„Wie du weißt, bin ich in meinem Brotberuf Verleger und gebe einige Magazine heraus. (…) Kannst du mir bitte die oder den Zuständigen für Werbung in eurem Unternehmen nennen, damit ich direkt Kontakt aufnehmen kann“.
Mit diesen Worten, formuliert in einem eMail von seinem geschäftlichen Account, hat sich ÖFB-Präsident Gerhard Milletich an den Vertreter eines ÖFB-Sponsors gewandt. Das Mail liegt den Oberösterreichischen Nachrichten vor und war am Freitag auch Thema in der Sitzung des ÖFB-Präsidiums, dem sechs Juristen angehören. Das Vertrauen entzogen wurde Milletich nicht.
In der Causa befragt wurde am Freitag auch Franz Fiedler. „Sollten die Vorwürfe zutreffen, ist es ein Fall von Korruption“, sagte der ehemalige Präsident von Transparency International gegenüber Ö1. Der KURIER hat beim ehemaligen Präsidenten des Rechnungshofes nachgehakt.
KURIER: Sie haben das Vorgehen des ÖFB-Präsidenten als Korruption beschrieben, sofern die Vorwürfe stimmen.
Franz Fiedler: Richtig. Korruption beginnt nicht erst mit dem Strafrecht. Das ist eine weltweit anerkannte Tatsache. Sie beginnt im Vorfeld des Strafrechts, und das ist ein klassischer Fall. Sollten die Vorwürfe zutreffend sein, dann verstößt das schlicht und einfach gegen den Anstand.
Wie beurteilen Sie den Inhalt des vorliegenden Mails, das Gerhard Milletich an einen Sponsorenvertreter geschickt hat?
Die Kernfrage ist: Handelt es sich dabei um ein Unternehmen, das bisher auch schon in Verbindung gestanden ist mit Herrn Milletich, ehe er Präsident des ÖFB wurde, oder nicht? Wobei die Art der Fragestellung hier darauf hinweist, dass es nicht der Fall war, denn er fragt nach einem Zuständigen im Unternehmen, mit dem er sich in Verbindung setzen kann. Sollte schon zuvor eine Verbindung bestanden haben, so hätte ich doch angenommen, dass er den schon kennt. Und Milletich bräuchte nicht darauf hinweisen, dass er im Brotberuf Verleger ist. Das ist allerdings Interpretationssache, die auch durch Gegenbeweise aus den Angeln gehoben werden kann. Mir erscheint aber diese ganze Vorgangsweise aufklärungsbedürftig in jedem Falle. Und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt eines strafrechtlichen Aspekts, den sehe ich hier derzeit noch nicht.
Sondern?
Sondern unter dem Gesichtspunkt: Wie geht man im Fußball mit Korruption um, beziehungsweise mit Verdachtsmomenten in Richtung Korruption. Wenn im Zusammenhang mit dem ÖFB-Präsidenten gewisse Schatten bestehen, so sollten die ehestmöglich ausgeräumt werden. Möglicherweise gibt es eine einfache Erklärung, durch die alle Vorbehalte ausgeräumt werden können. Das wäre wünschenswert. Aber so wie die Dinge jetzt liegen, einfach zu sagen, er bestreitet es und es wird schon nichts gewesen sein, so einfach kann man es sich nicht machen. Der ÖFB ist am Zug, alles ins Werk zu setzen, um jeden kleinsten Makel aus der Welt zu schaffen.
Dieses Mail wurde von Milletich selbst dem Präsidium vorgelegt. In diesem Gremium sitzen sechs Juristen. Wie erklären Sie sich, dass nicht bei allen dieser Herren die Alarmglocken schrillen?
Nach dieser Sitzung wurde einer der Teilnehmer (Wolfgang Bartosch, Anm.) befragt. Der hat sich sehr vorsichtig geäußert, ob nicht noch irgendwas im Raum stehen bleibt. Ich bin mir nicht sicher, ob mit dieser Sitzung die Sache abgetan ist. Es wäre wünschenswert, wenn es nicht der Fall wäre. Es gibt divergente Aussagen, unterschiedliche Wahrnehmungen. Milletich sagt, er war mit allen schon vorher in geschäftlichen Verbindungen, andere sagen das nicht. Da müsste man noch einmal nachfragen.
Macht es in Bezug auf dieses eMail einen Unterschied, ob er es von einer ÖFB-Adresse schickt oder von seinem geschäftlichen Account?
