Die Mutter aller Blamagen: Als Österreich gegen Färöer verlor
Heute vor 30 Jahren: Mit dem 0:1 gegen die Färöer Inseln machte sich Österreich zur Lachnummer. Abwehrchef Michael Streiter erinnert sich an die Pleite.
Gut möglich, dass alles ganz anders gekommen wäre, hätte es 1990 schon das gute alte Internet gegeben. Ein schneller Blick zu Google, ein informativer Klick auf Wikipedia – und dem österreichischen Fußball wäre vielleicht diese historische Schmach erspart geblieben.
Andererseits: Wer konnte vor 30 Jahren schon wissen, was genau sich hinter den sechs Buchstaben F Ä R Ö E R verbirgt? Vor allem: Wer wollte das damals überhaupt wissen? Schwer vorstellbar, dass es Anton Polster nach der Auslosung der Qualifikationsgruppe für die EM 1992 schnurstracks zum Schulatlas gezogen hat, um sich auf die Suche nach der unbekannten Inselgruppe zu begeben.
Keine Ahnung
Keiner beim ÖFB hat das gemacht. Und wenn damals wirklich jemand ernsthaft und akribisch Informationen über die Balltreter von den Schafsinseln eingeholt hätte, dann hätten ihm wahrscheinlich alle den Vogel gezeigt. Die Färöer Inseln waren bis zu diesem Zeitpunkt ein weißer Fleck auf der Fußball-Landkarte, das Duell mit Österreich sollte das erste offizielle Länderspiel der Exoten aus dem europäischen Norden sein, der Ausgang demnach nur eine Frage der Höhe.
„Das Einzige, was wir gewusst haben: Dass das alles Amateure sind, die unter der Woche arbeiten“, erinnert sich Michael Streiter. „In Wahrheit hatte keiner von uns eine Ahnung, gegen wen dir da wirklich spielen.“
Der Tiroler war in besagtem Match der Abwehrchef der österreichischen Nationalmannschaft. Also ein Mann, den es in Wahrheit in dieser Form nicht gebraucht hätte. Wer geht schon mit einem Bodyguard zu einem Kindergeburtstag, wer braucht bei einem angesagten Schützenfest mit schon eine Rückendeckung? „Alle haben nur darüber geredet, wie hoch wir gewinnen werden“, berichtet Streiter.
Bekanntermaßen kam alles ganz anders und mittlerweile gibt es natürlich längst einen ausführlichen Wikipedia-Eintrag über das berühmte Match zwischen den Färöer Inseln und Österreich an besagtem 12. September 1990 in Landskrona. Die legendäre 0:1-Niederlage des WM-Teilnehmers Österreichs gegen die Fußballer von der Insel gilt seither gemeinhin als Mutter aller Blamagen und an diesem Abend von Landskrona erlebte auch der berühmte Spruch, wonach es im Fußball keine Kleinen mehr gäbe, seine Geburtsstunde.
Michael Streiter hat keine Probleme über diese Peinlichkeit zu reden. Mit 30 Jahren Abstand lässt sich das 0:1 von Landskrona leichter in Worte fassen. „Wir waren ja selber schuld“, sagt der 54-Jährige. Eine lasche und überhebliche Einstellung der Österreicher, ein hochmotivierter und frecher Gegner, ein Tausendgulden-Schuss von Torkil Nielsen zur 1:0-Führung eine halbe Stunde vor Schluss – und es war um das ÖFB-Team geschehen.
„Man kennt das ja von vielen Fußballspielen. Auf einmal geht gar nichts mehr und in der Hektik läuft alles gegen dich“, erinnert sich Streiter. Die Chancen in den letzten 20 Minuten hätten gut und gerne noch für den Pflichtsieg gereicht, „aber wir haben einfach nichts mehr reingebracht. Der Toni Polster hat heute 44 Länderspieltore, allein mit dieser Partie müsste er eigentlich 50 haben.“
Michael Konsel (damals Rapid Wien)
Robert Pecl (Rapid), Michael Streiter (FC Tirol), Jürgen Hartmann (FC Tirol)
Kurt Russ (FC Tirol), Heinz Peischl (FC Tirol), Manfred Linzmaier (FC Tirol), Andreas Herzog (Rapid/62., Peter Pacult/FC Tirol)
Gerhard Rodax (Atletico Madrid), Toni Polster (FC Sevilla), Andreas Reisinger (Rapid/ 62. Gerald Willfurth/Salzburg)
Teamchef: Josef Hickersberger
Frisör Inseln
Michael Streiter kann über die Blamage gegen die Färöer Inseln heute durchaus auch schmunzeln. Wenn ihn etwa Freunde damit aufziehen, wie es denn damals „bei den Frisör-Inseln“ gewesen sei. Was den 34-fachen Teamspieler allerdings immer noch nervt, ist die allgemeine Reduzierung auf diese 90 verhunzten Minuten von Landskrona. „An dieses Spiel können sich alle erinnern. Aber kaum einer weiß, dass wir wenige Monate vorher in Spanien 3:2 gewonnen haben. Solche Spiele werden gerne vergessen. In Österreich werden offenbar lieber die schlechten Sachen hervorgekehrt.“
Wenn er wieder einmal zu diesem Match Rede und Antwort stehen muss, dann tröstet sich Streiter gerne damit, dass es anderen nicht anders ergangen ist. „Solche Partien gibt es im Fußball immer wieder. Nordkorea hat zum Beispiel Italien besiegt, Salzburg ist im Europacup gegen Düdelingen ausgeschieden.“
Dieses Unberechenbare sei genau der Reiz und die Faszination des Sports. Auch wenn“s für die Protagonisten mitunter schmerzhaft ist. „Ich erinnere mich noch heute an Helmut Höflehner“, sagt Michael Streiter. Der steirische Abfahrer war bei der Heim-WM 1991 in Saalbach als Topfavorit ins Rennen gegangen. „Und dann kriegt er nach dem Start die Skistöcke zwischen die Füße. So ein Missgeschick ist ihm vorher und nachher nie passiert.“
Wenn ihn seine Fußballer vom Tirolligisten SV Volders auf das 0:1 gegen die Färöer Inseln ansprechen, dann erzählt Trainer Michael Streiter gerne seine persönliche Episode.„Solche Niederlagen gehören zum Sport dazu. Wichtig ist, dass man danach wieder aufsteht“, predigt der dreifache ÖFB-Meister (1989, 1990 und 2001) dann.
Beim Rückspiel im Mai 1991 feierte Österreich in Salzburg gegen die Färöer Inseln einen 3:0-Erfolg. Die Schmach von Landskrona konnte das natürlich nicht wettmachen, aber zumindest Michael Streiter hat in diesem Match mit den Färöer seinen Frieden geschlossen.
„Ich hab“ in dieser Partie mein einziges Länderspieltor geschossen. Das war meine Antwort auf Landskrona.“
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