"Der Salzburger Energydrink-Konzern Red Bull übernimmt ab sofort die Salzburg Sport AG und damit den Fußballbetrieb des vom Abstieg bedrohten Salzburger Bundesligisten." Es war ein Paukenschlag mit gravierenden Folgen, was die Austria-Presse-Agentur am frühen Abend des 6. April 2005 in einer Eilmeldung vermeldet hatte.
Seit damals sind also genau 15 Jahre vergangen, in denen sich die Kräfteverhältnisse im österreichischen Fußball grundlegend verändert haben. Salzburg wurde zehn Mal Meister, dazu kommen noch sechs Cupsiege. Noch nie war ein Verein in Österreich über einen so langen Zeitraum so dominant wie Red Bull.
Der KURIER blickt zurück und präsentiert pro Jahr ein Ereignis, das den Salzburger Fußballklub entscheidend geprägt hat.
Dass ihr Verein statt SV Wüstenrot Salzburg nun FC Red Bull Salzburg hieß, konnten viele Mitglieder der organisierten Fanszene noch verkraften. Dass die Mannschaft in Rot (Heimdress) und Blau (Auswärtsdress) antrat und das traditionelle Violett fehlte, aber nicht mehr. Es folgte ein wochenlanges Hick-Hack, das Mitte September in einem Heimspiel gegen die Wiener Austria endgültig eskalierte. Es kam danach zum Bruch. Dutzende Stadionverbote wurden ausgesprochen, Abos gekündigt und Stehplätze im Fansektor in Sitzplätze verwandelt. Viele Fanklubs verabschiedeten sich daraufhin offiziell und gründeten schlussendlich mit SV Austria Salzburg ihren eigenen Verein.
Die internationale Aufmerksamkeit für den Red-Bull-Klub explodierte im Mai 2006. Mit Welttrainer Giovanni Trapattoni und Weltfußballer Lothar Matthäus wurden zwei absolute Größen des internationalen Fußballs verpflichtet. Die Zusammenarbeit der beiden Alphatiere blieb zwar nicht ohne Erfolg, Salzburg holte in der Saison 2006/`07 immerhin den ersten Meistertitel der Ära Red Bull, das Duo gab es aber nur ein Jahr. Matthäus hatte den Job im Glauben angenommen, als Trainer verpflichtet worden zu sein und hatte sogar den heutigen Bayern-Coach Hansi Flick als seinen Assistenten mitgebracht. Doch Trapattoni sah sich nicht, wie eigentlich geplant, als Teamchef, sondern stand tagtäglich auf dem Trainingsplatz. Als Matthäus im Sommer 2007 die von Trapattoni vorangetriebene Verpflichtung von Ibrahim Sekagya öffentlich kritisierte, musste der Deutsche nach einem Jahr gehen.
„Ich habe fertig!“ So endete 1998 jene legendäre Wutrede, mit der der damalige Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni über die Grenzen des Fußballs hinaus berühmt wurde. Auch während seiner Zeit in Salzburg kam es zu einem ähnlichen Gefühlsausbruch bei einer Pressekonferenz. Trapattonis Elf hatte am 3. April 2007 im Cup-Semifinale gegen Mattersburg in der Red-Bull-Arena eine 2:0-Pausenführung verspielt und war mit einem 2:3 nach Verlängerung ausgeschieden. In der Folge war Kritik aufgekommen – nicht nur an seiner Sicherheitstaktik, sondern auch an seiner Trainingsarbeit, weil Trapattoni selbst nach dem Spiel die Müdigkeit seiner Spieler als Grund für die Blamage genannt hatte. Das konnte der Italiener nicht auf sich sitzen lassen. Es folgte in einer Pressekonferenz drei Tage später die „Eruption eines Vulkans“, wie der KURIER danach titelte.
