Corona hat mittlerweile eine volle Meisterschaft geprägt – aufgeteilt auf zwei Saisonen. Am Osterwochenende beginnt der spannendste Part der Bundesliga – zum zweiten Mal ohne Fans in den Stadien.
Dabei war Österreich vor einem Jahr auch im Profi-Fußball vorne dabei: Auf den ersten Lockdown folgten im Frühjahr 2020 Meister- und Qualifikationsgruppe als viel beachtetes Pilotprojekt. Das aufwendige Covid-19-Konzept funktionierte, das Virus schien im Griff. Deswegen wurde die aktuelle Saison mit (einigen) Zuschauern gestartet.
Mit dem Aufbau der zweiten Welle wurden die Stadien für Fans wieder gesperrt, doch die Kugel rollt weiter. Nach Abschluss des Grunddurchgangs steht fest: Die Pandemie wird auch heuer die Entscheidungen im Titel- und Abstiegskampf auf ein TV-Ereignis reduzieren. „Immerhin“, meinen die Amateur-Kicker, die nicht einmal trainieren dürfen.
Wie das Virus den Fußball verändert hat, ist auch eine Frage des Blickwinkels. Nah dran ist in der Bundesliga nur eine streng begrenzte Gruppe. Das Stadion wurde zur eng umzäunten Arena der Professionisten. Freiraum gibt es trotz der leeren Tribünen keinen.
Je ein Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Vereinsmitarbeiter, Fan und Journalist beschreiben ihre persönliche Sicht. Es ist aber nur eine Zwischenbilanz: Das Ende von Corona ist auch im Profi-Fußball noch nicht in Sicht.
Kofi Schulz, Verteidiger des SKN St. Pölten
"Ich bin dankbar, dass ich meinen Beruf ausüben darf. Daran denke ich immer, wenn der Test-Stab in meine Nase bohrt. Die Spiele haben sich mehr verändert, als die meisten glauben. Vereine mit großer Fan-Basis haben Nachteile – du spielst einfach anders, wenn du 90 Minuten lang angetrieben wirst. Aber auch kleinere Vereine, wie wir beim SKN, hätten eine bessere Heimbilanz, wenn du von außen gepusht wirst."
"Jetzt haben die Ersatzspieler eine noch wichtigere Rolle, weil sie von außen positiv einwirken können – du hörst ja jedes Wort. Ich glaube, dass die Spiele mit Fans hektischer wären: Ohne Publikum versuchst du, auch in letzter Minute noch ruhig von hinten aufzubauen. In einem vollen Stadion wirst du eher dazu gedrängt, den Ball gleich hoch nach vorne zu schlagen."
Peter Stöger, Trainer der Wiener Austria
"Das Coaching hat sich definitiv geändert, man hat mehr Möglichkeiten, da die Spieler einen genauer hören und die Anweisungen genauer mitbekommen. Ich würde nicht sagen, dass die Arbeit leichter geworden ist durch die neue Situation, sie ist nur anders. Man kann als Trainer vielleicht mehr Einfluss nehmen auf das Geschehen."
"Der Job ist natürlich emotional behaftet, daher muss man jetzt umso mehr aufpassen, was man in der Coaching-Zone so von sich gibt. Aber was raus muss, muss raus. Sensibler ist natürlich die Zusammenarbeit mit dem Schiedsrichterteam, vor allem der vierte Schiedsrichter nimmt alles genau wahr. Vieles wirkt aufbrausend, ist aber gar nicht böse gemeint. In einem vollen Stadion mit dementsprechender Stimmung wird nicht jeder Satz gehört."
"Das Live-Erlebnis kann man nicht ersetzen. Schon die Vorfreude bei der Anreise in das Stadion, wenn immer mehr Fans in der U-Bahn zusteigen, gehört mit zum Erlebnis. Beim Spiel selbst fehlt dann die unmittelbare Emotion. Allein vor dem Bildschirm kann man nur mit sich selbst über das Geschehen kommunizieren, da fehlt der Austausch mit Gleichgesinnten. Nur dem TV-Kommentator kann man widersprechen, der antwortet aber nicht. Ein weiteres Problem ist der eingeschränkte Blickwinkel durch die Kamera. Ich habe gerne das ganze Spielfeld im Blick, denn dann kann man viel besser die Spielanlage der Mannschaft erkennen. Fußball spielt sich nicht nur mit dem Ball für mich ab. Positiver Aspekt: Man kann jetzt manche Anweisungen der Trainer über die Mikrofone belauschen."
Clemens Pieber, Rapid-Merchandisingleiter
"Ich habe in Abstimmung mit Geschäftsführer Peschek sofort nach der Verkündung der Maskenpflicht die ersten tausend MNS-Masken in unseren Webshop gestellt. Diese waren binnen Minuten vergriffen, Ende 2020 waren mehr als 100.000 Stück abgesetzt. So konnten wir in der abgelaufenen Saison unsere Budgetziele im Merchandising sogar noch übertreffen – trotz anfänglich massiver Rückgänge durch den Lockdown-Schock."
"Es war ein schönes Zusammenspiel der Solidaridität bei den Mitarbeitern und den Fans zu spüren. Mich hat es mit Stolz erfüllt, wie viele Menschen dazu bereit waren, sich auch in den Zeiten der Pandemie in der Öffentlichkeit zu ihrem Verein zu bekennen, und dass ich mit meinem Team dazu beitragen konnte, wichtige Einnahmen für Rapid zu erzielen."
Harald Lechner, Schiedsrichter
"Wie die Spieler vermissen auch wir die Stimmung und Emotionen von der Tribüne. An unserer Aufgabe an sich hat sich nichts verändert. Bei Foulvergehen mit dem Bein wird manchmal jetzt der Schlag viel besser wahrgenommen. Das kann ein Vorteil sein, aber auch zum Nachteil werden, wenn man sich zu sehr vom Geräusch leiten lässt."
"Ein Pluspunkt für Assistenten in leeren Stadien ist, dass man beim Abseits neben der visuellen Wahrnehmung auch den ,akustischen‘ Zeitpunkt der Ballabgabe oft besser beurteilen kann. Denn es kommt immer wieder zu Situationen, bei denen es nicht möglich ist, Abspiel und Beurteilung eines strafbaren Spielers rein mit den Augen wahrzunehmen. Trotz dieser Pluspunkte hoffe ich, dass die Tribünen bald wieder voll sind. Denn davon lebt der Fußball."
Alexander Huber, KURIER-Sportredakteur
"Jammern über das stimmungslose Ambiente ist fehl am Platz: Wir Journalisten gehören zur winzigen Gruppe, die trotz Corona in jedes Stadion darf. Neben der ,Roten Gruppe‘ der Spieler und Trainer bilden die Berichterstatter eine eigene ,Blase‘. Negative Tests sind (noch) nicht vorgegeben – Fiebermessen beim Eingang, das Hinterlassen der persönlichen Daten und eine FFP2-Maske reichen. Verändert hat sich der Umgang mit der Pandemie: Im Juli 2020 war ich noch der einzige österreichische Journalist, der zum Europacup-Spiel von Rapid nach Zagreb reiste – da könnte ja was passieren! Über die damals dramatisierten Corona-Zahlen der Kroaten wäre Österreich mittlerweile froh. Heute sind auf den Tribünen zu viele Masken zu sehen, die nur dem Goderl-Kratzen dienen."
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