Damir Canadi: "Dann heißt’s: Lieber tun wir den weg"
Dem Absturz folgte ein Höhenflug. Nachdem er bei Rapid Wien nur wenige Monate im Amt war, erlebte Damir Canadi in Griechenland eine erfolgreiche Zeit. Den Mittelständler Atromitos Athen führte der Wiener zwei Mal in den Europacup und empfahl sich damit für den nächsten Karriereschritt.
Mit dem deutschen Traditionsteam Nürnberg will Canadi in den nächsten beiden Jahren in die Bundesliga zurückkehren. "Es war immer schon ein Ziel von mir, einmal in die deutsche Bundesliga zu kommen. Davon träumen ja viele Trainer. Jetzt hat sich eine Chance ergeben, und die versuche ich natürlich auch zu nützen", sagt der 49-Jährige vor dem ersten Match am Samstag in Dresden.
KURIER: Was ist die größte Herausforderung in Nürnberg?
Die Historie des Vereins ist größer als die Möglichkeiten, die wir haben. In der letzten Saison in der Bundesliga hat sich Nürnberg nur mit wenigen Vereinen finanziell messen können. Auch in der zweiten Liga gibt es jetzt mit dem HSV, Stuttgart, Hannover, um nur einige zu nennen, große Konkurrenz. Wir werden das mit anderen Tugenden ausgleichen müssen, um Paroli bieten zu können.
Macht es angesichts dieser Gegner überhaupt Sinn, gleich den Wiederaufstieg anzupeilen?
Dass es ein Ziel ist, das ist klar. Jeder weiß, was wir wollen und wo wir hinwollen. Wir peilen es an, dass Nürnberg in zwei Jahren wieder in der Bundesliga spielt. Aber wie schwer es ist, wieder raufzukommen, das hat der HSV gezeigt.
Wie haben Sie Sich auf die Aufgabe in Nürnberg vorbereitet? Haben Sie die letzte Saison genau analysiert und aufgearbeitet, oder sind Sie ein Trainer, der Sich lieber selbst ein Bild macht?
Als die ersten Gespräche geführt wurden, war ich noch in Griechenland Trainer. Natürlich habe ich mir dann die Spiele von Nürnberg intensiver angeschaut. Jetzt versuche ich mich mit dem Istzustand auseinanderzusetzen und der Mannschaft zu vermitteln, was ich gerne hätte.
Inwieweit helfen Ihnen Ihre Erfahrungen, die Sie in Griechenland gesammelt haben, jetzt in Nürnberg?
Ich würde nicht sagen, dass mir diese Erfahrungen jetzt nur speziell in Nürnberg helfen. Ich kann einfach auf mehr Ressourcen zurückgreifen, als Trainer, aber auch als Mensch. Natürlich lasse ich in Nürnberg meine Erfahrungen einfließen, zugleich muss ich auch neue Wege finden und einen Spielstil, der zu dem Team passt. Man kann Atromitos nicht mit Nürnberg vergleichen.
Familienvater und Fußballer
Damir Canadi wurde am 6. Mai 1970 als Sohn kroatischer Einwanderer in Wien geboren.
Als U-21-Teamspieler kam er auf einen Profieinsatz für die Austria, danach folgten 13 Stationen bei unterklassigen Klubs. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter und eines Sohnes.
Trainer
Als Jung-Trainer von Fortuna 05 stieg er mit 33 gleich in die Ostliga auf, ebenso 2011 mit Simmering. Vom FC Lustenau kommend übernahm Canadi 2013 Altach, stieg 2014 auf und kam 2015 in den Europacup. Im November 2016 verließ Canadi Altach als Tabellenführer in Richtung Rapid, wo er nach 17 Spielen beurlaubt wurde. Bei seiner nächsten Station war der Wiener wieder erfolgreich: Außenseiter Atromitos Athen führte Canadi zwei Mal auf Platz vier in der griechischen Super League. Nach zwei Jahren heuerte der 49-Jährige im Juni 2019 beim 1. FC Nürnberg an, den er zurück in die Bundesliga führen soll.
Weil Sie Atromitos ansprechen: Es war durchaus ein mutiger Schritt von Ihnen, in die griechische Liga zu gehen.