Was am Ostersonntag 2008 in der Red-Bull-Arena passierte, können viele Salzburg-Fans bis heute nicht glauben. Ihre Mannschaft, die als Tabellenführer in die Partie gegangen war, verlor gegen Verfolger Rapid zu Hause mit 0:7. Eine der bittersten Niederlagen in der langen Karriere von Startrainer Giovanni Trapattoni hatte sicherlich viele Väter, wirklich logisch erklären lässt sich diese allerdings bis heute nicht. Die Konsequenz ist aber eindeutig: Die Hütteldorfer übernahmen an diesem denkwürdigen Märztag von Salzburg Platz eins und gaben diesen bis zum Saisonende nicht mehr ab. Der 32. Meistertitel ist allerdings bis heute der letzte Rapid geblieben, während die Salzburger seitdem neun Meisterschaften feiern durften.
Robin Nelisse hatte in seiner Zeit bei Salzburg extrem viel Verletzungspech. Trotzdem gelang dem Stürmer, der für das Nationalteam der Niederländischen Antillen antrat, eines der wichtigsten Tore in der Ära Red Bull. Sein später Treffer zum 2:1-Auswärtssieg bei Dinamo Zagreb im Rückspiel der 3. Runde der Champions-League-Qualifikation öffnete Salzburg erstmals seit dem Einstieg des Getränkekonzerns das Tor zu einer europäischen Gruppenphase. Zwar wurde die Champions League im Play-off gegen Maccabi Haifa verpasst, aber in der Europa League trumpften die Salzburger auf. Gegen die Gruppengener FC Villarreal, Lazio Rom und Lewski Sofia gab es in sechs Spielen sechs Siege.
- 2010 Der Last-Minute-Titel
Salzburg spielte in der ersten Saison unter Trainer Huub Stevens nicht nur eine starke Europa-League-Saison, sondern dominierte auch die Bundesliga – bis LASK-Stürmer Lukas Kragl Keeper Eddie Gustafsson Mitte April das Schien- und Wadenbein brach. Ohne ihren starken Rückhalt hätten die Salzburger fast noch den Meistertitel verspielt. Nachdem man in der vorletzten Bundesliga-Runde, als im Heimspiel gegen die Austria schon ein Punkt gereicht hätte, durch einen Freistoßtreffer des mittlerweile bei Salzburg spielenden Zlatko Junuzovic in der 91. Minute unterlag, kam es bei Sturm zum finalen Showdown. Zwei schnelle Tore von Simon Cziommer und Roman Wallner stellten früh die Weichen auf Titelgewinn. Die Salzburger profitierten aber auch davon, dass die Grazer kurz vor dem Cup-Finale in Klagenfurt gegen Wiener Neustadt eine B-Elf aufgeboten hatten.
- 2011 Der missglückte Aprilscherz
Es war der vielleicht ungewöhnlichste Zeitpunkt einer Trainerentlassung in der Salzburg Klubgeschichte. Am 8. April wurde Huub Stevens mitten im Abschlusstraining für das Bundesliga-Spiel gegen den LASK vom Trainingsplatz geholt. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er von seinen Aufgaben entbunden sei. Zusammen mit dem niederländischen Trainer musste damals auch Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer Red Bull verlassen. Der doppelte Rauswurf brachte kurzfristig keinen Erfolg. Unter Interimstrainer Ricardo Moniz wurde am Tag darauf gegen das Schlusslicht aus Linz mit 0:1 verloren. Und zum Saisonende reichte es nur zu Platz zwei hinter Überraschungsmeister Sturm Graz.
- 2012 Die Kurzschluss-Handlung
Es war der Auslöser einer Lawine bei Red Bull: Am 12. Juni legte Ricardo Moniz sein Amt als Trainer bei Salzburg zurück, obwohl er erst ein paar Wochen davor das erste Double der Klubgeschichte geholt hatte. Der Niederländer hatte überreagiert, nachdem es am Vormittag eine verbale Auseinandersetzung mit der gerade neu installierten medizinischen Abteilung gegeben hatte, die sich laut Moniz in die Trainingsplanung einmischen wollte. Nicht einmal eine Stunde später der Sinneswandel: Der Niederländer wollte plötzlich vom Rücktritt zurücktreten. Doch da war es zu spät. Denn zu diesem Zeitpunkt war schon Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz informiert worden. Ein Zurück gab es nicht mehr. Mit der darauffolgenden Verpflichtung von Ralf Rangnick blieb in Salzburg kein Stein auf dem anderen.
