Sieben Monate sind vergangen, seit Viktoria Schnaderbeck das letzte Mal "ernsthaft" Fußball gespielt hat, wie sie selbst sagt. Es war das EM-Spiel gegen Norwegen vergangenen Juli. "Danach habe ich mir die Ruhe gegönnt. Die Pause habe ich gebraucht", gibt die 32-Jährige zu. Mehrere Monate war sie mit ihrer Partnerin auf Reisen, mittlerweile ist sie wieder zu Hause, statt in London wohnt Schnaderbeck jetzt wieder in Kirchberg an der Raab. Von der sportlichen Karriere geht es fast nahtlos in der Welt des Business weiter. Dafür hat die Steirerin schon während ihrer aktiven Zeit vorgesorgt.
Wann haben Sie denn das letzte Mal Fußball gespielt?
Das war tatsächlich das EM-Spiel gegen Norwegen. Danach habe ich mir wirklich die Ruhe gegönnt. Die Pause habe ich gebraucht.
Geht es Ihnen ab?
Interessanterweise relativ wenig. Ich bin aktiv, aber in anderen Formen. Es hat sich aufs Radfahren und auf Krafttraining verlagert. Eben auch deswegen, weil ich nach der EM ziemliche Probleme mit meinem Knie hatte. Ich muss nicht auf Biegen und Brechen Fußballspielen, ich muss nicht laufen gehen, wenn das nicht gut ist.
Konnten Sie vom Fußball leben? Haben Sie ausgesorgt?
Ich konnte davon leben, aber nicht aussorgen. Aber auch erst ab Mitte 20. Davor habe ich Schulausbildung gemacht und nebenbei arbeiten gehen müssen und bin jahrelang von meinen Eltern unterstützt worden. In den letzten Jahren in München habe ich dann davon leben können, aber nichts wegsparen können. In London hat sich das verbessert. Aber ausgesorgt habe ich bei Weitem nicht. Ich habe mich während der aktiven Karriere immer weitergebildet. Ich bin mehr als nur Fußballerin. Das war für mich immer ganz wichtig.
Sie haben jetzt eine Agentur gegründet, die unter anderem auch dafür da ist, Karrieren zu begleiten. Was machen Sie da genau?
Ich habe die Agentur "Pro-Spective" genannt und begleite Sportlerinnen und Sportler außerhalb des Sports, repräsentiere und vermarkte sie. Neben Torfrau Manuela Zinsberger etwa auch Eisschnellläuferin Vanessa Herzog und Sport-Influencer Karol Janja und andere dabei. Ich möchte für die Athletinnen und Athleten eine Persönlichkeitsmarke aufbauen und sie stetig weiterentwickeln. Das geht weit über Sponsoring hinaus. Es ist Beratung, Begleitung und Positionierung außerhalb der Sportkarriere. Wo sieht man sich in fünf, zehn Jahren bzw. nach der Karriere? Was sind die eigenen Stärken und Werte? Ich habe festgestellt, das wissen viele nicht. Oft hört es rund um den Sport schnell mal auf.
Haben Sie selbst in Ihrer aktiven Karriere gemerkt, dass da eine Notwendigkeit besteht?
Es geht darum, sich während der Karriere etwas aufzubauen für die Zeit danach. Damit der Bruch nicht so hart kommt. Da habe ich genügend Beispiele erlebt von Sportlern und Sportlerinnen, die Identitätskrisen hatten.
Wie war das bei Ihnen? Sind Sie in ein "Loch" gefallen?
Das Karriereende war sehr emotional. Ich bin fest davon ausgegangen, dass ich in ein Loch fallen würde. Aber der Moment ist nicht gekommen. Die Reise war wichtig, um das Kapitel abzuschließen und ein neues zu starten.
Inwiefern hilft die Erfahrung im Sport in so einer neuen Situation?
Unglaublich viel! Sport war für mich die beste und wichtigste Lebensschule. Da kann kein Studium, keine Ausbildung mithalten. Weil du lernst, mit allem möglichen klarzukommen – Rückschläge, Verletzungen, Druck, Konkurrenz, Team, Interkulturalität, Leadership. Ich glaube, dass Sportler und Sportlerinnen aus Wirtschaftssicht viel zu wenig genutzt werden.
Karriere- und Lebensplanung scheinen immer wichtiger zu werden in der Sportwelt. Warum?
Im Sport kann es schnell in die eine oder in die andere Richtung gehen. Du kannst heute der Hero sein und morgen verletzt und am Boden zerstört sein. Dann wird der Vertrag nicht verlängert und du bist weg von der Bildfläche. Der Sport ist nicht nur schnelllebig, sondern auch extrem kapitalistisch. Es geht um sehr viel Geld, man muss wissen, dass man da nur eine Nummer ist. Deswegen ist es so wichtig, dass man auf das Danach vorbereitet ist. Nehmen wir mal den Fall an, jemand hat 10 Millionen am Konto – beziehungsweise ausgesorgt – aber dann bist du trotzdem erst 35 und hast unglaublich viel Zeit und unglaublich viel Geld. Ich glaube, diese Kombination ist gefährlich, wenn du dann keine Ziele und Ambitionen hast.