Mag stimmen, dass Atromitos für einen gewöhnlichen Fußballfan nicht ganz der klingende Name ist. Diejenigen, die mich damals für den Schritt nach Griechenland belächelt haben, klopfen einem dann auf die Schulter und sagen: ,Wir haben es gewusst, dass nur du es schaffen kannst.‘ Spannend, wie sich das oft dreht.
Was haben Sie bei Atromitos gelernt, was hat Sie dort als Trainer weitergebracht?
Die Aufgabe bei Atromitos war eine große Herausforderung. In einem Land und in einer Liga zu arbeiten, wo es nicht immer einfach ist. Nur ein Beispiel: In meiner ersten Saison waren in der Liga 21 Trainerwechsel, es gab Vereine, die haben fünf Mal den Trainer ausgetauscht. Dann war es auch eine Herausforderung für mich als Trainer, für die Art, wie ich den Job mache.
Was meinen Sie da genau?
Ich bin ein Trainer, der viel über die Kommunikation kommt. Den Spielern meine Spielphilosophie auf Englisch oder Griechisch näherzu bringen, ist schon eine Aufgabe. Da reicht nicht das Urlaubsenglisch, da sind dann fußballspezifische Ausdrücke gefragt.
Was unterscheidet Sie heute vom jungen Damir Canadi?
Am Anfang denkt man als Trainer vielleicht noch öfter wie ein Spieler. Manchmal muss ich selbst ein wenig schmunzeln, wie es in meiner Anfangszeit war.
Worüber schmunzeln Sie?
Über die Art und Weise, wie ich früher meine Mannschaft gecoacht habe.
Was haben Sie denn getan?
Ich war nach Spielen oft kaputt, vielleicht sogar kaputter als die Spieler. Als Trainer von Fortuna 05 in der Wiener Liga war ich nach einem Match einmal so müde, dass ich mich zwei Stunden niederlegen hab’ müssen.
Das Spiel hat Sie ausgelaugt?
Ich habe außen an der Linie einfach so mitgelebt, teilweise sogar mitgespielt. Es ist vorgekommen, dass ich eine Kiste getreten habe, weil ich geglaubt habe, dass es der Ball ist.
Und wie ist das heute?
Heute lebe ich noch genauso mit, aber halt anders und nicht so nach außen. Ich habe andere Sichtweisen, bin sicher analytischer. Mit dem Wissen, das ich vor 18 Jahren hatte, könnte ich heute als Trainer nicht arbeiten. Ich habe bei jeder meinen Stationen wichtige Erfahrungen gesammelt und überall etwas mitgenommen. Man wird halt als Trainer gerne schnell in Schubladen gesteckt, das machen Trainer mit Spielern übrigens sehr oft genauso. Dann heißt es: ,Der Spieler ist schwierig.‘
Damit können Sie nichts anfangen?
Die Spieler sind teilweise 18, 19 Jahre alt und befinden sich in ihrer größten Entwicklung. Ich stelle dann meist eine Gegenfrage.
Nämlich?
Wie warst denn du mit 18, 19 Jahren? Hast du in diesem Alter alles richtig gemacht? Dann fangen die Leute an nachzudenken. Ich bin der Meinung: Man sollte immer zuerst hinterfragen, wie man selbst einmal war. Wir sind heute sehr schnell mit Bewertungen.
Apropos: Wie bewerten Sie es, dass in der österreichischen Liga nur noch einer von zwölf Trainern dabei ist, die vor einem Jahr begonnen haben?
Es fällt auf, dass mittlerweile die Trainer sehr, sehr schnell gewechselt werden. Man sollte sich Gedanken machen, ob das der richtige Weg ist. Ich glaube, dass die vielen Wechsel auch mit der Ligareform zu tun haben.
Inwiefern?
Haben sich die Vereine selbst auf diese Situation vorbereitet? Ich hatte den Eindruck, dass die Vereine kein Handling hatten. Sie sind in Panik geraten, haben die Nerven weggeschmissen, statt eine Eigenanalyse zu machen und sich selbst zu hinterfragen. Dann ist es halt so bei einem Trainer: Er wird schnell von der stärksten zur schwächsten Person. Es heißt zwar, dass der Trainer die wichtigste Figur im Verein ist, aber ich merke das dann nicht, wenn es zur ersten heiklen Situation kommt. Dann heißt’s gerne: ,Lieber tun wir den weg.‘
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