Freund & Feind

Wolfgang Winheim
Tagebuch: Die Rivalität zwischen den Kickern von Barcelona und Real Madrid ist während der EURO auf Eis gelegt.

Auf der Plaza Charco in Puerto de la Cruz (Teneriffa), wo Kinder sonst mit Messi- und Ronaldo-Leibchen herumtollen, machen Verkäufer mit Nationaltrikots ihr großes G’schäft. Ähnlich wie am südlichsten EU-Rand dominiert Rot-Gelb auf dem spanischen Festland.

2008 der Wiener Finalsieg, 2010 der WM-Titel und jetzt im EM-Semifinale – Spaniens Nationalelf hat erreicht, was die Politik so oft vergeblich versuchte: Dass Nationalstolz und Gemeinschaftsdenken in Autonomiegebieten – zumindest vorübergehend – die Abnabelungsgedanken vergessen lassen. Olé.

Selbst die Klub-Interessen von Barcelona und Real Madrid werden für ein paar Tage auf Eis gelegt. Real-Tormann Iker Casillas und Barças Mittelfeldgenie Xavi bezeichnen sich nicht erst seit dieser EM als "Freunde für immer". So wie die beiden hatten auch Andrés Iniesta und Sergio Ramos nach den hitzigen Duellen zwischen Madrid und Barça einander telefonisch versichert, dass sie sich wegen 90 hektischer Minuten weder von Medien noch von Real-Trainer José Mourinho auseinanderdividieren lassen.

Am Mittwoch kommt’s zum Clásico der anderen Art, wenn eine durch England-Legionär David Silva und Valencia-Verteidiger Jordi Alba ergänzte Spielgemeinschaft Barça-Real im Semifinale auf das portugiesische Real-Trio Ronaldo / Coentrão / Pepe trifft.

Cristiano Ronaldo genießt innerhalb der Real-Familie nebst großen Respekt auch den Ruf eines guten Kameraden. Reals ehemaliger, sehr unschön abgesetzter Meistermacher Vicente del Bosque , 61, lässt sich über CR7 erst recht keine provokante Äußerungen entlocken.

Der spanische Teamchef behält stets die Fassung. Vielleicht hält den dreifachen Familienvater auch privates Schicksal (ein Sohn ist behindert) davon ab, verpatzte Partien zu dramatisieren. Der von König Juan Carlos zum Marquis geadelte galt schon als Spieler als Señor.

Del Bosque muss sich Autorität nicht durch Sprüche und Feldwebelmanieren verschaffen. Gleiches trifft auf Italiens Teamchef Cesare Prandelli und den Deutschen Joachim Löw zu, womit diese EM zeigt: Populistische Scharfmacher haben kein Leiberl.

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