nach einem Corner war ein seltener Lichtblick der Österreicher bei Offensiv-Standards, von denen sich das Team viele erarbeitet. Aus den ruhenden Bällen lässt sich ganz sicher noch mehr Kapital schlagen.
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