Es würde noch ein viel schlechteres Bild machen, wenn es von einer ÖFB-Adresse käme, macht aber dann keinen Unterschied, wenn er diese Geschäftsanbahnung unter dem Gesichtspunkt seines nunmehrigen Titels als ÖFB-Präsident vorgenommen hat. Dann ist ziemlich egal, wo das Mail herkommt. Die Frage ist: Drückt sich darin auch schon der Wille aus, aufgrund seiner neuen Position nun Felder zu erschließen, die er zuvor mit seinem Verlag nicht erschlossen hat? Das ist der springende Punkt.
Milletich hat im Podcast „Zweierkette“ gesagt, dass es natürlich einen Unterschied mache, ob man als ÖFB-Präsident wo anrufe, als wenn man es nur als Key-Accounter eines Verlages tun würde.
Das habe ich gelesen, und das spricht Bände. Hier kommt die Verknüpfung seiner beiden Funktionen zum Ausdruck, und genau das dürfte nicht sein.
Es scheint, als wäre Korruption in Österreich eine Art Kavaliersdelikt. Teilen Sie diese Ansicht?
Leider Gottes. Es herrscht bei uns ein Wurschtigkeitsstandpunkt und vielfach auch in der Bevölkerung die Meinung, Korruption wäre ein opferloses Delikt. Unter dem Motto: Mein Gott, da tun sich halt ein paar Leute zusammen und andere werden vielleicht begünstigt, was ist da schon dran? Es wird verkannt, dass wenn es sich im öffentlichen Bereich abspielt, vor allem bei den Politikern, dann irgendwann der Steuerzahler zum Handkuss kommt. Er merkt es nur nicht. Seine Steuergelder kommen irgendwem anderen zugute, und das spürt man nicht in der eigenen Tasche. Es ist ganz was anderes, als wenn man bestohlen wird, da merkt man es sofort. Daher ist die Sensibilität in der Bevölkerung nicht so groß. Transparency International hat hoffentlich dazu beigetragen, diese Sensibilität zu steigern. Aber wissen Sie, was bemerkenswert ist?
Verraten Sie es uns bitte!
Es kommt mit Herrn Milletich wieder jemand in die Diskussion, der kein Politiker ist. In den letzten zwei, drei Jahren hat es ja danach ausgesehen, als wäre die Korruption ein Betätigungsfeld, das sich ausschließlich in der Politik abspielt. So ist es nicht. Es spielt sich in der Wirtschaft genauso ab. Dort wird es allerdings nicht so oft aufgedeckt, weil dort die Kontrahenten in der Regel unter sich sind. In der Politik gibt es eine parlamentarische Opposition, und es sind auch die Medien mehr dahinter. Ich bin sicher, dass es in jenem Zeitraum, in dem Ibiza und der ÖVP-Untersuchungsausschuss abgehandelt wurden, es in der Wirtschaft mindestens ebenso viele Korruptionsfälle gegeben hat.
Wie beurteilen Sie die Situation, in die der Manager eines Sponsoring-Partners gerät, wenn er mit einer solchen Aufforderung zu inserieren konfrontiert wird? Diese Manager unterliegen ja meist strikten Compliance-Regeln.
Das hoffe ich zumindest, und ich hoffe, die gibt es beim ÖFB auch.
Gibt es nicht.
Aha. Bedauerlich. Natürlich wird sich der Manager überlegen, wie er damit umgehen soll und ob er es verantworten kann. Dann wird er eine Entscheidung treffen, und ich hoffe, dass es eine Entscheidung ist, die sich auch rechtfertigen lässt und nicht eine, die unter dem Gesichtspunkt der juristischen oder faktischen Erpressung zustande kommt. Das sind die Dinge, die solche Sachen so unappetitlich machen. Dass ich als Unternehmer sage: Okay, mir ist die Person so wichtig, also schalten wir halt ein Inserat, um diese Front zu begradigen.
Verstehen Sie, dass Sponsoren-Vertreter, die solche Dinge aufzeigen, anonym bleiben wollen?
Klarerweise will man die Anonymität schützen, weil man sich ja nicht in einen Kleinkrieg, in dem Fall mit dem ÖFB-Präsidenten, verwickeln will. Auf der anderen Seite will man diese Dinge abstellen, also sucht man diesen Mittelweg der anonymen Meldung. Ob man damit durchkommt, ist die Frage. Irgendwann wäre es natürlich schon gut, wenn diejenigen, die da angegangen worden sind, in der Öffentlichkeit klar sagen, ob es mit Milletich vorher schon Geschäfte gab oder nicht. Rein aus der Anonymität wird das sehr schwierig zu beurteilen sein.
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