- 2013 Der Cup-Selbstfaller
Wegen des überraschenden Rücktritts von Moniz begann in Salzburg im Sommer 2012 also die Ära Ralf Rangnick, die den Verein bis heute prägt. Der allmächtige deutsche Sportchef brachte mit seinem Landsmann Roger Schmidt einen in Österreich unbekannten Trainer mit. Mit ihm folgte eine erfolglose Saison, obwohl ein fußballerischer Fortschritt unverkennbar war. Neben der Mega-Blamage in der Champions-League-Qualifikation gegen die Halb-Amateure aus Düdelingen wurde auch der mögliche Cup-Titel hergeschenkt. Schmidt hatte im Semifinale daheim gegen den ebenfalls von Red Bull unterstützten FC Pasching zahlreiche Stammspieler geschont. Salzburg ging zwar kurz nach der Pause 1:0 in Führung, verlor aber trotzdem gegen den Drittligisten noch 1:2. 2012/’13 ist bis heute die letzte Saison ohne Titelgewinn.
Es war eine magische Nacht in der Amsterdam ArenA: Am 20. Februar wurde im Sechzehntelfinale der Europa League Ajax Amsterdam auswärts mit 3:0 geschlagen. „Salzburger Sternstunde gegen Ajax“, titelte der KURIER euphorisch. Und fasste so die Stimmung der 48.000 staunenden Augenzeugen im Stadion so zusammen: „Die Ajax-Fans trauten ihren Augen schon lange nicht mehr. Ihre Mannschaft, die 2013 in der Champions League noch Barcelona besiegt hatte, wurde von einem Team aus der von den Niederländern höchstens belächelten österreichischen Bundesliga vorgeführt.“ Besonders spektakulär war der dritte Salzburger Treffer, den Jonatan Soriano in der 35. Minute erzielte: Kurz vor der Mittelauflage war der Spanier an den Ball gekommen, hatte kurz aufgesehen und aus gut 50 Metern geschossen. Der Ball flog und flog. Und senkte sich schließlich über den weit vor dem Tor postierten Ajax-Tormann Jasper Cillessen.
Überraschend kam die einvernehmliche Trennung zwischen Salzburg und Trainer Adi Hütter trotz des Doublegewinns Mitte Juni nicht. Was der scheidende Trainer dann in der Pressekonferenz zum Abschied sagte, überraschte: „Ich sehe mich in Zukunft nicht als Ausbildungstrainer“, meinte der Vorarlberger, nachdem eine Reihe von Stammspielern Salzburg verlassen hatte. Das Statement sorgte für viel Aufregung und wurde von Hütter mehrmals klargestellt. Im Nachhinein gesehen hat der aktuelle Trainer von Eintracht Frankfurt, der mit seiner Mannschaft in dieser Saison im Sechzehntelfinale der Europa League die internationale Saison der Salzburger beendete, damals den richtigen Schritt gesetzt. Denn Nachfolger Peter Zeidler musste den Preis zahlen. Mit einem Kader, der nicht den Red-Bull-Ansprüchen entsprach, konnte er sich nicht für eine Europacup-Gruppenphase qualifizieren und musste nach einem halben Jahr gehen. Kürzer war kein anderer Trainer seit dem Einstieg des Getränkekonzerns 2005 im Amt.
- 2016 Der Meisterstern-Shitstorm
Vor knapp vier Jahren gab es wieder einmal Knatsch mit den Fanklubs. Als bekannt wurde, dass Salzburg nach dem Gewinn der zehnten Meisterschaft (drei vor und sieben nach dem Einstieg von Red Bull) auf das Tragen des Meistersterns verzichten würde, war die Aufregung groß. Die heikle Angelegenheit war durchaus kurios: Denn im Frühjahr hatte der Klub noch eine "Checkliste zum Triple-Double" veröffentlicht, auf der der Meisterstern als großes Ziel kommuniziert worden war. Bei den eingefleischten Fans war die Enttäuschung riesig. Unter einem Statement des Vereins auf Facebook machten die Anhänger ihrem Ärger Luft. Es wurde unter anderem zum Boykott der Meisterfeier aufgerufen. Der Shitstorm hielt wochenlang an. Mittlerweile haben die Salzburger übrigens einen Meisterstern auf ihrem Trikot, da in der Saison 2018/’19 der zehnte Meistertitel seit dem Einstieg von Red Bull geholt werden konnte.