Das betrifft also auch männliche Fußballer, die ja eine ganz andere finanzielle Voraussetzung haben als weibliche Fußballerinnen?
Absolut. Der Aspekt der Vermarktung ist für sie vielleicht finanziell nicht so notwendig, der Karriere-Aspekt dafür umso mehr.
Klubkarriere
Die heute 32-Jährige wuchs in Kirchberg an der Raab in der Südsteiermark auf und spielte in Bubenmannschaften Fußball. 2007 wechselte sie im 15. Lebensjahr zu den Bayern nach München, wo sie ab 2010 in der ersten Mannschaft spielte und in 131 Spielen fünf Tore schoss.
2018 wechselte Schnaderbeck nach London nach Arsenal und nach 23 Spielen 2022 zum Lokalrivalen Tottenham (auf Leihe), um vor der Euro in England noch Spielpraxis sammeln zu können
Nationalteam
Im ÖFB-Nationalteam spielte Viki Schnaderbeck 84-mal, die Verteidigerin schoss zwei Tore im Dress des ÖFB, war zuletzt Kapitänin
Wo werden Sie sich die Fußball-WM im Sommer anschauen?
Stand jetzt in Österreich, aber es besteht die Chance, dass wir in Australien dabei sein werden. Denn eine der Athletinnen, die ich betreue, ist Lina Magull, Bayern-Kapitänin und deutsche Nationalspielerin, und sie ist bei der WM dabei.
Ist da auch ein bisschen Wehmut dabei?
Wenn Österreich dabei wäre, wäre es sicher nochmal was Anderes. Aber Wehmut würde ich nicht sagen. Ich würde mich freuen. Ich bin auf einmal wieder das 8-jährige Mädchen auf der Tribüne und großer Fan meiner Freundinnen. Es ist eine ganz andere Rolle. Mich freut es wirklich sehr, dass die Entwicklung so weitergeht. Und es ist schön, dass ich ein Teil davon war. Und jetzt ist Zeit für Neues und ich kann vielleicht in einer anderen Form weiterhin unterstützend dabei sein. Aber meine Zeit ist gekommen, der Fußball Bühne Tschüss zu sagen. Von der aktiven Seite zumindest.
Ich kenne keine Details zu diesen Beispielen. Aber ich finde es super, wenn Frauen für sich einstehen. Es ist schon viel weitergegangen, aber wir sind immer noch nicht dort, wo man sein müsste. Egal, ob auf Topniveau oder darunter. Dass es Spielerinnen gibt, die Verantwortung übernehmen, die sozusagen ihre eigenen sportlichen Ambitionen hinten anstellen, eine WM aufs Spiel zu setzen, für die man ein ganzes Leben gearbeitet hat, um wirklich für Veränderung aufzustehen, ist beeindruckend. Wer würde das in seinem Job tun, um der nächsten Generation zu helfen? Das zeigt die Notwendigkeit. Die werden sicher ihre Gründe haben, sonst riskierst du das nicht.
Was wäre aus Ihrer Sicht der nächste nötige Schritt, der im Frauenfußball gemacht werden müsste?
Ich glaube eher, dass es darum geht, kleine Schritte zu setzen, kontinuierliche. Ich glaube, Veränderung passiert nicht von heute auf morgen und es wäre vermessen zu sagen Jetzt willst du gleiche Bezahlung, du willst die gleichen Zuschauerzahlen. Darum geht es nicht. Sondern darum, im Tagesgeschäft anzusetzen. Wie schauen die Plätze aus? Wir haben immer wieder Spielausfälle in Deutschland und in England aufgrund von unbespielbaren Plätzen gesehen. Wo findet man das bei den Männern? Außerdem muss man schauen, wie fair die Ressourcen verteilt sind.
Sie haben sich selbst immer zur Aufgabe gemacht, es Mädchen zu erleichtern, in die Welt des Fußballs einzusteigen, Fußball spielen zu können, weiterzuspielen. Ist das etwas, das Sie auch weiterhin machen wollen?
Absolut. Ich sehe mich immer noch als Teil des Frauenfußballs. Wenn man mal so viel miterlebt hat, da kann man nicht einfach aussteigen. Aber natürlich bin ich jetzt in einer anderen Rolle und ich sehe das viel ganzheitlicher. Ich hab ja auch immer wieder Vorträge versucht, einfach meine Erfahrungen mitzugeben. Ich versuche nun in meinen Vorträgen meine Erfahrungen und Erkenntnisse mitzugeben und ab sofort auch in meiner Agentur. Egal, wen man anspricht, ob junge Mädels, die Eltern, die Großeltern, wen auch immer, ich glaube, das Wichtigste ist, dass da keine Grenzen gesetzt werden dürfen und dass es nicht heißt ein Mädchen kann und darf nicht, weil es ihr Mädel ist. Ich glaube, es ist viel wichtiger, dass man in den Talenten wirklich die Kinder fördert. Und ob das dann das Enkelkind, die Tochter, das Nachbarskind ist. Wie auch immer, ich glaube, wir alle haben Verantwortung und wir alle sind Vorbild für jemanden.
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