Wird es eine Notte Italiana in Rot-Weiß-Rot, oder heißt es am Ende des Samstagabends für Österreich doch „Arrivederci, EURO“? Österreich fordert als klarer Außenseiter im Achtelfinale die Italiener, die mit einer beeindruckenden Statistik im Gepäck nach London reisten: 30 Spiele ohne Niederlage, die letzten elf Partien gewonnen, noch dazu ohne Gegentor.
Das weiß auch Franco Foda. Wie hoch die Chancen stehen? „Prozentuell ist das immer schwer einzuschätzen, aber selbst wenn es nur zehn Prozent sind, mit zehn Prozent kann man viel anfangen“, betont der Teamchef, der auch andeutete, dass es personell eher wenige Veränderungen geben wird. Warum auch?
Österreichs Teamspieler machen erst am Samstag beim Aufwärmen Bekanntschaft mit dem ehrwürdigen Wembley-Stadion, weil man am Freitag das Abschlusstraining in Seefeld absolvieren musste und erst am Nachmittag nach London reiste. Der Hintergrund: Das feine Wembley-Grün bedurfte tatsächlich der Schonung.
Schon im Vorfeld freuten sich die Österreicher, endlich in der Kathedrale des Fußballs auftreten zu dürfen. Sie sind aber gekommen, um der heimischen Fußballgeschichte ein weiteres Kapitel hinzuzufügen, wie Marko Arnautovic unterstrich: „Wir kommen nicht, um uns nur das Stadion anzusehen.“
Der Weg zur Sensation
Die Österreicher befinden sich in einer für Sportler nicht unangenehmen Ausgangslage: Sie können zwar ein Spiel gegen einen stärkeren Gegner verlieren, sie können aber am Samstagabend weitaus mehr gewinnen – wenn nicht sogar alles. Es bedarf einer außergewöhnlichen Leistung, um die internationale Sensation zu schaffen. Dass die Mannschaft von Teamchef Franco Foda dazu grundsätzlich imstande ist, hat sie in der Vergangenheit schon bewiesen.
Doch was zeichnet diese Italiener aus, und was unterscheidet sie vielleicht auch von früheren Mannschaften der Azzurri? Ob Abwehrchef Chiellini fit wird, oder wie zuletzt von Francesco Acerbi ersetzt werden muss, bleibt abzuwarten und wird vermutlich nicht den ganz großen Unterschied machen für die Österreicher. Zwar stehen Chiellinis 109 Länderspielen „nur“ 16 von Acerbi gegenüber, doch auch der 33-Jährige von Lazio ist auf internationalem Level erprobt und hat etwa auch vergangene Saison erst Erfahrungen in der Champions League gesammelt.
Zur italienischen Königsdisziplin, dem Verteidigen, kommt bei dieser EURO auch eine augenscheinliche Spielstärke durch das technisch starke Mittelfeld-Zentrum mit drei Mann in der 4-3-3-Formation. „Egal ob Barilla, Jorginho, Locatelli oder Verratti: Alle haben hohe technische Fähigkeiten und sind rela-
tiv pressingresistent“, sagt KURIER-Experte und Kolumnist Muhammet Akagündüz, im Jahr 2007 Italien-Legionär bei Hellas Verona. „Durch diese Qualität lassen sie sich nicht so unter Druck setzen wie etwa zuletzt die Spieler der Ukraine.“
Es wird daher im Spiel gegen den Ball nicht nur darauf ankommen, erfolgreich zu pressen, sondern auch Bälle zu gewinnen, indem man Passwege zustellt. Bei den Österreichern war auch diesbezüglich zuletzt Florian Grillitsch ein wichtiger Faktor. Der 25-Jährige wurde zwar vor allem für seine Ball- und Spielkontrolle gelobt, war aber auch defensiv ein Anker. Grillitsch verzeichnete gegen die Ukraine zehn Balleroberungen, zwei davon im Zweikampf und acht, indem er den Ball durch cleveres Stellungsspiel und gutes Timing abfing.
Fixe Abläufe
„Die Italiener werden aber natürlich darauf vorbereitet sein, angepresst zu werden. Um auf solche Dinge reagieren zu können, haben sie immer wieder fixe Abläufe in ihrem Spiel“, sagt Akagündüz, der die Rolle von Grillitsch auch im eigenen Ballbesitz noch einmal hervorhebt: „In den ersten beiden Spielen haben sich immer wieder offensiver aufgestellte Österreicher wie Sabitzer oder Laimer zurückfallen lassen, um den Ball zu holen. Gegen die Ukraine war das nicht der Fall, weil in dieser Zone Grillitsch präsent war. Dadurch konnten sich die anderen Österreicher weiter vorne zwischen Abwehr- und Mittelfeldkette des Gegners positionieren und von dort aus Druck machen.“ Nicht der einzige Teilaspekt, der nach Wiederholung schreit.
Kommentare