- 2017 Die UEFA-Entscheidung
Jahrelang war klar, dass die beiden Red-Bull-Klubs aus Leipzig und Salzburg nicht gleichzeitig im Europacup spielen werden dürfen. Als RasenBallsport dem internationalen Geschäft immer näher kam, wurde auch bei beiden Vereine reagiert und es wurde begonnen, die engen Verflechtungen in personeller Hinsicht aufzulösen. Trotzdem war es sehr eng, als sich Salzburg und Leipzig erstmals für den Europacup gleichzeitig qualifizieren konnten. Es musste nachgebessert werden, bevor am 20. Juni doch noch eine positive Entscheidung publik wurde. Die rechtsprechende Kammer der Finanzkontrollkammer für Klubs (FKKK) sehe in der Teilnahme beider Klubs keine Verletzung von Artikel 5 der Bewerbsregularien (Integrität des Wettbewerbs), hieß es damals auf der UEFA-Website. Beide Vereine hätten "bedeutende Management- und strukturelle Änderungen (hinsichtlich Unternehmensfragen, Finanzen, Personal, Sponsoring usw.) vorgenommen". Man sei zu der Auffassung gelangt, "dass keine natürliche oder juristische Person mehr entscheidenden Einfluss auf mehr als einen an einem UEFA-Klubwettbewerb teilnehmenden Verein hat". Im Herbst 2018 kam es dann zum Red-Bull-Duell. Salzburg konnte beide Spiele in der Europa-League-Gruppenphase gewinnen.
- 2018 Der Europa-League-Erfolgslauf
Nur ein Tor in der regulären Spielzeit des Semifinal-Rückspiels gegen Olympique Marseille fehlte Salzburg, dann wäre erstmals ein österreichischer Klub in ein Europa-League-Finale aufgestiegen. Doch dann zerstörte ein Brasilianer namens Rolando mit seinem Tor zum 1:2 die Finalträume von Red Bull und von fast 30.000 Fans im natürlich ausverkauften EM-Stadion von 2008. Trotzdem war der Erfolgslauf der Salzburger bemerkenswert. Nach Platz eins in einer Gruppe mit Vitoria Guimaraes, Konyaspor und dem späteren Semifinalgegner wurden der Reihe nach Real Sociedad, Borussia Dortmund und Lazio Rom ausgeschaltet. Besonders das Rückspiel im Viertelfinale gegen den Serie-A-Klub war spektakulär. Nach einer 2:4-Auswärtsniederlage gerieten die Salzburger in der Red-Bull-Arena kurz nach der Pause 0:1 in Rückstand. Doch nach dem schnellen Ausgleich durch Dabbur brachen alle Dämme: Haidara, Hwang und Lainer stellten von der 72. bis zur 76. Minute mit ihren Toren von 1:1 auf 4:1. Die geschockten Italiener konnten nicht mehr reagieren.
- 2019 Das Champions-League-Debüt
Unglaubliche elf Mal scheiterte Red Bull in der Champions-League-Qualifikation. In dieser Saison durften die Salzburger endlich in der Eliteliga mitspielen, weil Österreichs Meister direkt für die Gruppenphase qualifiziert war. Und die Mannschaft von Trainer Jesse Marsch hinterließ durchaus einen positiven Eindruck. Das spektakuläre 6:2 zum Auftakt in der Red-Bull-Arena gegen Belgiens Meister KRC Genk war ein Einstand nach Maß. Beim Titelverteidiger FC Liverpool konnte ein 0:3-Rückstand wettgemacht werden, trotzdem gab es schlussendlich eine 3:4-Niederlage. Nach sechs Gruppenspielen reichte es zwar nicht zum Aufstieg, aber nach einem Auswärtssieg in Genk immerhin zu Platz 3. Die Salzburger hatten international für Aufsehen gesorgt – besonders zwei Spieler: Erling Haaland und Takumi Minamino. Beide konnten in der Winterpause auch nicht gehalten werden. Der Norweger wechselte nach Dortmund, der Japaner zu Gruppengegner Liverpool.
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