Es war einmal ein Camp der Namenlosen. Kaum ein Kicker gab gerne an, dass er mit arbeitslosen Kollegen trainieren würde. Nach dem Motto „Ich kann mich auch alleine fit halten“ verzichteten allzu viele vertragslose Profis aus falschem Stolz überhaupt auf das professionelle Mannschaftstraining.
Die Spielergewerkschaft VdF organisierte Sommer für Sommer ein Trainingslager mit erfahrenen Bundesliga-Coaches wie Oliver Lederer und musste doch feststellen, dass vor allem Liga-Promis nicht gerne nach Steinbrunn ins Burgenland kamen, um sich auf ein kommendes Engagement vorzubereiten.
Eine Corona-Pause später, die auch vielen in der Fußballer-Blase die Augen geöffnet hat, ist die Lage eine andere. „Niemand stempelt mehr einen Profi ab, weil er zu uns kommt. Das Bild vom Trainingscamp hat sich positiv gewandelt“, erzählt Gernot Zirngast dem KURIER. Der frühere Bundesliga-Profi ist der oberste Gewerkschafter der Kicker und blickt auf das siebente VdF-Camp zurück.
Hohe Anforderungen
In Kooperation mit dem AMS und Unterstützung der Bundesliga (die vielen nötigen Bälle wurden zur Verfügung gestellt) war Robert Ibertsberger heuer der „Chefcoach des FC AMS“ im VIVA-Landessportzentrum in Steinbrunn.
„Das Trainerteam hat hervorragend gearbeitet. Neben Fußball-Fachwissen wird auch ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Empathie verlangt. Das ist die Grundvoraussetzung für die Arbeit mit Vertragslosen“, betont Oliver Prudlo vom VdF.
Unterstützt wurde Ibertsberger – dessen Rauswurf beim SKN mittlerweile auch in St. Pölten als ein Faktor für den Abstieg erkannt wird – von Gregor Pötscher sowie den Tormanntrainern Werner Pentz und Thomas Mandl.
Von 14. Juni bis Ende Juli wurde gemeinsam geübt, die Teilnehmerliste war so prominent wie nie. Und die Erfolgsquote ist – trotz der Corona-Einsparungen bei vielen Vereinen – hoch. Von 28 Kickern haben bereits 16 wieder einen Job gefunden, 14 davon bei einem Profiverein.
Vorbild Sonnleitner
„Mario Sonnleitner ist ein perfektes Beispiel“, jubelt Zirngast.
Der Abwehr-Routinier soll einmal bei Rapid den Nachwuchs trainieren, bekam aber keinen Profi-Vertrag mehr angeboten. Der 34-Jährige trainierte mit Überzeugung unter Ibertsberger und Co. Nur so war es möglich, dass nach der Unterschrift wenige Tage vor Saisonstart ein perfekter Einstand in Hartberg gelang: Tor und Sieg im Cup sowie ein 2:0-Triumph der Hartberger unter freundlichem Applaus der Rapid-Fans in Hütteldorf.
Was mit harter Arbeit im Camp alles möglich ist, hat Manuel Haas bewiesen: Der Linksverteidiger war 2018 vertragslos, der Ausblick als Profi düster. „Die vollen acht Wochen war Manuel jeden Tag im Camp dabei. Am allerletzten Tag hat ihn Didi Kühbauer nach St. Pölten geholt.“ Haas war topfit und sofort Stammspieler. „Wenige Monate später wurde er sogar ins U-21-Nationalteam einberufen“, erzählt Zirngast.
Zweites Standbein
Nicht jeder schafft so eine Erfolgsgeschichte. Um den Sturz in die nahe Arbeitslosigkeit abzufedern, „wollten wir die Jungs dazu bringen, sich Gedanken über ein zweites berufliches Standbein zu machen sowie über die Zeit nach dem Fußball“, betont Prudlo.
Die Laufbahnberater von KADA waren deswegen „die zweite wichtige Säule im Camp neben dem Training“.
Positiver Ausblick
Zu Saisonende waren 140 Fußballer als vertragslos gemeldet. Einige blieben noch vom Vorjahr übrig, wie Ex-Rapid-Goalie Tobias Knoflach, der sich verpokert hatte. „Im Lauf der vergangenen Saison konnten wir die Zahl auf 55 runterdrücken. Das ist angesichts von Corona und dem Aus in Mattersburg ein Top-Wert.“
Zirngasts Ausblick: „Ich glaube, dass wir heuer auf einen noch niedrigeren Wert kommen. Die meisten Fußballer achten besser auf einen möglichen Karriereknick als früher.“
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